Unterwasser-Schätze in Åland:Hoch die Flaschen!

Åland war unter Touristen nicht gerade berühmt. Da machten Taucher in dem Ostsee-Archipel einen sensationellen Fund: Auf dem Meeresgrund lagen Hunderte Flaschen alter Champagner, gut gekühlt und noch trinkbar. Warum die finnische Provinz doch einen Besuch wert ist - und nicht nur in Champagnerlaune.

Anne Alichman

Es ist still in Mariehamn auf Åland, die Straßen sind leer. Der nächtliche Regen hat sich verzogen, doch noch immer liegt ein grauer Nebel wie ein düsterer Schleier über der Stadt. Im Hafen weht ein kühler Wind, und die Boote schaukeln auf den Wellen sachte vor sich hin.

Åland

Berauschender Fund: Beim Tauchen in 42 Metern Tiefe stieß Christian Ekström auf ein etwa 200 Jahre altes Schiffswrack mit Champagner an Bord.

(Foto: www.visitaland.com)

Christian Ekström wartet auf einem Holzsteg, die Hände in den Taschen, den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Kinn zugezogen. Sein weißes Motorboot Tooticki liegt neben ihm im Wasser, bereit zum Ablegen. Nun müssen nur noch die Besucher kommen, mit denen Ekström auf das Meer hinausfahren will.

Zu dem Ort, an dem er im vergangenen Sommer eine besondere Entdeckung gemacht hat: Beim Tauchen in 42 Metern Tiefe stieß er auf ein Schiffswrack mit wertvoller Ladung. Der Zweimaster, der vor rund 200 Jahren vor der Küste Ålands gesunken sein muss, hatte Champagner an Bord - die Flaschen noch intakt, der Inhalt noch trinkbar. Ein sensationeller Fund.

Plötzlich wurde die Welt aufmerksam auf Åland, eine kleine autonome Provinz zwischen Schweden und Finnland. Ein Ostsee-Archipel mit besonderer politischer Struktur und bewegter Geschichte: Die rund 6700 Inseln und Schären gehörten über Jahrhunderte zu Schweden, bis das Königreich sie nach einem Krieg im Jahr 1809 an Russland abtreten musste. Åland wurde Teil des Großfürstentums Finnland, das ebenfalls zum russischen Zarenreich gehörte.

Als die Finnen rund 100 Jahre später ihre Unabhängigkeit erklärten, musste auch das Schicksal der åländischen Inseln erneut entschieden werden. Der Völkerbund fand 1921 einen Kompromiss: Finnland bekam die Inseln zugesprochen, musste der mehrheitlich schwedischen Bevölkerung aber Autonomie garantieren.

Die Untiefen sind vielen Seeleuten zum Verhängnis geworden

Die rund 28.000 Åländer sind stolz auf ihre Provinz. Das ist auch Christian Ekström anzumerken, der auf dem Archipel aufgewachsen ist und dort als Tauchlehrer und Bierbrauer arbeitet. Der 32-Jährige mit den hellblonden Haaren hat seine Besucher auf die Insel Rödhamn mitgenommen. Wie ein rot-brauner Buckel ragt das Eiland aus dem Wasser, bewachsen mit Gras und Schilf. Hier und dort steht ein Holzhaus, am Steg liegen Segelboote. Ein kleines Café am Sandstrand verkauft Apfelsaft und Zimtgebäck.

Ekström führt die Gruppe auf den höchsten Punkt der Insel, zur ehemaligen Lotsenstation, die heute ein Museum ist. Dort ist die Sicht frei auf das Meer, die Schären, auf glatt geschliffene Felsen und steile Klippen. Sechs Seemeilen entfernt hat er das Wrack mit dem Champagner entdeckt. Eine Geschichte, die Ekström seitdem schon viele Male erzählt hat. Doch er macht es immer noch gerne.

Es sollte ein ganz gewöhnlicher Tauchgang werden, einer von vielen. Denn vor Åland liegen Hunderte gesunkene Boote. Die Untiefen des Schärenmeeres sind in der Vergangenheit vielen Seeleuten zum Verhängnis geworden. Und so dachte die Gruppe um Ekström an nichts Besonderes, als sie von der finnischen Marine den Hinweis auf ein weiteres Wrack bekam.

Nicht nur schnödes Ostseewasser

Doch dann entdeckten die Taucher einen Zweimaster, knapp 22 Meter lang und sechseinhalb Meter breit, mit einem gut erhaltenen Ziegelofen, Navigationsinstrumenten, Geschirr - und jeder Menge Flaschen an Bord. "Das Wasser war vier Grad kalt und die Sicht sehr schlecht, wir mussten uns beeilen", erzählt Ekström. Also entschied er, eine der Flaschen mit an die Oberfläche zu nehmen, um sie genauer zu untersuchen.

