Wanderregion Pyhrn-Priel in Österreich:Auf dem Weg der Wilderer

Wanderregion Pyhrn-Priel in Österreich: Viel Panorama, wenige Menschen: Bergsportler schätzen das Tote Gebirge und den Nationalpark Kalkalpen.

Viel Panorama, wenige Menschen: Bergsportler schätzen das Tote Gebirge und den Nationalpark Kalkalpen.

(Foto: TVB Pyhrn-Priel/Röbl)

Früher schossen Jäger in Pyhrn-Priel nicht nur auf Hirsche, heute entdecken Berg-Urlauber die Region in Österreich für sich: von Klettersteigen im Toten Gebirge bis hin zu Weitwanderrouten im Nationalpark Kalkalpen. Nur Luchse leben hier weiterhin gefährlich.

Von Johanna Pfund

Ein Wilderer wäre hier am richtigen Ort. Ein Reh springt über den grasbewachsenen Weg und verschwindet im dichten Fichtenwald. Kommt noch eines? Es handelt sich ja um einen "Wildererweg", auf dem Familien auf Schnitzeljagd gehen können. Nein, es bleibt das Einzige an diesem ruhigen, wolkigen Frühlingsnachmittag. Ab und zu geben Wolken und Wald einen Blick auf das schroffe, fast 2400 Meter hohe Warscheneck im Toten Gebirge frei.

Die Bezeichnung Wildererweg passt für diese Familien-Runde oberhalb des Ortes Vorderstoder durchaus. Orientierung ist gefragt, und Spürsinn. Auch die anderen beiden, neu ausgewiesenen Wildererwege verlaufen nicht auf breiten Pfaden, sondern oft auf Steigen, die auch ein Wildschütz genutzt haben könnte: Ein Weg zum Thema Geschichte beginnt am Ortsende von Windischgarsten, einer für sportliche Bergläufer, der Fürst Schwarzenberg Run, startet am Gleinkersee. Reh oder Gams gibt es mit etwas Glück tatsächlich zu sehen. Eine wilde Sache also.

Kein Wunder, denn Natur gibt es reichlich in der oberösterreichischen Region Pyhrn-Priel. Es mangelt weder an Bergen noch an Wanderwegen, noch an Flora und Fauna. Die wenigen ebenen Flächen entlang des Flusses Teichl, der vom Pyhrn-Pass nach Norden Richtung Kirchdorf an der Krems fließt, teilen sich Autobahn, Zugstrecke und Ortschaften. Der große Rest ist hügeliges Gelände, Streusiedlungen und Bergland. Zu den zumindest bei Wintersportlern bekannteren Orten zählt Hinterstoder, Austragungsort alpiner Weltcuprennen, doch mit nur knapp 1000 Einwohnern immer noch ein Dorf. Bekannter gemacht hat die Region auch die Profibergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, die aus Spital am Pyhrn stammt.

Die Statistik von Vorderstoder: 800 Einwohner, null Ampeln, 15 000 Liter Most

Bergbegeisterte Touristen schätzen die Region: Es gibt Klettersteige im Toten Gebirge, sanfte Wanderwege oder Weitwanderwege im Nationalpark Kalkalpen. Allein in der Streusiedlung Vorderstoder gibt es stattliche 2000 Kilometer Wanderwege, wenn man dem Schild am Wildererweg Familie glaubt. Dazu: 800 Einwohner, 700 Rindviecher, 35 Berggipfel, null Ampeln, 15 000 Liter Most.

Martina Platzer weiß, was diese Zahlen im Alltag bedeuten. Ihre Familie bewirtschaftet seit Generationen einen Hof in Vorderstoder. Dazu gehört die 300 Jahre alte Alm Steyrsbergerreith, die direkt am Wildererweg Familie liegt und einen prächtigen Ausblick auf den Großen Priel, den höchsten Gipfel im Toten Gebirge, freigibt. Im Sommer weiden Ochsen und Kalbinnen auf der Alm. Weil es keine eigene Quelle gibt, muss in regenarmen Sommern das Wasser für die Tiere vom zwölf Kilometer entfernten Hof auf die Alm hinaufgefahren werden, an den Wochenenden und im Hochsommer außerdem, um dort Wanderer und Radlfahrer zu bewirten. "Es ist ein relativ trockenes Gebiet", erzählt die 40-Jährige. Der Name deutet darauf hin - Stoder bedeutet steiniger Boden.

