Zeitreise in die Vergangenheit:So deutsch ist New York

Was haben Brooklyn Bridge, Bloomingdale's und das Nobelhotel Waldorf-Astoria gemeinsam? Es sind nur drei von vielen Bauwerken und Orten, mit denen sich deutsche Einwanderer im Stadtbild von New York verewigt haben.

Daniela Dau

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Zeitreise in die Vergangenheit:Kleindeutschland in New York

Efforts To Landmark Sections Of Manhattan's East Village As Historic Draws Controversy

Quelle: Spencer Platt/AFP

Was haben Brooklyn Bridge, Bloomingdale's und das Nobelhotel Waldorf-Astoria gemeinsam? Es sind nur drei von vielen Bauwerken und Orten, mit denen sich deutsche Einwanderer im Stadtbild von New York verewigt haben. Von Daniela Dau

"Little Germany" hieß Ende des 19. Jahrhunderts ein Viertel von Manhattan, in dem sich vorwiegend Einwanderer aus Deutschland niedergelassen hatten. Allein in den 1850er Jahren waren 800.000 Deutsche angekommen, nur in Berlin und Wien lebten zu dieser Zeit mehr Deutsche als in New York. Wer die Stadt nicht nur als Durchgangsstation auf seinem Weg nach Westen betrachtete, siedelte sich hauptsächlich im heutigen East Village an, einem Stadtteil im Südosten von Manhattan. Viele Deutsche waren gut ausgebildete Handwerker, Händler oder politische Flüchtlinge, die wirtschaftliche Not oder die Wirren der Revolutionsjahre 1848/49 zur Auswanderung bewegt hatten. Der neuen Umgebung drückten sie arbeitssam und heimatverbunden ihren Stempel auf: durch die Gründung von Vereinen und Unternehmen, durch das Eröffnen von Lokalen, durch Teilhabe am öffentlichen Leben.

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Zeitreise in die Vergangenheit:Bloomingdale's

Federated Department Stores To Buy Rival May Stores

Quelle: Getty Images

Das Einzelhandelsgeschäft mit Damenmode hatten die Brüder Joseph und Lyman Bloomingdale von der Pike auf im Geschäft ihres aus dem fränkischen Altenmuhr bei Gunzenhausen stammenden Vaters Benjamin Bloomingdale gelernt. Im April 1872 machten sie sich selbständig und verkauften fortan Damenröcke, Korsette und Mode aus Europa in ihrem "Great East Side Bazaar" in der 56. Straße Ecke Third Avenue. Eine mutige Entscheidung, denn zu dieser Zeit war die East Side ein düsteres und wenig betuchtes Arbeiterviertel. Unverdrossen präsentierten die Bloomingdale-Brüder ihre Waren dennoch in großen Schaufenstern. Nach Firmenangaben belief sich der Umsatz des ersten Geschäftstages auf $ 3,68. Innerhalb weniger Jahre eröffnete in der Nähe das Metropolitan Museum of Art, die neue St. Patrick's Cathedral wurde in die Nachbarschaft verlegt und der Central Park eröffnet. Besser gestellte Kunden entdeckten die East Side, der Bazaar florierte und expandierte. 1929 zogen die geschäftstüchtigen Brüder in das verkehrsgünstiger gelegene Gebäude auf die Lexington Avenue Ecke 59. Straße, wo sich Bloomingdale's heute noch befindet. Die berühmte Art-Deco-Fassade an der Lexington Avenue ziert den Komplex seit 1931.

Lexington Avenue Ecke 59. Straße, New York

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Zeitreise in die Vergangenheit:Brooklyn Bridge

New Yorkers Face Crippled Commute One Day After Hurricane Hits City

Quelle: AFP

Schon während des Studiums an der Königlichen Bauakademie in Berlin hatte sich der aus dem thüringischen Mühlhausen stammende Johann August Röbling auf Brückenbau spezialisiert und erste Pläne für Hängebrücken über Ruhr und Lenne erdacht. Nach seiner Auswanderung in die USA 1831 verdiente der Mitgründer der deutschen Siedlung Saxonburg in Pennsylvania sein Geld zunächst als Ingenieur. In seiner Freizeit experimentierte er mit dem Baustoff, der die Grundlage für spätere Brückenbauten und wirtschaftliche Erfolge werden sollte, dem Drahtseil. 1844 gewann Röbling, der sich seit seiner Einbürgerung in die USA 1837 John A. Roebling nannte, die erste Ausschreibung für den Bau einer Brücke, viele weitere folgten. 1865 begann er mit dem Bau seines bisher ehrgeizigsten Projekts, der Brooklyn Bridge, die über den East River hinweg die Stadtteile Brooklyn und Manhattan verbinden sollte. Insgesamt 1833 Meter lang, der Abstand zwischen den Brückenpfeilern 486 Meter, sechs Fahrbahnspuren, dazu eine Bahntrasse und ein Fußweg - nie zuvor war weltweit eine längere Hängebrücke errichtet worden. Die Fertigstellung und Eröffnung 1883 erlebte Roebling nicht mehr, er starb 1869 an den Folgen einer Tetanusinfektion.

