Wellenfotografie auf Hawaii:Im Herzen der Bestie

Die Nordküste von Oahu, nicht weit von Honolulu, gilt als eine der besten Surfregionen weltweit. Clark Little lebt dort - und schwimmt mitten in die haushohen Wellen, um sie von innen zu fotografieren.

Von Titus Arnu

7 Bilder

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Wellenfotografie auf Hawaii:"Last Blast"

Die Nordküste von Oahu, nicht weit von Honolulu, gilt als eine der besten Surfregionen weltweit. Clark Little lebt dort - und schwimmt mitten in die haushohen Wellen, um sie von innen zu fotografieren.

Weißer Sand, Kokospalmen, dunkelblaues Wasser, glitzernde Morgensonne: Clark Little hat wahrscheinlich einen der schönsten Arbeitsplätze der Welt. Fast jeden Tag sitzt der 45-Jährige am Strand von Pupukea, mit einem Becher Kaffee in der Hand, nachdem er seine Kinder zur Schule gebracht hat. Er beobachtet das Meer, hört dem Rauschen der Brecher draußen vor der Nordküste von Oahu zu, einer der Hauptinseln von Hawaii. Er kennt den Rhythmus des Ozeans, und er ahnt, wann eine Welle anrollt, für die es sich lohnt, aufzustehen.

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Wenn es so weit ist, watet er durch die Gischt hinein in die Brandung, schwimmt ein Stück vom Strand weg, taucht unter den ersten Wellen hindurch - bis er im Tunnel ist, an jenem magischen Ort, den er das "Herz der Bestie" nennt. Genau dort will er sein, wenn er den Auslöser drückt. Es sind nicht die üblichen Action-Fotos von sonnengebräunten Wellenreitern, die Clark Little macht, ihn interessiert das Innere der Welle.

Seine Perspektive ist ungewöhnlich: Auf seinen Bildern ist ein sehr kurzer, einzigartiger Augenblick der Schönheit zu erkennen - bevor alles über ihm zusammenbricht und in einem tosenden Chaos aus weißem Schaum und Sand durcheinander wirbelt. Eine kollabierende Wasserwand wirkt aus Littles Sicht wie eine perfekt geformte Skulptur, festgehalten in einer Tausendstel Sekunde.

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Wellenfotografie auf Hawaii:"Down the Line"

Clark Little lebt mit seiner Familie an der Nordküste von Oahu, etwa 50 Kilometer entfernt von Honolulu. Von der Veranda seines Hauses aus sieht er aufs Meer, innerhalb von drei Minuten ist er unten am Strand. Nicht an irgendeinem Strand: Die Küste gilt als eine der besten Regionen zum Surfen weltweit.

In der Nähe befinden sich die Surf-Spots Banzai-Pipeline, Sunset Beach und Waimea Bay. In der Gegend wurde auch die Fernsehserie "Lost" gedreht. Das ganze Jahr über sind die Bedingungen an der Nordküste von Oahu gut, das Wasser ist gleichmäßig warm, die Pazifik-Wellen rollen zuverlässig an, je nach Wind und Gezeiten können sie bis zu fünfzehn Meter hoch werden.

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Wellenfotografie auf Hawaii:"Ocean Eagle"

Oahu liegt mitten im Pazifik, die Insel ist umgeben von Tiefseezonen, es gibt keine vorgelagerten Korallenriffs. Wenn der Seegang hier auf die Küste trifft, brechen die Wellen deshalb nicht in mehreren Etappen, sondern sie türmen sich zu voller Höhe auf, bevor sie donnernd zusammenkrachen und dabei diese langen, tiefen Tunnel erzeugen, in die es die Big-Wave-Surfer zieht.

Bevor Clark Little anfing, hauptberuflich als Wellen-Fotograf zu arbeiten, war er Hobby-Surfer, und wie alle ambitionierten Wassersportler auf Hawaii hatte er das Ziel, mit dem Brett durch diesen Tunnel zu gleiten. "Es hat etwas Magisches, fast Friedvolles, in diese riesigen Röhren hineinzuschwimmen", sagt Clark Little, "es ist dort wie im Auge eines Hurrikans."

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Wellenfotografie auf Hawaii:"Nightmare"

Die Leidenschaft fürs Surfen und Fotografieren ist bei ihm genetisch zu erklären. Sein Vater war Fotograf und unterrichtete Fotografie an einer Fachschule. Mit dem Surfen begann Clark Little, als er sechs Jahre alt war. Wellen wurden seine Leidenschaft und die Natur sein Arbeitsplatz: 17 Jahre lang arbeitete er als Supervisor in einem botanischen Garten, bevor er sich entschloss, den geregelten Nine-to-five-Job aufzugeben und sich als Fotograf auf Innenansichten von Wellen zu spezialisieren. Dazu kam es eher per Zufall.

