Städtereise-Serie "Bild einer Stadt":Wie tickt eigentlich ... Zürich?

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Zürich hat genug Plätze für das (günstige) Picknick am Wasser. (Foto: Ricardo Gomez Angel/Unsplash; Illustration Jessy Asmus)

Die Schweizer Stadt am See ist ein wenig größenwahnsinnig. Trotzdem würden ihre Bewohner nicht lieber in New York oder London leben - sie können auch gar nicht mehr weg.

Von Charlotte Theile

Eine Stadt zu bereisen, bedeutet nicht nur Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Sondern einen Blick in ihre Seele zu werfen - und dabei schöne Orte kennenzulernen, die auch Einheimische lieben. Wir haben unsere SZ-Kollegen in nahen und fernen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Diesmal erklärt Charlotte Theile, wo Urlauber am besten Pause machen und wie sie mit den verschlossenen Schweizern ins Gespräch kommen - und was sie lieber nicht sagen sollten.

Was ist das Besondere an Zürich?

Zürich ist eine Großstadt im Kleinstformat. 400 000 Einwohner, jede Distanz kann in gut 20 Minuten mit dem Velo zurückgelegt werden - in China würde man von einem Dorf sprechen, in Deutschland von Wuppertal. Zürich dagegen will in der ersten Liga mitspielen, vergleicht sich mit Berlin, Rom, New York. Das ist, wie vieles in Zürich, etwas übertrieben. Nicht zu Unrecht sagen viele, das einzige, was Zürich mit den Metropolen der Welt gemein habe, seien die Preise. Trotzdem ist Zürich ganz schön beliebt. Weshalb die Menschen so viel Geld ausgeben wollen? Man könnte jetzt vom See und dem Blick auf die Berge schwärmen (beides wäre gerechtfertigt), das Geheimnis aber ist viel profaner: Das Leben in Zürich ist wahnsinnig bequem. Der Flughafen liegt zehn Minuten vor der Stadt, die Züge sind pünktlich, die Straßen sauber, die Polizisten freundlich. Dazu zahlen die Unternehmen beeindruckend hohe Löhne. Kurzum: Wer sich einmal an Zürcher Standards gewöhnt hat, kann fast nicht mehr umziehen.

Wie ticken die Einwohner?

Zürich ist eine liberale Stadt. Vieles, was anderswo illegal ist, ist hier Privatsache. Das führt zum Beispiel dazu, dass im öffentlichen Raum Marihuana geraucht und, wenn man den Wasserauswertungen glaubt, jeden Tag 1,7 Kilogramm Kokain konsumiert werden. Zudem ist Zürich eine Stadt, in der man arbeitet. Viel arbeitet. Banken, Versicherungen, Software-Konzerne und Startups ziehen junge, ehrgeizige Menschen aus aller Welt an. Am besten kann man das im Sommer beim Baden am See oder an der Limmat beobachten. Hier hört man alle Sprachen, sieht alle Hautfarben und Trends - und bekommt den Eindruck, die ganze Stadt würde aus gut aussehenden, reichen Menschen bestehen. Es gibt aber auch Viertel, die etwas anders sind: auf der einen Seite das frühere Rotlichtviertel um die Langstraße, wo sich noch immer Drogensüchtige und Prostituierte tummeln, auf der anderen Seite die teuren Lagen am See, wo eher alteingesessene Schweizer Familien leben.

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:Die neue Sauberkeit

Kleine Läden, anderes Publikum, weniger Prostitution und Drogen: Zürich hat seine schmuddeligste Meile, die Langstraße, aufgewertet. Das gefällt nicht allen.

Von Charlotte Theile

In Zürich wenig Geld ausgeben - wie geht das?

