Winterurlaub:Das Erfolgsrezept der kleinen Skigebiete

Eigentlich dürfte es sie nach den Regeln des Kapitalismus nicht mehr geben. Dennoch behaupten sich viele Kleinstskigebiete - sogar in Zeiten des Schneemangels.

Von Arnold Zimprich

Grün ist es Anfang Januar im skibegeisterten Ronsberg im Ostallgäu, grün wie zu Pfingsten. Dass es in der 700 Meter hoch gelegenen Marktgemeinde einen Skilift gibt, fällt in diesem schneearmen Winter erst auf den zweiten Blick auf. Ein kleiner, leuchtend weißer Schneefleck unter einer Schneekanone weist auf die Existenz des Ronsberger Lifts hin.

Skifahren hat Tradition hier im Günztal, seit 1960 gibt es einen Schlepplift, der bis auf 820 Meter reicht. Heute wird er von 15 Mitgliedern des SC Ronsberg mit großem Einsatz betrieben.

"Alle im Team sind selbst begeisterte Skifahrer und entsprechend engagiert bei der Sache - anders würde der Betrieb des Lifts auch gar nicht funktionieren!", sagt Werner Bürgel, Chef der vom Sportclub gegründeten Skilift Ronsberg GmbH, sichtlich stolz. Dass es in diesem Jahr lange keinen Schnee gab, nimmt man hier relativ gelassen. "Wir haben im Gegensatz zu anderen, größeren Skigebieten äußerst geringe Kosten", sagt Bürgel. Schließlich arbeiten hier die meisten Leute ehrenamtlich. Die Tageskarte kostet zwölf Euro, es gibt aber auch noch günstigere Zehn-Fahrten-Karten. Gegen Hunger und Durst stellen die Ronsberger an Betriebstagen sogar eine kleine Gastronomie an der Talstation auf die Beine, und das Ortszentrum mit Pizzeria und Bäckerei liegen nur wenige Minuten entfernt. Die großen Skigebiete im Oberallgäu bereiten Bürgel wenig Sorgen. "Zu uns kommen viele Familien mit Kindern. Unser Hang ist aber anspruchsvoll genug, um auch guten Skifahrern Abfahrtsvergnügen zu bereiten."

In Zeiten, in denen nur noch mehr als 100 Pistenkilometer zu zählen scheinen und sich die Skigebiete zu immer größeren Einheiten zusammenschließen, wirken solche Kleinstskigebiete wie aus der Zeit gefallen. Vor allem im Allgäu, aber auch auf der Schwäbischen Alb gibt es noch viele solcher Lifte, und sie behaupten sich. "Familien mit Kleinkindern können doch einen teuren Skitag in einem großen Skigebiet kaum ausnutzen", sagt Bürgel - "denn den Kleinen wird schnell langweilig." Und die großen Skigebiete sind froh, dass es die kleinen Lifte gibt, schließlich rekrutiert man dort die Kundschaft von morgen.

Schneemangel trifft die Gebiete weniger hart, denn sie haben keine hohen Kosten

So wie in Prägraten, einem Bilderbuch-Bergdorf in Osttirol, am Fuß des Großvenedigers. Gleich hinter dem Ortskern gibt es zwei kleine Skilifte. Immerhin hat es im Virgental ab der zweiten Januarwoche erstmals geschneit, das Tal ist leicht bestäubt. 15 Euro kostet die Tageskarte, die beiden Bichllifte transportieren Gäste von 1300 Meter hinauf auf 1500 Meter. "Bei uns fährt man gut Ski", sagt Friedl Steiner, Chef des Tourismusbüros. "Wir haben zeitig mit der Beschneiung begonnen und konnten früh in die Wintersaison starten. Wenn es mit dem Schneefall so weitergeht, wird es noch eine gute Saison." Was die Konkurrenz angeht, ist Steiner gelassen. "Im Gegensatz zu den großen Skigebieten in der Nachbarschaft wenden wir uns bewusst an Anfänger und Erwachsene mit Kindern, die hier in Pensionen und Hotels logieren, günstigen Skispaß und eine Skischule direkt vor der Haustür suchen." Die Skischaukel von Kals-Matrei, von den Betreibern "Großglockner Resort" getauft, verlangt das Dreifache für die Tageskarte. "Wer möchte, kann natürlich mit dem Skibus auch nach Matrei pendeln", so Steiner. Dort gibt es 41,6 Pistenkilometer bis auf 2600 Meter Höhe.

Auf der Piste, in der Loipe

Die aktuellen Schneehöhen in den Alpen bei Schneehoehen.de.

Für die Auswirkungen des Klimawandels sei man weniger anfällig als große Gebiete, sagt Steiner. Die Investitionen seien viel geringer und man habe Alternativen. "Schneeschuhgehen und Winterwandern stehen im Nationalpark Hohe Tauern beispielsweise hoch im Kurs." Beides könne man auch bei geringer Schneelage tun.

Im Schweizer Binntal ist man nicht ganz so zuversichtlich. Dort gibt es auch einen kleinen Skilift. Das pittoreske Bergdorf Binn mit 150 Einwohnern liegt auf 1400 Metern im gleichnamigen Tal, einem kleinen, abgelegenen Seitenast des Rhonetals. "Wir hatten diesen Winter bisher keinen einzigen Betriebstag", sagt Manfred Imhof achselzuckend am Dreikönigstag. Imhof ist Kassierer am Lift, die Betreibergenossenschaft setzt sich komplett aus Einheimischen zusammen. "Um den Skilift anfahren zu können, brauchen wir mindestens 40 Zentimeter Schnee. Zur Weihnachtszeit lagen aber nur zehn Zentimeter, das höchste der Gefühle waren in dieser Saison 22 Zentimeter." Immerhin sei für die kommenden Wochen Schnee vorhergesagt.

Viel Einsatzkraft sei nötig, um den zusammen mit der Gemeinde betriebenen Lift am Leben zu erhalten. Immerhin gibt es den Lift seit fast 60 Jahren, und man ist weit davon entfernt, ihn stillzulegen. Stolz blickt Imhof auf rund 30 Betriebstage pro Saison zurück - die Tendenz ist jedoch abnehmend. Auch startet der Liftbetrieb immer später, 2015 fuhr er am 18. Januar zum ersten Mal. Auf die Frage, ob sich der Betrieb des Lifts rentiere, lacht Imhof. "Wir machen hier ganz klar ein Verlustgeschäft" - die Tageskarte kostet nur zehn Franken. Trotzdem merkt man dem Kassier sofort an: Das Tal steht hinter seinem Lift, der nur fünf Gehminuten von der reizvollen, durch Steinbauten geprägten Ortsmitte entfernt liegt. Wegen der Abgeschiedenheit des Tals kommen hauptsächlich Einheimische und langjährige Stammgäste des Hotels Ofenhorn zum Skifahren.

In Ernen, am Eingang zum Binntal, gab es auch einmal einen Lift, sagt Imhof, der wurde jedoch aufgegeben. Denn die Konkurrenz auf der anderen Seite des Rhonetals ist stark. Dort befindet sich das Prestigeskigebiet Aletsch-Arena, das mit einem spektakulären Ausblick auf die Viertausender des Berner Oberlands auftrumpfen kann. Eines kann es jedoch nicht bieten: Ruhe, Abgeschiedenheit und den Reiz des Ursprünglichen.

"Wer zu uns kommt, kommt nicht zwangsläufig wegen des Skifahrens", sagt Imhof. Aber gerade das macht den Ort unabhängiger von den Launen des Klimas.

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