Wahl des neuen Unesco-Welterbes in Deutschland:Hoffen im Kloster Corvey

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In der Abteikirche Corvey (Foto: dpa)

Die Chancen stehen nicht schlecht für die ehemalige Abtei Corvey in Nordrhein-Westfalen, die 39. Welterbestätte in Deutschland zu werden - schließlich ist sie in diesem Jahr der einzige deutsche Bewerber.

Die Fahnen sind schon bestellt, "Perfectum est - Welterbe Corvey" wird darauf stehen. Doch noch sind die Würfel nicht gefallen, um im lateinischen Bild zu bleiben.

Die ehemalige Reichsabtei Corvey im Weserbergland war eines der bedeutendsten Klöster im mittelalterlichen Frankenreich - knapp 1200 Jahre nach ihrer Gründung könnte die frühere Benediktinerabtei nun zum Unesco-Weltkulturerbe gekürt werden. Denn das Kloster in unmittelbarer Nähe des ostwestfälischen Höxter ist in diesem Jahr als einziges Bauwerk in Deutschland für die Welterbeliste nominiert, über die das zuständige Unesco-Komitee derzeit in Katars Hauptstadt Doha berät. Die Entscheidung über die Abtei Corvey wird am 22. Juni erwartet.

Insgesamt 40 Kultur- und Naturstätten aus aller Welt bewerben sich diesmal um die begehrte Aufnahme in die Liste, die aktuell 981 Stätten in 160 Ländern umfasst - 38 davon in Deutschland.

Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, mehr Besucher und zusätzliche Führungen - in Corvey hat schon die Bewerbung für die Welterbeliste für Aufmerksamkeit gesorgt. "Auch der heimischen Bevölkerung ist erst bewusst geworden, welch ein Juwel wir hier haben", sagt Claudia Konrad, die als Geschäftsführerin des Kulturkreises Höxter-Corvey maßgeblich an der Bewerbung beteiligt ist. Konrad rechnet damit, dass dank eines Welterbe-Titels die Zahl der Besucher von jährlich 80 000 auf mehr als 100 000 steigen könnte. "Außerdem hoffen wir auf zusätzliches Geld vom Land."

Darauf setzt auch Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, der Besitzer der Klosteranlage: "Das würde den Fortbestand auch für die nächste Generation sichern und wäre eine Bestätigung der konservatorischen Arbeit, die meine Familie seit 200 Jahren leistet."

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Kloster Corvey geht zurück auf Ludwig den Frommen, der 822 gemäß dem Wunsch seines Vaters Karl dem Großen an der Weser eine mächtige Reichsabtei errichten ließ. Von hier aus sollte die karolingische Herrschaft im kurz zuvor eroberten Sachsenland gefestigt werden. Zudem sollte die Christianisierung vorangetrieben werden.

Im 10. Jahrhundert erlebte das Kloster eine Blütezeit als eines der wichtigsten politischen und geistlichen Zentren des Frankenlandes. Später verlor es aber an Bedeutung und ging nach der Säkularisierung in Privatbesitz über.

Westwerk der Abteikirche Corvey (Foto: dpa)

Bis heute erinnert das nahezu original erhaltene Westwerk (ein dem Kirchenraum vorangestellter, eigener Gebäudeteil) mit den beiden flankierenden Türmen an Prachtentfaltung und Machtanspruch der Erbauer und überragt mit seinem rötlichen Mauerwerk die langgestreckten weißen Gebäude der übrigen Klosteranlage. Diese war nach einem verheerenden Brand im Stil einer barocken Schlossanlage wieder aufgebaut worden.

Als Attraktion gilt die Fürstliche Bibliothek, die mit einem Bestand von 74 000 Bänden zu den größten Privatbibliotheken Deutschlands gehört. Auch einen prominenten Schlossbibliothekar hat Corvey vorzuweisen: Von 1860 bis 1874 arbeitete in der Bibliothek August Hoffmann von Fallersleben, der Dichter des Deutschlandliedes.

Der deutsche Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben hat zahlreiche Kinderlieder (u.a. "Ein Männlein steht im Walde" und "Alle Vögel sind schon da") verfasst und ist mit seinem "Lied der Deutschen", der späteren Deutschen Nationalhymne, in die Geschichte eingegangen. Er starb auf Schloss Corvey. (Foto: dpa)

Für Norbert Nussbaum, Experte für mittelalterliche Architekturgeschichte an der Universität Köln, ein klarer Fall für die Welterbeliste: "Corvey dokumentiert in einmaliger Weise über Jahrhunderte hinweg die Geschichte eines großen Reichsklosters und verfügt zudem über das am großartigste erhaltene Westwerk karolingischer Zeit neben dem in Aachen. Damit ist Corvey gleichbedeutend mit dem Aachener Dom." Und der erhielt das exquisite Gütesiegel schon 1978 - als erstes deutsches Denkmal überhaupt.

Das stimmt auch Ludger Eilebrecht, Pfarrdechant der ehemaligen Abteikirche, zuversichtlich: "Ich bin optimistisch und hoffe, dass es klappt. Gerade für ein strukturschwaches Gebiet wie Höxter wäre das eine große Chance, die das Selbstbewusstsein der Menschen und der ganzen Region stärken würde." Wird das Westwerk Welterbe, will er die Glocken von Corvey läuten lassen, gemeinsam mit allen anderen Kirchenglocken der Stadt.

Dann ist auch Zeit, die Fahnen mit dem roten Schriftzug "Perfectum est" zu hissen.

Mit dem Kloster Corvey in Höxter könnte bald erstmals ein Bauwerk aus Westfalen zum Weltkulturerbe gehören. (Foto: dpa/dpaweb)
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