Städtereise-Serie "Bild einer Stadt":Wie tickt eigentlich ... Wien?

Städtereise-Serie "Bild einer Stadt": Im wahrsten Sinne des Wortes schön: Wien.

Im wahrsten Sinne des Wortes schön: Wien.

(Foto: Jacek Dylag/Unsplash; Illustration Jessy Asmus)

Wieso deutsche Urlauber nicht alles wörtlich nehmen sollten und in welcher Bar Himmel und Stephansdom ganz nah sind: Tipps zu Österreichs Hauptstadt in der SZ-Korrespondenten-Serie.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Eine Stadt zu bereisen, bedeutet nicht nur Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Sondern einen Blick in ihre Seele zu werfen - und dabei schöne Orte kennenzulernen, die auch Einheimische lieben. Wir haben unsere SZ-Kollegen in nahen und fernen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Diesmal erklärt Alexandra Föderl-Schmid, warum die Wiener gerne "Haberer" um sich haben und bei "Süßquarktasche" erschaudern.

Was ist das Besondere an Wien?

In Wien weht noch der Geist der Vergangenheit, die K&K-Atmosphäre ist auf Schritt und Tritt spürbar. Die Stadt ist herausgeputzt, im wahrsten Sinne des Wortes schön. Man versteht es aber wie im Museumsquartier, Altes mit Modernem zu kombinieren. Die ganze imperiale Pracht lässt sich in der Hofburg oder entlang der Ringstraße betrachten. Innerhalb dieser Hauptverkehrsader liegen auch die meisten Sehenswürdigkeiten, man kann vieles zu Fuß erobern. Die kulturellen Einrichtungen sind beeindruckend, diese Dichte an Museen und Theaterbühnen gibt es im deutschsprachigen Raum nirgends auf so engem Raum.

Und wie ticken die Einwohner?

Man muss unterscheiden zwischen den Wienerinnen und Wienern - und den restlichen Einwohnern des Landes, die auf die Hauptstadt und ihre Bewohner nicht immer gut zu sprechen sind. Der Kabarettist Georg Kreisler sang einst: "Wie schön wäre Wien ohne die Wiener!" Die raunzen gern - ein österreichisches Wort für jammern. Dabei geschieht das auf hohem Niveau. Allerdings kennt man sich und hilft einander: Auch dafür gibt es eine Bezeichnung, nämlich Verhaberung. Ein Haberer ist so etwas wie ein guter Freund, das kann auch ein Geschäftspartner sein. Generell ist Wien eine Stadt der Entschleunigung. Alles geht ein bisschen langsamer, selbst die Schrittgeschwindigkeit ist eine andere. Das gilt nicht für die Verwaltung der Stadt, denn die ist höchst effizient. Allerdings hat die Stadt Wien auch mehr Beschäftigte als die EU-Kommission in Brüssel.

Wie kommt man am besten mit Wienern in Kontakt - und wo?

Natürlich im Kaffeehaus oder beim Heurigen am Stadtrand. Das sind die kommunikativen Pulsadern der Stadt, da wird politisiert und diskutiert, alles wird kommentiert. Die Qualität der Mehlspeisen und der Heurigenbuffets ist beeindruckend, kein Wunder, dass Wien sich als Feinkostladen Europas bezeichnet. Es gibt allerdings Cafés, in die sich kaum Einheimische verirren: das Sacher etwa oder am späten Nachmittag das Café Central, wenn der Klavierspieler sein Werk verrichtet und die Schlangen vor der Tür immer länger werden.

Wohin gehen die Einheimischen ...

  • zum Frühstücken: Die Auswahl an Cafés ist groß: Jeder hat sein eigenes Lieblingscafé. Sehen und gesehen werden kann man im Café Landtmann direkt neben dem Burgtheater und in der Nähe von Parlament und Ministerien; Treffpunkt der Intellektuellen ist das Café Engländer in der Nähe vom Lueger-Platz, wo auch das Café Prückel residiert: ein typisches Cafe im Stil der 50er-Jahre.
  • zum Mittagessen: Wenn die Sonne scheint, lohnt sich ein Spaziergang im Stadtpark. Dort ist, etwas versteckt, am Ufer des Wienflusses die Meierei - im Obergeschoss das weltbekannte Steirereck. Einige Tische stehen draußen, das Lokal ist verglast, sodass man von innen ebenfalls einen Blick ins Grüne hat. Und das mitten in der Stadt. Eine Oase, in der es auch ganz klassisch Wiener Schnitzel gibt, neben einer großen Käseauswahl.
  • am Feierabend: Wenn man es vor Sonnenuntergang schafft, empfiehlt sich ein Abstecher auf den Kahlenberg. Von dort hat man einen grandiosen Blick auf die Stadt und es ist ein Spektakel, wenn die ersten Lichter angehen. Das Restaurantangebot ist nicht so toll, aber ein Drink geht allemal. Es gibt mit Bussen auch ein öffentliches Verkehrsmittel.
  • in der Nacht: Einen zweiten Drink kann man dann in der Innenstadt nehmen, dem so genannten ersten Bezirk, auf einer der Dachterrassen - die gibt es auch in Wien seit wenigen Jahren. Empfehlenswert ist die Sky Bar - mit kulinarischen Einschränkungen auch das daneben liegende Restaurant - auf dem Dach des Kaufhauses Steffl in der Kärntner Straße. Von dort scheint der Stephansdom in Griffweite. Noch näher ist man im Haas-Haus, dort gibt es im sechsten Stock eine Bar und im ersten ein Do&Co-Restaurant. Teuer, aber sehr gut!

Was finden die Wiener gar nicht komisch?

Wenn Deutsche auf Österreicher machen. Es gibt Worte, die können halt nur Österreicher so aussprechen, genauso wie ein Norddeutscher "Obazda" nicht richtig hinkriegt. Wie sagte einst Karl Kraus: "Nichts trennt uns so sehr wie die gemeinsame Sprache." Das wird vor allem in einer Bäckerei deutlich. Es ist besser, sich mit der Zeichensprache zu behelfen, aber niemals sollte man statt einer Topfengolatsche eine Süßquarktasche bestellen. Und Vanillesoße zum Apfelstrudel geht eigentlich auch gar nicht - echte Österreicher essen ihren Apfelstrudel pur.

Wofür werden sie den Urlauber aus Deutschland lieben?

Wenn er oder sie nicht alles wörtlich nimmt, was die Österreicher sagen. Der Spruch "Gehen wir einmal auf einen Kaffee" heißt nicht, dass man diese Ankündigung tatsächlich oder womöglich sofort umsetzen möchte. Es ist eher die höfliche Form zu sagen, dass man eigentlich kein starkes Interesse hat, aber freundlicherweise nicht gleich absagen will. Oder "Schaun mer mal", das ist eine verbale Form des Hinhaltens, die eigentlich schon ein Nein enthält, das der Wiener so direkt aber nicht aussprechen will.

SZ-Korrespondenten in Wien und Tel Aviv

Alexandra Föderl-Schmid verließ Wien, wo sie Chefredakteurin und Co-Herausgeberin des Standard war, um von Tel Aviv aus für die SZ über Israel und die umliegenden Länder zu berichten. Ihren Platz in Wien nahm Peter Münch ein, der langjährige Nahost-Korrespondent der SZ. Für die Städtereise-Serie machen die Korrespondenten den Tausch noch einmal rückgängig: Hier erklärt Peter Münch, wie Tel Aviv tickt.

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