2. Februar 2009:Braucht München einen Konzertsaal?

Lesezeit: 3 min

Ein Münchner Haus für berühmte Orchester: Über den Streit um den richtigen Platz, die richtige Akustik und das Geld, das ein neuer Konzertsaal kosten würde.

Braucht München einen neuen Konzertsaal? Zum Bericht "Der gute Ruf" (24./25. Januar) meinen die Leser:

Ein Leser meint zur Diskussion um den neuen Konzertsaal: "Schluss mit dem Pferdestall-Mist!" (Foto: Foto: Rumpf)

Das liest sich wie: "Unerhört! Welch freche Forderung!" Der vorgesehene Platz für den neuen Saal am Marstall wird in Frage gestellt, unter anderem mit dem Argument, dass dem Klenze-Marstall Gewalt angetan wird. Das Gegenteil ist aber der Fall: Der Klenze-Bau wird nach seiner jetzigen Fehlbelegung mit Kulissenlager, Werkstätten und einem kleinen Theater nahezu wieder in den Originalzustand versetzt und dient dann als unvergleichlicher, multifunktional zu nutzender Raum. Der dahinter gestellte Saal füllt eine Baulücke, die bisher kaum einer wahrgenommen hat. So nebenbei wird noch die Frage aufgeworfen, ob drei Konzertsäle gefüllt werden könnten. Im Gasteig verschiebt sich die Belegung immer mehr Richtung elektronisch verstärkter Veranstaltungen (die hierfür nötigen technischen Einrichtungen haben den Saal nachhaltig verunstaltet). Das ist gut so und sichert dem Saal auf Dauer ein gute Auslastung. Der wesentlich kleinere Herkulessaal wird aus wirtschaftlichen Gründen (weniger Plätze, geringere Miete) ebenso gut genutzt werden. Der Konzertsaal im Marstall kann so zum Flaggschiff der Klassik werden, endlich würden auch die berühmten großen Orchester nicht weiterhin einen Bogen um München machen.

Ulrich Wittermann Gräfelfing

Auch Hamburg hat etwas zu bieten

Hamburg könne mit seinen mittelmäßigen Orchestern nicht mithalten'', heißt es. Hat der Verfasser des Artikels jemals das NDR-Sinfonieorchester unter der Leitung des 2002 verstorbenen Günter Wand oder unter dem derzeitigen Chefdirigenten Christoph von Dohnanyi gehört? Gerade in den letzten Jahren hat es in der Laeiszhalle (Musikhalle Hamburg) viele hervorragende Konzerte gegeben unter bedeutenden Gastdirigenten. Außerdem sind die beeindruckenden Interpretationen der vierten, sechsten und siebten Sinfonien Gustav Mahlers durch Michael Gielen zu nennen. Nebenbei sei bemerkt, dass Alan Gilbert (erster Gastdirigent beim NDR Sinfonieorchester) mit Beginn der Spielzeit 2009/2010 (ebenfalls als Nachfolger von Lorin Maazel) Chefdirigent des New York Philharmonic wird. Wäre ihm diese Aufgabe jemals anvertraut worden, wenn er zuvor ein nur "mittelmäßiges" Orchester dirigiert hätte? Dass die Hochkultur in München traditionell einen höheren Stellenwert genießt als in der kaufmännisch geprägten Hansestadt, steht außer Frage. Der (umstrittene) Bau der von Herzog & De Meuron entworfenen Elbphilharmonie wird Hamburgs Kulturleben hoffentlich zum gewünschten Auftrieb verhelfen.

Philipp Starke Hamburg

Odeon statt Pferdestall

Ja, München braucht einen richtigen Konzertsaal - aber doch keinen Pferdestall samt entsprechendem Ambiente und Akustik! Dabei steht eines der schönsten und akustisch vollkommensten Konzertsäle der Welt gerade 100 Meter weiter weg - der Odeon! Innenministerium raus, die alten (und zum Glück noch komplett erhaltenen) Klenze-Pläne rausgeholt, und München bekommt für annähernd das gleiche Geld ein Juwel zurück, das den Vergleich zum Wiener Musikvereinssaal kaum scheuen muss. Also: Schluss mit dem Pferdestall-Mist!

Tim Cole München

Über die Rätsel des guten Klangs

Niemand kann vernünftig erklären, wieso die Akustik des Wiener Musikvereinssaales so hervorragend ist und die des Gasteigs vergleichsweise dürftig. Dabei war zur Zeit des Wiener Saalbaues die Kenntnis von Akustik geradezu bescheiden. Christian Doppler hatte gerade mal (1842) den nach ihm benannten Dopplereffekt (Frequenzverschiebung bei sich bewegenden Signalquellen) theoretisch erklärt. Praktische Tests dazu konnte er ja nicht machen, da sich zu seiner Zeit nichts schneller als 30 km/h bewegen ließ! Trotzdem entstand 1870 ein Saal, der von der Akustik her unübertroffen ist - bis heute. Und da gelingt es einer Schar von Experten, trotz technischen Fortschritts ein Gasteigzentrum zu errichten, das hinsichtlich Akustik laut Leonard Bernstein gerade einmal dazu taugt verbrannt zu werden. Entweder ist die Beurteilung von Akustik durch Musiker und Kritiker weitgehend subjektiv oder es gibt noch Phänomene, die wissenschaftlich noch nicht verstanden sind. Wenn das aber so ist, dann darf man nicht einfach einen weiteren Saal bauen, dessen akustische Qualität offenbar nicht vorhergesagt werden kann.

Dr. Friedrich Wörndle Ostermünchen

Was die Hörer wirklich wollen

Nicht nur die Qualität der Orchester ist für den Ruf der Musikstadt München entscheidend, sondern auch die Dirigenten spielen eine wichtige Rolle. Wenn etwa Bernstein, Celibidache, Maazel oder Wand dirigierten, auch aktuell etwa bei Thielemanns Bruckner, versuch(t)en oft am Abend Dutzende Menschen mit Plakaten, teilweise zig Meter vor dem Konzertsaal, noch eine Karte zu ergattern, egal auf welchem Platz, und dies auch in der Philharmonie und sogar im Kongresssaal. Mariss Jansons hingegen zieht das Publikum mit seinem eher musikantischen Dirigierstil das Publikum nicht derartig an. An der Akustik kann das nicht liegen. Dies sollte zu denken geben, auch dem bayerischen Ministerpräsidenten, der einen neuen Saal befürwortet.

Dirk Homburg München

Musikunterricht statt Musikhalle

Meine Töchter hatten in der ganzen Oberstufe keinen Musikunterricht. Zu Opern und Sinfonien haben sie keinen Zugang wie viele ihrer Generation. Wenn nun in dem kulturell schon opulent ausgestatteten München noch eine aufwendige Musikhalle gebaut wird, ist das eine Versündigung an unseren Kindern!

Annette Koch Höhenkirchen

© SZ vom 2.2.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: