Whisky-Tasting:Zum Genuss ins Verlies geschickt

Auf der Kyrburg im Hunsrück kredenzt der Burgherr schottisches "Wasser des Lebens". Nebst ausführlicher Kommentierung und im Beisein von unzähligen (vollen!) Flaschen.

Von Andreas Schätzl

Herwig hält das Trinkglas gegen das Licht. Das kommt von einem Kandelaber, der wuchtig aus der Gewölbewand herauswächst, hier im Burgkeller, möglicherweise sogar im damaligen Verlies. Die Farbe der Flüssigkeit im Glas ist "blassgolden", wie Herwig feststellt. "Sagt Einiges über das Fass aus, in dem dieser Malt-Whisky gereift ist", versichert er uns. "Bourbon Barrel, second oder third fill", kommt Herwig jetzt in Fahrt. "Von so nem Fass nimmt der Stoff fast keine Farbe an. Ist also ganz hell, kann aber trotzdem richtig alt sein, 20 Jahre und mehr. Farbe sagt nix übers Alter." Aha.

Kyrburg-Restaurant

Der Ort des Geschehens: Restaurant und Whisky-Museum auf der Kyrburg

(Foto: Foto: Kyrburg)

Herwig geht ansonsten sparsam um mit Worten. Seine ganze Energie, alle seine Sinne fokussieren sich im Moment auf Whisky. Da bleibt wenig für Kommunikation. Herwig ist Connaisseur. Und hat heute einen ganz besonderen Tag. Denn heute ist Springbank-Tag hier auf der Kyrburg (die aus dem zehnten Jahrhundert stammt). Genau genommen, Springbank-Abend.

"Machen alles noch selbst"

Dem hat er schon ganz lange entgegengefiebert. "Springbank-Whisky kommt aus einer tollen Malt-Brennerei. Im schottischen Campbeltown, an der Südspitze des Mull of Kintyre. (Da war doch mal was mit einem Song von Paul McCartney...ja, genau: Mull of Kintyre.) Im Familienbesitz seit fast 200 Jahren. Machen alles noch selbst, sogar das Abfüllen in die Flaschen. Alles mit eigenem Wasser. So viel Sorgfalt und Liebe zum Detail schmeckt man. Keine Frage."

Jetzt hat sich Herwig aber mächtig verausgabt, verbal. Aber er ist glücklich mit den sieben so genannten Nosing-Gläsern vor sich, die alle ein wenig Malt-Whiky von Springbank enthalten. Verschiedene Abfüllungen natürlich, aber samt uns sonders ungefärbt (das ist keineswegs selbstverständlich) und nicht kalt-gefiltert - für mehr Aromen und Geschmacksentwicklung. Solch maximale Naturbelassenheit kommt auch bei den teuren Malt-Whiskies nicht häufig vor - weshalb Springbank ob seines Lebenswassers umso mehr geschätzt wird.

Die Farbpalette der Drinks ist denn auch wirklich beeindruckend: vom "Blassgold" bis zu Aceto-Balsamico-hafter Dunkelheit. Die Geschmackseindrücke reichen von Birne über neues Leder und Tannenwald bis hin zu Torffeuer.

Der Burgherr und sein Keller

Diese Vielfalt eröffnet uns allerdings nicht Herwig, sondern Horst Kroll. Kroll ist eine schon äußerlich beeindruckende Persönlichkeit und nebenbei Pächter des Kyrburg-Restaurants sowie Gründer des dort (im Keller!) beheimateten Whisk(e)y-Museums: hoch über Kirn, im südlichen Hunsrück. Wo unser Tasting stattfindet.

Ein fürwahr würdiger Rahmen: Wir sind eingekreist von zahllosen Whiskyflaschen, von denen so manche aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stammen. Nahezu alle Flaschen sind noch verschlossen. Hinzu komen Fässer, Gläser, Plakate, Gerätschaften, Rohstoffe wie Gerste, Malz, Torf...

"2500 Flaschen", verrät der aktuelle Burgherr. "Die Sammlung lebt: Sie wächst." Der Gastronom mit dem mächtigen, bärtigen Haupt und den flinken Augen hat uns erzählt, dass er vor gut vier Jahren angefangen hat damit, seine Schätze auch der "Öffentlichkeit" zuteil werden zu lassen.

Unterschiedliche flüssige Preziosen

Mitteilungsfreudig, wie der 49-jährige Pfälzer ist, entschloss er sich aber nicht nur zu schnödem Ausschank der Köstlichkeiten (der erfolgt ein Stockwerk höher, in der Bar neben dem Restaurant, das er ebenfalls betreibt), sondern zu Tastings: abendlichen Probierrunden mit Publikum, die er (und befreundete Whisky-Freunde und -Kenner) moderieren. Praktisch an jedem Samstagabend steht ein neues Tasting an, mit jeweils anderen Whiskies. Und immer geht ein mehrgängiges schottisches (oder schottisch angehauchtes) Dinner voraus - stilgerechte Grundlage für die folgende Alkohol-Verabreichung. Für all das sind dann in etwa zwischen 65 und 350 Euro fällig, je nach flüssigen Preziosen.

Kroll führt souverän durch den Abend. Er weiß in der Regel schnell den "spirit-uellen Bildungsgrad" seiner Gäste einzuschätzen. "Bei Springbank hat man es tendenziell schon mit Leuten zu tun, die genau wissen um die Besonderheit dieser Destille und ihrer Produkte. Also schraube ich das Level höher als bei Novizen." Trotzdem übermittelt ein kleiner Film oder eine Multimedia-Schau die Einführung in das Basiswissen über Malt-Whisky. Und selbst Connaisseurs wie Henning, der 31-jährige Elektriker aus Hanau, erfahren da noch mancherlei über ihr "Element".

Kenner unter sich

Horst Kroll geht heute zügig vor. Man merkt ihm an, dass er es auch einmal genießt, ein kenntnisreiches Publikum durch den Abend zu führen. Die Informationsdichte ist hoch, die Fakten kommen präzise. Das Volk stellt "avancierte" Fragen, der Chef wird gefordert, und gut gelaunt gibt er bekannt, dass er heute noch einen weiteren (achten) Whisky spendieren wird. Prost. Einhellige Meinung in der inzwischen recht entspannten Gästeschar: Die 95 Euro für diesen Abend sind gut investiert.

Nach dem Happening, immerhin so gegen halb zwölf, werden erfreulich frische Brezen gereicht, kleine Wurst- und Käsehäppchen und - Bier! "Passt gut", verichert Kroll. "Whisky ist ja schließlich auch nichts anderes als gebranntes Bier." Eigentlich eine ernüchternde Aussage.

Die dem Genuss von Malt Whisky indes keinerlei Abbruch tut. Egal, ob blassgolden oder Balsamico-schwarz.

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