Zum Ende der Skisaison in die USA:Easy in Aspen

Ein Tag mit Klaus Obermeyer, dem Erfinder der Daunenjacke, auf den Pisten von Aspen: Mit seinen 92 Jahren saust er in einem Mördertempo bergab und wird dem Motto der früheren Silbergräberstadt in Colorado überhaupt nicht gerecht: "keine Hektik".

Christian Mayer

Der Mann ist 92 Jahre alt, aller Voraussicht nach müsste er also ein wenig steif um die Hüften sein, so ein Pisten-Methusalem fährt doch sicher eher gemächlich, im Slow-Motion-Modus. Selbst im Hochland von Colorado, wo auch rüstige Senioren ständig an ihre Grenzen gehen, gelten schließlich die Gesetze der Natur. Oder etwa nicht?

Zum Ende der Skisaison in die USA: Mit Federn zum Erfolg: Der 92-jährige Klaus Obermeyer gilt als Erfinder der Daunenjacke.

Mit Federn zum Erfolg: Der 92-jährige Klaus Obermeyer gilt als Erfinder der Daunenjacke.

(Foto: Sport Obermeyer)

Und dann steht er da, an der Bergstation von Aspen Mountain, mit einem halodrihaften Lächeln grüßt er den Besucher aus Bayern, seiner alten Heimat. "Also, auf geht's", ruft Klaus Obermeyer. Er trägt als Einziger auf der Piste keinen Helm, nicht mal eine Mütze, dabei hat es minus vier Grad auf 3400 Metern Höhe. Sein weißes Haar hat er nach hinten gekämmt, in der verspiegelten Sonnenbrille sieht man bunte Skianzüge, das Gewusel der Tagestouristen am Hang, die bereit für den Champagne Powder sind, den besonders weichen, trockenen Pulverschnee, für den dieser Teil der Rocky Mountains berühmt ist.

Auf geht's: Klaus Obermeyer fährt locker los, überholt mit straffem Oberkörper ein paar Vierzigjährige, macht ein paar breite, nahezu gleichförmige Schwünge. Es sieht unglaublich leicht aus, so, als habe der Mann nie etwas anderes gemacht in seinem Leben als andere abzuhängen.

Vor ihm, auf der gegenüberliegenden Seite des Tals, glänzt der Red Mountain in der Mittagssonne, dort haben Hollywood-Stars, reiche Erben und russische Oligarchen ihre Paläste. Doch dem Berg der Arrivierten schenkt der leidenschaftliche Skifahrer nur einen Seitenblick; dort liegt ja auch kaum Schnee. Klaus Obermeyer genießt lieber die Freiheit, sich seine eigene Spur zu suchen und im Sessellift Wiener Schlager aus den dreißiger Jahren zu singen, manchmal fängt er auch an, grundlos zu jodeln - sehr zur Freude der Amerikaner.

Das Gefühl von Freiheit, die Möglichkeit, abseits der Massen ein einsames Gelände zu finden - wann erlebt man das schon mal in den Alpen? In Aspen, wo es mit den Highlands, Aspen Mountains, Buttermilk und Snowmass gleich vier unterschiedliche Skigebiete gibt, lernt man das Privileg der kurzen Wartezeiten und der langen Abfahrten schätzen.

Ein Lachen wie gemeißelt

Ein Tag mit Klaus Obermeyer ist vor allem lehrreich, denn der Mann verkörpert wie kein zweiter die Erfolgsgeschichte des Skiorts. Sein Lachen ist wie gemeißelt, aber seine überbordende Fröhlichkeit scheint er einem gelungenen Lebenswerk zu verdanken - diesen Eindruck hat man zumindest, wenn man ihn so reden hört.