East River, New York

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Zeitreise in die Vergangenheit:Deutsch-amerikanische Schützengesellschaft

New York Deutsche Spuren East Side

Quelle: Schreibkraft / CC-by-sa-3.0

Heute beherbergt das Gebäude ein Yoga-Studio, 1888 hallten hier noch Schüsse. Die 1857 von Herrmann Busch gegründete "Deutsch-amerikanische Schützengesellschaft" hatte ihr Vereinshaus am St Mark's Place zwischen 2nd und Third Avenue. Viele deutsche Auswanderer organisierten sich in der neuen Heimat in Vereinen, um alte Hobbys zu pflegen und Anschluss innerhalb der deutschen Gemeinschaft zu finden. Die noch heute in der Rosette im oberen Gebäudedrittel sichtbare Inschrift "Einigkeit macht stark" ist Ausdruck ihrer Sehnsucht nach Vertrautem und Geschlossenheit in der neuen, fremden Heimat.

12 St Mark's Place, New York

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Zeitreise in die Vergangenheit:Carl Schurz Park

New York Deutsche Spuren Carl Schurz Park

Quelle: Jim Henderson

Ein kleine grüne Oase am Ufer des East River ist der Carl Schurz Park, benannt nach dem 1829 in Liblar (Erftstadt) im heutigen Nordrhein-Westfalen geborenen Politiker. Während der Badischen Revolution 1848/49 kämpfte Schurz auf Seiten der Revolutionäre und musste fliehen. Nach seiner Auswanderung in die USA gehörte er 1860 zu den Gründungsmitgliedern der Republikanischen Partei und schloss sich während des Amerikanischen Bürgerkrieges den Unionstruppen an. 1877 wurde Schurz Innenminister, der erste gebürtige Deutsche in diesem Amt. Der nach ihm benannte, etwa sechs Hektar große Park liegt direkt gegenüber der Gracie Mansion, der offziellen Residenz des New Yorker Bürgermeisters.

140-142 East End Avenue, Manhattan

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Zeitreise in die Vergangenheit:Scheffel Hall

New York Deutsche Spuren Scheffel Hall

Quelle: Beyond My Ken / CC-by-sa-3.0

Schmal steht die Scheffel Hall an der Third Avenue, doch dank ihres auffälligen Giebels sticht sie aus der Häuserzeile trotzdem heraus. Die Architekten Henry Adams Weber und Hubert Drosser bauten das Gebäude zwischen 1894 und 1895, inspiriert von der repräsentativen Fassade des Friedrichsbaus im Heidelberger Schloss. Seinen Namen hat das Gebäude von dem deutschen Dichter und Novellisten Joseph Viktor von Scheffel. Weniger prosaisch verlief die Nutzung der Scheffel Hall über die Jahrzehnte. Lange Zeit war es ein Restaurant, in dem hauptsächlich deutsche Auswanderer verkehrten, außerdem stählten Mitglieder des Deutsch-Amerikanischen Athletik-Clubs in den oberen Etagen ihre Muskeln. In den 1970er Jahren eröffnete in den Kellerräumen mit "Fat Tuesday's" eines der bekanntesten Jazz-Lokale von New York. Jeden Montag spielte dort Les Paul, es gibt berühmte Konzertmitschnitte von Tommy Flanagan und Chet Baker. Heute hat ein Tanzstudio die Räumlichkeiten gemietet.

190 Third Avenue, New York

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Zeitreise in die Vergangenheit:Waldorf-Astoria

US-FORUM-DAVOS-SCENE

Quelle: AFP

Das Nobelhotel Waldorf Astoria, die Straße Astor Place, das Viertel Astoria in Queens: Mehrfach stößt der Besucher in New York auf den Namen eines der reichsten Männer seiner Zeit und seiner Nachkommen. 1784 ging Johann Jakob Astor, ein armer Metzgersohn aus dem badischen Walldorf an der Ostküste von Nordamerika an Land und ließ sich in New York nieder, wo bereits einer seiner Brüder lebte. Astor betätigte sich zunächst als Musikalien-, später als äußerst erfolgreicher Pelzhändler und gelangte dadurch und durch geschickte Land- und Immobilienkäufe zu immensem Vermögen. Als Astor 1848 starb, hinterließ er die damals unvorstellbare Summe von 20 Millionen Dollar, umgerechnet wären dies heute etwa 110 Milliarden Dollar.

