Umweltschutz im Tourismus:Kreuzfahrtschiffe nehmen Kurs auf Öko

Tourists on adventure cruise, Antarctic Peninsula, Antarctica, Polar Regions

Viele Menschen träumen von einer Reise in die Polarregionen. Die Natur dort ist besonders sensibel.

(Foto: Geoff Renner/robertharding/laif)

Kläranlagen, Müllentsorgung, weniger Essensabfälle: In der umstrittenen Branche tut sich einiges beim Umweltschutz. Aber das größte Problem ist noch nicht gelöst.

Von Ingrid Brunner

Eine gute Nachricht, eigentlich: Das Null-Emissionen-Schiff gibt es bereits, und zwar schon seit Jahrtausenden. Es heißt Segelschiff. Doch der Wind weht nun mal, wann und wo er will; für exakte Fahrpläne im Kreuzfahrtgeschäft ist er leider ein unzuverlässiger Partner. Weshalb über der Kreuzfahrtbranche schon länger eine dunkle Wolke aus üblen Abgasen, aber auch Polemik wabert. Denn, bei aller berechtigten Kritik: An der zivilen Schifffahrt weltweit hat die Kreuzfahrtflotte einen Anteil von nur 0,5 Prozent.

Die Schlagzeile "Traumschiffe sind Dreckschleudern" ist schlagkräftiger, als über Frachtschiffe zu schimpfen, die Handys oder Billigklamotten aus Fernost bringen. Verbraucher und Umweltschützer machen Druck, etwa Dietmar Oeliger vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der die Kampagne "Mir stinkt's!" für saubere Kreuzfahrtschiffe initiiert hat. Die Proteste zeigen Wirkung. Oeliger sagt deshalb inzwischen auch: "Kreuzfahrtschiffe sind Vorreiter. Das müssen sie auch sein."

Verbände und Mediziner prangern Kreuzfahrtschiffe vor allem für ihren Treibstoff an: das Schweröl. Es ist ein hochtoxisches und äußerst billiges Abfallprodukt, das bei der Destillation von Rohöl anfällt. Bei der Verbrennung entstehen krank machende, zum Teil krebserregende Schwefelschadstoffe, Stickoxide und Feinstaub.

Preis schlägt da immer noch Moral

Mit seiner Kritik steht der Nabu nicht allein: Die Weltgesundheitsorganisation WHO und Wissenschaftler stufen Schweröl als krebserregend ein. Sogar Demenz und Frühgeburten könne es auslösen. Forscher am Helmholtz-Institut in München fanden heraus, dass Nanopartikel aus Schweröl und Dieselkraftstoff die Lunge und das Immunsystem schädigen; und das nicht nur an der Küste: Schiffsemissionen sind noch in Berlin messbar. An die 220 Millionen Tonnen Dieselschweröl kommen jährlich auf den Markt. Preis schlägt da immer noch Moral.

Für Dietmar Oeliger vom Nabu ist der Einsatz von Schweröl deshalb der wichtigste von drei Bereichen, in denen die Ferienkreuzer besser werden müssten. Die anderen beiden sind Wasserverbrauch und -entsorgung sowie das Abfallmanagement. Dabei sind Fortschritte zu verzeichnen, neuere Kreuzfahrtschiffe verfügen in der Regel über Kläranlagen mit geschlossenen Kreisläufen, am Ende des Klärprozesses steht Wasser, das man angeblich bedenkenlos ins Meer entsorgen kann. Der Rest, ein komprimierter Klärschlamm, wird in den Häfen entsorgt. Desgleichen das Abfallmanagement: Jede Reederei, die auf sich hält, hat mittlerweile Umweltbeauftragte im Offiziersrang an Bord. In deren Kompetenz fällt unter anderem die Überwachung der Mülltrennung und die sachgerechte Entsorgung an Land.

Die Häfen aber sind nicht selten das schwächste Glied einer sinnvollen Entsorgungskette. Denn was danach mit dem feinsäuberlich getrennten Müll geschieht, ist oft nicht geklärt. Schon südlich von Rom kann das zum Problem werden: Dort liegt die Müllentsorgung zum Teil in den Händen mafiöser Gesellschaften. Dann landet der Abfall auf wilden Deponien, in Flusstälern - oder im Meer.