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Mehr als Champagner: Wer in Åland Urlaub macht, kommt wegen der Ruhe und der wilden Natur, zum Segeln oder einfach nur um zwischen den vielen bunten Holzhäusern umher zu schlendern.

(Foto: www.visitaland.com)

Auf dem Weg nach oben begann der Korken jedoch, sich zu lösen. An Deck war die Flasche so gut wie offen, und die Taucher beschlossen, von der unbekannten Flüssigkeit zu probieren. Als sie der Reihe nach einen Schluck nahmen, war ihnen schnell klar, dass es sich nicht nur um schnödes Ostseewasser handelte. "Die Flüssigkeit hatte die Farbe von Kognak, sie schmeckte wie ein süßer Likör, mit einem intensiven Aroma von Tabak und getrockneten Früchten", so Ekström.

Die Åländer baten Weinkenner und Historiker aus aller Welt um Rat, und eine Brandmarke auf dem Korken in Form eines Ankers lieferte schließlich den Hinweis: Es ist wahrscheinlich, dass es sich um Champagner von Veuve Clicquot handelt. Andere Exemplare konnten Juglar zugeschrieben werden, einer Kellerei, die um 1830 ihre Produktion eingestellt hat.

Insgesamt konnten die Taucher 145 gut erhaltene Flaschen bergen - der wohl älteste Fund von noch trinkbarem Champagner. Außerdem fanden sie im Bauch des Schoners einen Teppich, Bierflaschen, Gewürze, Kaffeebohnen und Weintrauben, bestens konserviert dank der kühlen Temperaturen und der Dunkelheit am Meeresgrund. Für wen diese wertvolle Ladung bestimmt war, wann genau das Schiff sank, was mit der Crew an Bord geschah - bisher weiß das niemand. Experten können nur spekulieren.

Unterdessen nutzen die Åländer den Champagnerfund, der offiziell der Regierung gehört, um ihre Region für den Tourismus zu vermarkten. Eine Ausstellung im Museum von Mariehamn erzählt die Geschichte der Entdeckung, Restaurants bieten Themenmenüs an und Touristen können Kurse im Wracktauchen belegen. Im Juni wurden zwei der gefundenen Flaschen bei einer Auktion versteigert. Sie brachten zusammen 54.000 Euro ein. Das Geld will die åländische Regierung für einen guten Zweck verwenden.

"Das Wertvollste liegt noch unten am Meeresgrund"

Aber nicht nur wegen des Champagners kommen Besucher in die Provinz. Wer hier Urlaub macht, kommt wegen der klaren Luft, der Ruhe und der wilden Natur. Man kann hier gut segeln, Kajak fahren und Golf spielen. Oder durch die Straßen der beschaulichen Hauptstadt Mariehamn mit den vielen bunten Holzhäusern schlendern. Im Winter, wenn das nur wenig salzige Wasser zwischen den Schären friert, verbringen viele den Tag mit Schlittschuhen auf dem Eis.

Manche reisen im Flugzeug an, viele kommen mit dem Schiff von Turku oder Stockholm herüber. Auf der Ostsee verkehren zahlreiche Fähren zwischen Schweden, Åland und Finnland. Sie schieben sich behäbig durch die Schärenlandschaft, vorbei an unzähligen kleinen Inseln - die meisten unbewohnt, manche mit nur einem Haus zwischen dichten Bäumen und einem Bootssteg am Wasser. Im Bauch der schwimmenden Kolosse lassen es sich nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische gutgehen, in Restaurants, Bars und Saunen, aber vor allem beim steuerfreien Einkaufen.

Für die Åländer ist es ein Glücksfall, dass der Champagnerfund nun noch mehr Besucher in die finnische Provinz zieht. Da klingt es ein wenig pathetisch, wenn der Wracktaucher Christian Ekström sagt: "Das Wertvollste liegt noch unten am Meeresgrund: die Geschichte des Schiffs." Doch es ist ihm anzusehen, dass er das auch genauso meint.

Anreise: Flug nach Stockholm und zurück ab/bis München oder Frankfurt ab 225 Euro, www.flysas.com, Fähre von Stockholm ab 20 Euro, www.vikingline.de Übernachtung: Park Alandia Hotell, Mariehamn, DZ/F ab 83 Euro, www.visitaland.com/parkhotell Weitere Auskünfte: www.visitaland.com

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