Waldorf-Astoria, 301 Park Avenue, New York

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Zeitreise in die Vergangenheit:Germania Bank Building

New York

Quelle: Jim Henderson

Zugeklebte Fenster, Graffiti auf den Mauern: Auf den ersten Blick ist es dem im neoklassizistischen Stil errichteten Gebäude im Viertel Bowery nicht anzusehen, dass hier einmal ein bedeutendes Bankhaus untergebracht war, die Germania Bank. Entworfen vom deutschstämmigen Architekten Robert Maynicke und 1898 bis 1899 errichtet, machte die Bank einen Großteil ihrer Geschäfte mit deutschen Einwanderern. Bis in die 1960er Jahre residierten verschiedene Bankhäuser in den Räumlichkeiten und während es im Inneren zahlreiche Umbauten gab, blieb die Fassade weitgehend unverändert. Heute ist das Germania Bank Building ein Wohnhaus.

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Zeitreise in die Vergangenheit:Kiehl's

New York Deutsche Spuren Kiehl's

Quelle: AFP

In vielen Ländern der Welt ist die Kosmetikmarke Kiehl's inzwischen vertreten, gegründet aber wurde sie von deutschen Einwanderern in New York. 1851 eröffnete auf der Third Avenue Ecke 13. Straße der deutschstämmige John Kiehl eine Apotheke und versorgte die Bewohner des Viertels mit Produkten rund um Gesundheit und Schönheit - Salben, Tinkturen, ätherische Öle, Produkte gegen Haarausfall und sogar potenzsteigernde Mittel. Es dauerte allerdings gut 100 Jahre, bis aus dem Familienbetrieb ein international beachtetes Unternehmen für natürliche Gesichts-, Haut- und Haarpflege wurde. Im Jahr 2000 erwarb der Kosmetik-Konzern L'Oreal das Unternehmen, dessen Flagship-Store sich weiterhin in der alten Apotheke auf der Third Avenue befindet.

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Zeitreise in die Vergangenheit:Steinway & Sons

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Quelle: AFP

Es war die pure Not, die den Harzer Orgelbauer und Kirchenorganisten Heinrich Engelhard Steinweg 1851 mit Frau, drei Töchtern und vier seiner Söhne zur Auswanderung in die USA bewog. Steinway, wie er sich nach seiner Ankunft in New York nannte, arbeitete zunächst in verschiedenen Klavierfabriken, bis er sich gemeinsam mit den Söhnen als Familienunternehmen selbständig machte. Die erfinderischen Steinways revolutionierten mit mehr als 125 Patenten den Pianobau, getreu dem Plan ihres Oberhaupts "to build the best piano possible" - bis heute das Motto des Unternehmens mit Filialen in New York und Hamburg. Wer einmal seine Finger selbst auf die edle Tastatur eines Steinways legen will, bekommt dazu in den Verkaufs-, Ausstellungs- und Vorführräumen der Steinway Hall mitten in Manhattan Gelegenheit.

Steinway Hall, West 57th Street

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Zeitreise in die Vergangenheit:Puck Building

USA New York Deutsche Spuren

Quelle: Goethe-Institut

Die deutsche Spurensuche in New York erleichtert ein Angebot des Goethe-Instituts. Mit dem Smartphone und einer App von der mobilen Website German Traces NYC begibt man sich auf Stadtrundgang und bekommt an den jeweiligen historischen Orten Original-Fotos, Erklärtexte, Videos und Audiomaterial geliefert. So erfährt der Tourist, dass im Puck Building (im Bild) von 1871 bis 1918 die deutsch-amerikanische Satirezeitschrift Puck Magazine herausgegeben wurde. Die vergoldete Statue des trickreichen Elfen "Puck" aus Shakespeares "Sommernachtstraum" in der rechten oberen Ecke des Bildes erinnert bis heute an diese Nutzung des Gebäudes. 36 solcher Orte bietet die App, vor allem im East Village und an der Lower East Side von Manhattan und zu jeder Station gibt es zusätzlich ein kleines Quiz. Geschichtsinteressierte Benutzer haben außerdem die Möglichkeit, auf der Plattform geostoryteller.org selbst entdeckte Orte einzutragen, die eine deutsche Vergangenheit aufweisen.

Puck Building, 295 Lafayette Street, Manhattan

© Süddeutsche.de/dd/kaeb
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