Beim anschließenden Essen im Hotel Little Nell beginnt er zu erzählen. Wie er 1947 aus Oberstaufen im Allgäu nach Amerika kam, wo er eigentlich als Flugzeugingenieur arbeiten wollte - und schließlich als Skilehrer für seinen Freund Friedl Pfeifer, den Begründer der Aspen Ski School, Aufbauarbeit leistete. Wie er dann auf die merkwürdige Idee kam, endlich mal den Wintermantel gegen ein Gebilde zu tauschen, das er sich selbst aus einer Daunendecke genäht hatte: Das Ding war warm und ungeheuer praktisch, "und hier in Aspen kann es wirklich verdammt kalt werden", sagt der Unternehmer.

Sport, Kultur und gutes Essen

Tatsächlich hatte Klaus Obermeyer, der in seiner Jugend viele Abfahrtsrennen gewonnen hat, gerade die Daunenjacke erfunden. "Ich hab' die dann für sagenhafte 250 Dollar an einen Amerikaner verkauft, der sie unbedingt haben wollte." In München verhandelte er mit dem Chef einer Bettenfirma, bei ein paar Maß im Hofbräuhaus kam der Deal zustande: Der Mann aus dem Allgäu brachte Reißverschlüsse aus den USA mit, der Münchner Geschäftspartner produzierte die All-Wetter-Anoraks.

Die Erfindung der Daunenjacke ist längst ein lokaler Mythos und der stürmische Klaus eine Legende im 6000-Einwohner-Ort. In Aspen verweist man ohnehin gerne auf die glorreiche Vergangenheit: Wer will, kann sich sogar beim Skifahren die Geschichte des Ortes erzählen lassen - Mike Monroney von der Aspen Historical Society bietet solche spezielle Touren für Wintersportler an.

Hauptstadt des Silberabbaus

Wo heute die Skifahrer auf den präparierten Pisten unterwegs sind, suchten früher die Arbeiter in den verwinkelten Gängen der Bergminen nach Edelmetall; bis zum Ende des Booms im Jahr 1893 galt Aspen als unangefochtene Hauptstadt des Silberabbaus in den USA. Vom Glanz dieser Epoche zeugt heute noch das prächtige Wheeler Opera House, wo regelmäßig Filmfestivals und Konzerte stattfinden. Die Stammgäste in Aspen, sowohl die im Sommer wie die im Winter, wollen eben immer ein wenig mehr als in anderen Erholungsorten im amerikanischen Westen; sie wollen den Sport, die Kultur, das gute Essen verbinden, und nicht zuletzt erweist es sich als überaus praktisch, dass der Flughafen nur zehn Minuten von den großen Hotels entfernt liegt.

Glücklicherweise hat sich die kleine Stadt zwischen den Bergen ihren Charme aus der Frühphase des 20. Jahrhunderts bewahren können. In den restaurierten Häusern haben sich hauptsächlich internationale Designer, Kunstgalerien und Immobilienhändler niedergelassen, die offenbar einen großen Teil ihres Umsatzes mit der Klientel von Red Mountain machen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine neue Acht-Millionen-Dollar-Villa angeboten wird, Panorama-Rundblick, fünf Bäder, Weinkeller und Wellness-Bereich inklusive.

Nur keine Hektik

Trotz allem geht es in Aspen eher lässig zu. "No rush", nur keine Hektik: Diesen Satz hört man recht oft, wenn man hier unterwegs ist. Auch auf den Skipisten gelten fundamentale Regeln der Höflichkeit: Man wartet ab, bis der andere unten angekommen ist, statt ihm in die Parade zu fahren. Falls man sich wider Erwarten doch mal verirrt oder ein kleines Problem hat, stehen überall Freiwillige mit warmem Apfelsaft und Snacks bereit, um den Weg zu weisen: Die übermächtige Aspen Skiing Company, die es sich leisten kann, die bestbezahlten Skilehrer in Nordamerika zu beschäftigen, gibt sich gerne großzügig.

Der Reichtum wirkt hier dennoch weniger dick aufgetragen als beispielsweise in St. Moritz oder Kitzbühel: Man mag es eben sportlich in Colorado, selbst in edlen Restaurants trägt man karierte Hemden statt Anzug, Daunenjacke statt Pelzmantel.

