Winterurlaub auf Pellworm:Entschleunigung garantiert

Eine Bank, zwei Bäcker und jede Menge Watt und Wind: Wer Ruhe sucht, wird sie auf der nordfriesischen Insel Pellworm finden - inmitten des Weltnaturerbes.

Winterurlaub auf einer nordfriesischen Insel heißt nicht zwangsläufig Sylter Gewusel, Strandpromenade von Wyk auf Föhr oder Amrumer Kniepsand. Pellworm als unscheinbarste der vier Schwestern im Wattenmeer ist anders. Die Insel bietet nur wenig touristische Infrastruktur und schon gar keine Orte, um zu sehen oder gesehen zu werden. Fast überall eine Handbreit unter dem Meeresspiegel gelegen und hinter einem acht Meter hohen Seedeich geduckt, besteht Pellworm im Winter auf den ersten Blick nur aus Bauernland mit kleinen Siedlungen. Wer den Mangel an pulsierendem Leben als Gewinn betrachtet, kann sich mit Natureindrücken und einer erholsamen Entschleunigung belohnen.

Winterurlaub auf Pellworm: Mehr als 2700 Brautpaare ließen sich hier bereits  trauen - auf dem Pellwormer Leuchtturm.

Mehr als 2700 Brautpaare ließen sich hier bereits trauen - auf dem Pellwormer Leuchtturm.

(Foto: Foto: dpa)

Kurdirektor Andreas Kobauer schwärmt vom Wattenmeer, das gerade zum Weltnaturerbe gekürt wurde: "Pellworm möchte zu den ersten gehören, die auf dieses Thema setzen." Die Insel habe so die große Chance, Menschen mit ihrer Lage inmitten dieser einmaligen Naturlandschaft zu begeistern. Das gehe gerade im Winter, wenn die Wetterelemente besonders eindrücklich zu spüren sind.

Was damit gemeint ist, erleben Urlauber bereits bei der kurzen Fährüberfahrt von der Halbinsel Nordstrand. An manchen sonnenlosen Tagen liegt die Nordsee undurchsichtig und glatt wie Blei. Der graue Himmel lastet über Hallig Südfall mit ihrer flachen Warft, die schemenhaft das Blickfeld streift. Das kaum gekräuselte Wasser der Norderhever fließt mit der Ebbe nach Südwesten und zieht Leestrudel hinter den im Strom geneigten Fahrwassertonnen. Doch wehe, es kommt Weststurm auf. Dann ist nichts gewiss. Schnell kann die Nordsee ihr böses Gesicht zeigen, so dass die Fähre im schützenden Hafen bleiben muss.

Auf der annähernd runden und 37 Quadratkilometer großen Insel angekommen, hat der Gast zwischen November und Februar nicht immer die freie Wahl unter den insgesamt 2100 Betten. Viele Anbieter von Ferienwohnungen oder -häusern schließen mehrere Wochen lang. Es gibt nur zwei größere Hotels, das "Friesenhaus" in der Nähe des Leuchtturmes und das "Kiek ut" an der Hooger Fähre. Wohnungen und Häuser stehen in jeder Preis- und Qualitätslage zur Verfügung.

Damit niemand vor verschlossener Tür steht, bietet die Kurverwaltung über ihren Internetauftritt eine Buchungsmöglichkeit an. Hier will Kobauer, der erst im Oktober von einem Reiseveranstalter nach Pellworm gekommen ist, als erstes in die Zukunft investieren: "Künftig sollen die Kunden online durchbuchen können, mit Bahnfahrkarte und Fährticket, mit Bezahlen und Ausdrucken der Fahrkarten von Zuhause aus." Für ein so kleines Reiseziel sei das in diesem Umfang bisher nicht üblich, sagt Kobauer.

Schätze der Natur

Wer gut untergekommen ist, dem bieten sich bei Fahrradfahrten - gefühlt kommt der Wind meist von vorn - Ziele für mehrere Tage. Vor allem außendeichs begrenzt nur der Horizont den Blick. Weite ist der vorherrschende Eindruck, der sich bei geführten Wattwanderungen noch verstärkt. Fachkundige Begleitung ist aber nicht nur der Sicherheit wegen ratsam. Wer nur einfach über den Meeresboden spaziert, verpasst das Beste. Wanderungen zu den Spuren des in einer mörderischen Flut untergegangenen Ortes Rungholt oder zur Hallig Süderoog sind an den kürzesten Tagen des Jahres zwar nur bedingt möglich. Aber nur einen Spatenstich tief im Untergrund finden sich wahre Schätze der Natur. Das Watt ist das produktivste Ökosystem der Welt. Davon sollte man etwas in die Hand nehmen, um es schätzen zu können.

Das Binnenland wirkt in diesen Monaten etwas öde. Einige Schafe grasen gleichmütig auf ihren Weiden. Abgeerntete Felder bieten weniger Charme als leuchtendes Rapsgelb im April oder wogende Weizenfelder im Juli. Dennoch lohnt sich der Aufstieg auf den mehr als 100 Jahre alten Leuchtturm, auf dem sich schon mehr als 2700 Brautpaare trauen ließen. Fast 40 Meter über dem Meer bietet sich ein grandioser, meist windumtoster Blick, der bei klarer Sicht bis Sylt im Norden und Eiderstedt im Süden reicht. Eine ruhige Stunde am Waldhusentief, dem vielleicht schönsten Fleckchen Pellworms, zeigt die Vielfalt der Vogelwelt, die Nordfriesland auch im Winter treu bleibt.

Liebe zum Meer

Für durchgefrorene Gäste ist das Freizeitbad "Pellewelle" im kleinen Hauptort Tammensiel mit Whirlpool, Sauna und Wasserrutsche das Richtige - trotz eng begrenzter Öffnungszeiten. Wer einen Einkaufsbummel machen will, muss nicht zu viel Zeit einplanen: Es gibt nur zwei kleine Supermärkte, zwei Bäcker, eine Bank und Boutique. Außerdem einen Laden mit allem, was der Urlauber so braucht, von wetterfester Kleidung und Inselliteratur bis zu Kaffeebechern und Ansichtskarten. Die Post ist schon vor Jahren zu einem Eckchen im Blumenladen geschrumpft.

Wer sich einen Fensterplatz bei Dörte Koch im "Nordseeblick" am Hafen von Tammensiel sucht, kann den Fischern bei der Arbeit an ihren Kuttern zuschauen. Frischer können Butt und Krabben nicht sein. Solide Kost dominiert auch in den anderen Restaurants der Insel. Eine kulinarische Überraschung bietet die Insel gerade dort, wo man sie kaum erwartet: im Schwimmbad. Urs Eberle und seine Frau haben 2008 die Bergwelt der Schweiz gegen ein kleines Lokal auf Pellworm getauscht. Rösti als Kontrastprogramm ist in "Ebi's Kartüffel-Köck" möglich. "Die Menschen haben mit ähnlichen Naturgewalten zu tun, das prägt den Charakter", sagte der 58-Jährige. Seine langjährige Liebe zum Meer sei es gewesen, die ihn nach Nordfriesland gelockt hat.

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