Eines Tages brachte seine Frau ein gerahmtes Bild einer Welle mit nach Hause, das sie in einem Souvenirladen gekauft hatte. Clark Little sagte: "Das soll Kunst sein? Kann ich selbst!" Für so was müsse man kein Geld ausgeben, fand er, "das versuche ich auch und mache es besser." So denken wahrscheinlich viele Laien, die meinen, ein abstraktes Gemälde, eine Skulptur, oder - leichter noch - ein Foto, könne doch jeder Depp hinkriegen. Aber Clark Little wollte nicht nur ein schönes Strandfoto machen, er wollte das perfekte Bild einer Welle schießen. Nicht vom Strand aus, sondern mitten aus dem Geschehen heraus.

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Er wagt sich mit seiner Kamera dorthin, wo es auch mal weh tun kann. Seine Arbeitskleidung ist ein Neoprenanzug, sein Arbeitsgerät eine ziemlich schwere und große Kamera in einem wasserdichten Gehäuse. Meistens benutzt er eine Nikon D3 mit einer 16-Millimeter-Fisheye-Linse, manchmal auch eine Nikon D200 oder D300 mit verschiedenen Weitwinkel-Linsen. Die Belichtungszeiten sind immer sehr kurz, damit die Strukturen des tosenden Wassers kristallklar festgehalten werden. Da er eine freie Hand braucht, um zu fotografieren, kann er nicht auf einem Brett rauspaddeln oder sich auf einen Jet-Ski setzen, er läuft in die Brandung hinein, zieht sich dann Flossen an und schwimmt mit der umgeschnallten Kamera in die Welle. Seine Fotos verlangen vollen Körpereinsatz. Deshalb hält sich Little mit Joggen, Schwimmen und Radfahren fit, was in Hawaii natürlich zum Lifestyle gehört.

Manchmal braucht er seine gesamte Kraft, um von der Foto-Location wegzukommen. Es kann ziemlich gefährlich werden. Clark Little kennt sich zwar aus in den Wellen, er weiß, wann er wegtauchen muss, er hat eine Menge Erfahrung über die Tücken der Brandung gesammelt. Trotzdem gebe es Situationen, in denen er nicht mehr die volle Kontrolle hat, gibt er zu. Einmal kamen acht bis zehn große Wellen hintereinander, deren Wucht so gewaltig war, dass er nicht mehr hinaus kam. Er wusste genau, wie das enden kann: "Man kann ertrinken, man kann auf den Sand knallen und sich das Genick brechen, man kann sich mit der Kamera verletzen." Immer wieder wurde er von Neuem unter Wasser gedrückt, irgendwann bekam er keine Luft mehr. "Das war ein Moment, in dem ich um mein Leben Angst hatte, ich geriet in Panik. Vor meinen Augen blitzten schon Bilder aus meiner Kindheit und von meiner Familie auf." Glücklicherweise schaffte er es in letzter Minute, an Land zu schwimmen.

Fotograf Clark Little, Wellen, Oahu, Hawaii

Quelle: Clark Little

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Wellenfotografie auf Hawaii:"Coconut Island"

Warum geht er solch ein Risiko ein? "Vielleicht ist bei mir eine Schraube locker, aber es macht mir nichts aus, von einer Monsterwelle in den Sand geschleudert zu werden, das gibt mir jedes Mal einen Adrenalin-Schub." Die Schmerzen und die blauen Flecken nimmt er in Kauf. Dafür hat er Aufnahmen gemacht, die einzigartig sind. Auf einem Foto schwimmt eine Wasserschildkröte genau durch die Bildmitte, als die Welle in sich zusammenstürzt, im Hintergrund sind blauer Himmel und Wolken zu sehen. Auf einem anderen Foto schwappt eine orangerote Welle auf die Küste zu, die Farben sehen so unwirklich aus, als wären sie mit Photoshop verfremdet worden. Little beteuert, er habe die Farben nicht am Computer nachbearbeitet. Es gibt eine natürliche Erklärung für die rote Welle: Nach einem Sturm war das Wasser am Strand voll mit rötlichem Staub, dazu kam noch die Abendsonne.

Clark Little weiß genau, wie er solche Motive in Szene setzt; er verkauft die Bilder über seine Website und hat mehrere Bildbände - wie zuletzt "Shorebreak" - herausgebracht. Er hat eine eigene Kunstform entwickelt, um die Schönheit der Natur einzufangen. Man könnte sagen, einiges davon grenzt an Kitsch, aber er sieht seine Arbeit auch als altruistische Tat: "Es ist eine Möglichkeit, das Paradies, in dem ich lebe, mit der Welt zu teilen."

© SZ vom 09./10.08.2014/ihe
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