Unsicherheit auf dem Rollfeld:Gefährliche Begegnungen

Fast jeden Tag kommt es auf Europas Flughäfen zu Beinahe-Unfällen. Das kann so nicht weitergehen, findet die Pilotenvereinigung Cockpit.

Erst am vergangenen Dienstag ist es wieder passiert: Ein Embraer 145 Regionaljet der italienischen Fluggesellschaft Alitalia überquerte die Startbahn in Düsseldorf, obwohl dort gerade ein Avroliner von Eurowings startete.

Flugverkehr

Die Sicherheit auf Europas Flugplätzen lässt zu wünschen übrig: Statistisch betrachtet wird es nach Angaben der Luftraumüberwachung Eurocontrol alle 14 Tage richtig gefährlich.

(Foto: Foto: Reuters)

Und das, obwohl der Fluglotse zuvor eine Anweisung zum Halten erteilt hatte, die der italienische Pilot auch bestätigte, aber trotzdem weiterrollte.

Die gefährliche Folge: Die Eurowings-Maschine überflog die italienische Verkehrsmaschine mit nur wenigen Metern Abstand.

Bei diesen Beinahe-Unfällen handelt es sich um sogenannte Runway Incursions - gemeint ist die Verletzung des Schutzbereichs aktiver Pisten und Rollbahnen ohne Genehmigung des Kontrollturms.

"Unsere Daten zeigen, dass es auf europäischen Flughäfen jeden Tag zu solchen Situationen kommt und es, statistisch betrachtet, alle 14 Tage richtig gefährlich wird", sagt Kyla Evans, Sprecherin der europäischen Luftraumüberwachung Eurocontrol.

Der bislang schlimmste Unfall in Folge einer Verletzung der Schutzzone der aktiven Bahn geschah im Oktober 2001 in Mailand-Linate: Ein deutsches Geschäftsreiseflugzeug hatte sich im Nebel verfahren und eine startende MD-87 der SAS gerammt - 118 Menschen starben. "Diese Problematik birgt gerade in Deutschland mit seiner Verkehrsdichte ein sehr großes Gefahrenpotential", warnt Burkhart Kaumanns, MD-11-Pilot und Vorstandsmitglied der deutschen Pilotenvertretung Vereinigung Cockpit, "gerade der hohe Druck auf die Besatzungen, die Bahnbelegungszeiten so kurz wie möglich zu halten, trägt zur Unfallgefahr bei."

Abhilfe durch GPS-gestützte Software

Hier Abhilfe zu schaffen ist eines der Ziele der Flugsicherheitsinitiative "Sicherer Himmel 2007", den die Pilotenvereinigung jetzt vorgelegt hat; erklärte Absicht ist es, Druck auf Gesetzgeber, Behörden, Hersteller und Fluggesellschaften auszuüben, um die Flugsicherheit zu erhöhen. Für mehr Rollbahn-Sicherheit seien am Boden bessere Markierungen und Beleuchtungen notwendig, aber auch Verbesserungen in den Flugzeugen selbst.

"Wir fordern die Weiterentwicklung und Installation eines GPS-gestützten Softwareprogramms, das die Crew bei Annäherung an eine Start- oder Landebahn warnt und Alarm gibt, wenn diese belegt ist", so Kaumanns, "das System muss auch die verbleibende Bahnlänge anzeigen und den Rollweg auf einer Moving Map darstellen." Ähnlich wie bei einem Navigationsgerät im Auto könnten dann die Piloten auf der heute im Cockpit häufig elektronisch vorhandenen Flughafen-Karte durch ein bewegliches Flugzeugsymbol genau erkennen, wo sie sich gerade befinden.

Solche Systeme hätten nicht nur den Crash in Mailand verhindert, sondern auch den Absturz eines Regionaljets im amerikanischen Lexington im August 2006 - hier versuchten die Piloten auf der falschen, zu kurzen Bahn zu starten; 49 Insassen starben.

Aber auch vor Kollisionen in der Luft fordern die Piloten besseren Schutz. Hier herrscht in Deutschland zum Beispiel auch deshalb besonderer Verbesserungsbedarf, weil Verkehrsflughäfen häufig von Segelflug-Arealen umringt sind. Beispiel Stuttgart: Im Umkreis des Flughafens liegen rund 30 Segelflugplätze - die schwäbische Alp ist ein beliebtes Revier für Freizeitpiloten, die sich, nur von der Thermik getragen, durch den Luftraum bewegen.

30 Sekunden, um zu reagieren

Segelflugzeuge allerdings sind im Gegensatz zu allen kommerziell genutzten Maschinen und auch den meisten privaten Motorflugzeugen weder mit Kollisionswarnsystemen noch mit sogenannten Transpondern ausgerüstet, die auch die aktuelle Flughöhe als Information abstrahlen.

Eigentlich sind die Lufträume für Segelflieger von anderem Verkehr streng getrennt, aber immer wieder scheren die Segler aus ihrem Revier aus - "und das wird manchmal ganz eng", so Tim Würfel, Präsident der Vereinigung Cockpit. Da die Segelflugzeuge kein gutes Radarecho abgeben und so auf dem Bildschirm des TCAS-Kollisionswarnsystems im Cockpit von Verkehrsmaschinen kaum zu erkennen sind, müssen die Piloten selbst Ausschau halten.

"Bei einer Landegeschwindigkeit von 250 km/h bleiben dann nur 30 Sekunden, um zu reagieren", so Würfel. Die reichen aber oft nicht, wie sich im August 2006 in Reno (US-Bundesstaat Nevada) zeigte, als ein Hawker-Businessjet mit einem Segler kollidierte. Dessen Pilot konnte mit dem Fallschirm abspringen, der Jet schwer beschädigt notlanden.

"Wir fordern daher die Ausstattung aller Luftfahrzeuge mit entsprechenden Transpondern", betont Würfel, "damit können die Fluglotsen konkret warnen und das Kollisionswarngerät kann Anweisungen geben."

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