Dennoch gibt es den Almausschank schon lange. Vor 35 Jahren haben Martinas Schwiegerleute damit angefangen. Heute bietet die Bäuerin auf der Alm die Spezialitäten an, die der Hof hergibt. "Wir sind ein kleiner Milchviehbetrieb, darum ist die Direktvermarktung für uns ganz wichtig", sagt die 40-Jährige. Sie backt Bauernbrot im Holzofen, bereitet im Winter Geselchtes von Rind und zugekauftem Schweinebauch zu, macht aus der Milch der Kühe, die das ganze Jahr über auf dem Hof bleiben, Kochkäse mit Kümmel und Salz, Butter und Topfenaufstriche. Die ganze Familie ist eingespannt bei der Almbewirtschaftung, Mutter wie Schwiegermutter, und für die beiden Kinder bleibt im Sommer nicht viel Zeit. "Es werden von Jahr zu Jahr mehr Gäste", erzählt Martina Platzer.

Grafik Oberösterreich

Seit es den Wildererweg gibt, sind neben den Stammgästen neue Familien zur Alm gekommen, aber auch junge Paare, wie die Bäuerin berichtet. Zu erkunden gibt es ja allerhand. Zum Beispiel kann man vorsichtig mit der Hand in die Löcher des neu aufgebauten Fühlkastens am Rande der Almwiese greifen. Dann muss man raten, und kann mit der Wildererweg-App gleich seine Ergebnisse überprüfen. War es der Kieferknochen eines Rothirschs, Kot einer Gams oder doch ein Marderschädel?

Am Ende des Tages, beziehungsweise der Runde, weiß man mehr über Wald und Wild. Aber was ist mit den Wilderern? Blutige Wildererdramen kann man höchstens noch auf dem Wildererweg Geschichte erahnen, der oberhalb von Windischgarsten ins Sengsengebirge, in den Nationalpark Kalkalpen, führt. Die Route verläuft über den schmalen Leitersteig, der sich zu einem Plateau hinaufzieht. Dort oben endete 1923 an der mittlerweile verfallenen Mayralm eine Begegnung zwischen Jäger und Wilderer mit einem Blutbad. Zwei Männer starben. Ein Kreuz erinnert daran.

Also bleibt der Besuch im Wilderer-Museum in Sankt Pankraz an der Steyrbrücke. Dass der Kampf Wilderer gegen Jäger oft ein Kampf zwischen Obrigkeit und ärmeren Schichten war, zeigt die Ausstellung, und sie zeigt auch den Kitsch, der zum Thema entstanden ist. Präparate, Waffen, nett aufbereitete Anekdoten und Faksimile von Dokumenten bilden eine bunte Mischung. "Ich war damals Holzknecht, und wir Holzknechte haben viel gewildert", heißt es in einer Beschreibung aus den 1920er-Jahren. Ein Abdruck von Gerichtsakten zeigt, wie Wilderer aus der Region einst bestraft wurden. Deren Nachkommen bewirtschaften übrigens oft heute noch die Höfe.

Das Recht auf Jagd, das war und ist auch ein Stück Freiheit, so sieht es der Jäger und Obmann des Museums, Franz Buder. Er ist 26, hauptberuflich Lehrer an einer Landwirtschaftsschule und auch Waldeigentümer. "Ich bin Jäger, weil ich hier daheim bin. Für mich gehört es dazu, nicht nur Bäume zu ernten, sondern auch Wild." Aber das bedeutet für den jungen Jäger auch: "Wenn man ein Stück tötet, soll man sich auch damit befassen, man soll auch mal ins Schwitzen kommen, das Stück selbst vom Berg runtertragen." Wenig Freude hat er an der Vergabe von Jagdrevieren an reiche Pächter, die wenig an der Hege des Wildes, dafür um so mehr an Trophäen interessiert sind.

Das ist nicht die einzige Herausforderung in der Gegend. Im Nationalpark Kalkalpen hat das Wildererdrama von einst eine moderne Fortsetzung gefunden. Die ausgesetzten Luchse verschwinden oft auf wundersame Weise. Einer ist, wie sich bei einem Gerichtsprozess 2016 herausgestellt hat, in der Kühltruhe eines Präparators wieder aufgetaucht. Das kam nicht gut an. Da ist es doch besser, entspannt auf einem Wildererweg zu spazieren.

Info

Informationen zu den Wildererwegen gibt es unter www.wildererweg.at. Einen Überblick zum Angebot in der Region Pyhrn-Priel sowie zur Pyhrn-Priel-Card, die freien oder ermäßigten Eintritt in Klöster, Museen oder zu Bergbahnen ermöglicht, bietet www.pyhrn-priel.net.

Übernachten kann man im Gasthof Baumschlagerberg in Vorderstoder. Neben Zimmern gibt es auf dem Hof auch kleine Chalets zu mieten. Die Familie Berger serviert im Gasthof Produkte aus der eigenen Landwirtschaft, allerdings ausschließlich für Hotelgäste (www.baumschlager-berg.net/). Das Wilderermuseum befindet sich in St. Pankraz, im Gasthof Steyrbrücke (www.wilderermuseum.at). Informationen zur Alm Steyrsbergerreith unter www.steyrsbergerreith.at.

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