So richtig günstig wird Zürich nie sein. Wer aber im Sommer in die Stadt kommt, kann auch ohne allzu viel Geld ein paar schöne Tage haben: Baden im See oder an der Limmat (Einheimische fahren mit dem Schlauchboot den Fluss hinab), ein Spaziergang auf den Uetliberg, am Montag vergünstigt ins Theater. Ein Tagesticket für Tram und Bahn berechtigt auch für manche Bootsfahrt über den See - und in vielen alternativen Projekten gibt es Essen zum Selbstkostenpreis. Gute Tipps hierfür sind das Kochareal oder die Stadionbrache. Beide liegen allerdings etwas außerhalb der Stadt.

Wie kommt man am besten mit Einheimischen in Kontakt?

Die Schweizer gelten als verschlossen und zurückhaltend, mit ihnen in Kontakt zu treten ist nicht ganz einfach. Am besten funktioniert es über gemeinsame Interessen: Wer im Museum ein Fachgespräch mit einem Schweizer beginnt, hat gute Chancen, es bei einem Kaffee fortsetzen zu können. Ist man länger in der Stadt, meldet man sich im Chor an oder geht zum Sport - je ausgefallener das Hobby, desto besser. Eine andere Möglichkeit sind die vielen politischen Abstimmungen im Land: Wer sich engagieren will, findet oft leidenschaftliche Mitstreiter. Kurzurlauber kommen vielleicht beim Tischtennis im Park oder beim Ausgehen am Abend mit den Zürchern ins Gespräch.

Wohin gehen Zürcher ...

  • zum Frühstücken: Wenn es noch früh am Morgen ist, bietet das 25 hours Langstrasse in der Nähe des Bahnhofs einige gute Optionen, zum Brunch geht man ins Café du Bonheur, ins Café des Amis oder, wenn es etwas ausgefallener sein soll, ins Miyuko, wo es auch zahlreiche vegane Optionen gibt.
  • zum Mittagessen: Im Sommer versuchen alle, etwas zum Mitnehmen zu ergattern und sich damit an den Fluss oder den See zu setzen. Streetfood-Stände gibt es an der Limmat oder im lebendigen Kreis 4. Bei schlechtem Wetter sind das Ramen-Restaurant Ikoo oder das Restaurant Rosi zu empfehlen.
  • am Abend: Zum Abendessen gibt es so viele Optionen, dass man Zürich wirklich fast für eine Großstadt hält. Besonders in den Kreisen 4 und 5 finden sich an jeder Ecke schicke Vietnamesen wie das Co Chin Chin oder entspannte Alternativen wie das Les Halles, das französische Streetfood-Kultur zelebriert. Gute Pizza und Pasta gibt es in der Bar Basso an der Sihl und im Restaurant Rosso an der Hardbrücke, beide Lokale gehören zusammen.
  • in der Nacht: Gute Bars gibt es in Zürich viele, suchen Sie sich einfach eine aus, die Ihnen beim Schlendern durch die Altstadt oder die oben beschriebenen Trendquartiere zusagt. Kleine Warnung: Bereits zwei, drei Gin Tonic werden Sie einiges kosten. Schon deshalb sitzen viele Zürcher am Abend einfach mit einem Bier oder einer Flasche Wein draußen, auf dem Idaplatz, der Josefwiese oder am See. Wer nicht bis weit nach Mitternacht warten will, geht vielleicht ins Kauz, wo die DJs recht früh auflegen. Wer sich für elektronische Musik interessiert, sollte auch die Homepages von Zukunft, Hive oder Friedas Büxe abchecken. Mit ein bisschen Glück sieht man so in Zürich DJs, für die man in Berlin oder New York stundenlang anstehen müsste. Ein Vorteil einer so kleinen Stadt: Die Clubs haben Mühe, ihre Läden zu füllen. Dass jemand abgewiesen wird, weil er die falschen Turnschuhe trägt, kommt nicht vor.

Was finden die Menschen in Zürich gar nicht komisch?

Wenn man Züricher sagt statt Zürcher - oder sich lautstark über die Preise beschwert.

Wofür werden sie den Urlauber lieben?

Wenn Sie Zürcher sagen statt Züricher. Wenn Sie sich an die zurückhaltenden, ruhigen Schweizer anpassen und Forderungen als höfliche Fragen formulieren.

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