Luxus mit Understatement

Zum Ende der Skisaison in die USA: Aspen in Colorado ist berühmt für seinen trockenen Pulverschnee, den "Champagne Powder".

Aspen in Colorado ist berühmt für seinen trockenen Pulverschnee, den "Champagne Powder".

(Foto: SZ-Grafik)

Luxus mit Understatement, das ist hier die vorherrschende Haltung. Im "Elevation" etwa, einem der neuen schicken Lokale, in dem großformatige Fotografien von Gunter Sachs hängen, geht es fast so ungezwungen zu wie in der populären Skihütte "Clowd 9", wo der österreichische Koch Andreas Fischbacher regelrechte Raclette- und Rotwein-Orgien veranstaltet und die brasilianischen Gäste schon um drei Uhr nachmittags auf den Tischen tanzen.

Nicht ganz so ausgelassen geht es im neuen, für sechs Millionen Dollar errichteten Bergrestaurant "Merry Go Round" zu, wo Bio-Kost, asiatische Wok-Gerichte und unterschiedlichste Salate serviert werden: Die durchtrainierten Freizeitathleten sind größtenteils auch Anhänger der Health-Food-Bewegung. Starke Überschneidungen gibt es offenbar auch zwischen dem Sport und der Kunst: Deshalb sind im "Merry Go Round" Fotografien von Walter Niedermayr zu sehen - ästhetische Kompositionen von Skifahrern vor einem makellos weißen Hintergrund.

Wer in Aspen etwas gelten will, hängt sich solche Bilder ins Schlafzimmer. Jedes Jahr beauftragt die Skiing Company einen renommierten Künstler damit, den neuen Liftpass für die Saison zu gestalten - selbst der berühmte Peter Doig, ein begeisterter Bergsportler, hat sich schon am Projekt Karten-Kunst für das Vierfach-Skigebiet beteiligt.

Früh ins Bett, fit am Morgen

Bleiben die Nächte. Die beginnen in Aspen eher früh, man will ja ausgeschlafen und fit sein am nächsten Morgen. Deshalb gibt es in fast allen Hotels inzwischen Après-Ski-Abende, gemütliche Cocktail-Stunden am Kamin, zum Beispiel im Designhotel Limelight Lodge oder im distinguierten Luxushotel St. Regis, das auch nach einer gründlichen Renovierung so aussieht, als habe es Königin Victoria von England persönlich entworfen. Nach dem Fünf-Uhr-Drink an der Bar geht es gleich weiter ins Restaurant, und danach vielleicht ins "Belly Up", wo auch mal richtige Popstars und Jazzgrößen auftreten. In dieser Nacht, nach einem unterhaltsamen Skitag mit der Legende Klaus Obermeyer, spielt allerdings eine Show-und-Spaß-Band: Die "Spazmatics" lassen noch einmal die achtziger Jahre hochleben.

Jetzt sollte man aber mal schnell die Kurve kriegen, damit einen nicht am nächsten Tag auf der Piste rasante Senioren überholen, die dem Besucher treuherzig erzählen, dass man es ja ruhig langsam angehen könne, aber selber in einem Mördertempo davonrasen.

Richtig altern kann man im Hochland von Colorado offenbar nicht. "No rush": Das sagt sich so leicht, wenn man in Aspen angekommen ist.

Informationen:

Anreise: Flug ab München nach Aspen und zurück mit United Airlines ab ca. 960 Euro, www.united.com Zwei-Tage-Pass: ab 115 Euro für alle vier Skigebiete in Aspen. Übernachtung: Limelight Lodge, DZ ca. 180 Euro, www.limelightlodge.com; St. Regis, DZ ab 730 Europro Zimmer / Nacht, www.stregisaspen.com Reisearrangements: Acht Tage zum Saisonende im April beim Veranstalter "Faszination Ski" mit Flügen, Übernachtungen und Liftkarte 1599 Euro, www.faszinationski.de Weitere Auskünfte: www.aspensnowmass.com

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