Was das Schweröl angeht, fordert der Nabu einen weltweiten Bann. Die Reederei Hapag-Lloyd Cruises setzt zumindest im Expeditionssegment zu 70 Prozent Marinediesel ein. Hurtigruten ist eine der wenigen Gesellschaften, die schon jetzt ausschließlich mit Marinediesel fahren und sich der Forderung der Clean Arctic Alliance angeschlossen haben, deren Ziel es ist, Schweröl zumindest in der Arktis zu verbieten - wie es in der Antarktis bereits der Fall ist.

Doch auf ein solches Verbot müsste man sich weltweit einigen. Viele kleine Staaten - etwa Malta, die Bahamas oder Liberia -, haben auf die Entscheidung großen Einfluss. Bei ihnen sind viele Reedereien unter Billigflagge registriert. Und diese Staaten vertreten die Interessen ihrer Auftraggeber. Schweröl ist der Hauptgrund, weshalb im Nabu-Kreuzfahrt-Ranking 2017 nur wenige in Europa fahrende Schiffe eine halbwegs positive Beurteilung erhalten: Es sind dies die neueren Modelle von Tui Cruises, Hapag-Lloyd Cruises und Aida.

Die Non-Profit-Organisation Clean Shipping Index (CSI) mit Sitz in Göteborg zertifiziert Häfen, Frachtschiffe, Fähren. Zertifiziert ist zum Beispiel die Stena Line für ihre Landstromanlagen in den Häfen Rostock und Trelleborg. CSI-Direktor Merjin Hougee nennt Kriterien, wie Kreuzfahrtschiffe grüner werden könnten: Verzicht auf Schweröl, Nutzung von Landstrom in Häfen, Lebensmittel aus nachhaltigen Quellen, keine Verschwendung von Nahrungsmitteln. Hier gibt es erste Fortschritte: Bei Costa Kreuzfahrten und bei Tui Cruises laufen derzeit Projekte zur Reduzierung von Essensabfällen. Der Deutsche Reiseverband (DRV) hat Tui Cruises dafür diese Woche seine Eco Trophea 2017 überreicht, eine internationale Auszeichnung für Umweltschutz und soziale Verantwortung im Tourismus.

Bei der Nutzung von Landstrom gehen etliche Häfen und Reedereien voran. Allerdings gibt es noch keine Standards, nicht mal bei den Steckern. Dann wäre da noch die Frage, woher der Strom kommt. Aus deutschen Braunkohlekraftwerken? Das hieße, das Problem nur zu verschieben. Und wie sollen kleine Häfen in entlegenen Gegenden solche Strommengen liefern? Hier wären Lösungen dringend nötig, denn rund die Hälfte der Zeit einer Kreuzfahrt liegt ein Schiff im Hafen.

Gaswäscher, sogenannte Scrubber, sollen die Abgase von Schweröl reinigen. Der Haken daran: Dieses Abgasreinigungssystem filtert nur die Schwefeloxide aus der Abluft, für Stickoxide und Feinstaub braucht es zusätzlich einen Katalysator. Auf neuen Schiffen lässt sich diese Technologie einplanen. Bei der Umrüstung von alten Schiffen gebe es dagegen ein Problem, erklärt Frank Behling, Fachautor, Schiffsexperte und -fotograf. Bei jeder Schiffsbesichtigung verbringt er viel Zeit dort, wo es heiß und laut ist: "Maschinenräume sind so eng, da ist schlicht kein Platz, Scrubber und Katalysatoren nachträglich einzubauen."

Es wird lange dauern, bis alle Schiffe grün sind, auch wegen ihrer Langlebigkeit. Wenn etwa die neue Mein Schiff 1 nächstes Jahr in Dienst gestellt wird, ist sie mit einem Hybrid-Scrubber ausgerüstet. Doch bedeutet das noch lange nicht das Aus für die Vorgängerin gleichen Namens. Sie heißt von Mai 2018 an Marella Explorer und wird für die Marella-Gruppe weiter die Weltmeere befahren.

Scrubber und Katalysatoren sehen viele in der Branche bereits als Auslaufmodelle. Als zukunftsweisend gilt etwa die Roald Amundsen. Das neue Expeditionsschiff von Hurtigruten hat einen Hybridantrieb, der abwechselnd mit Schiffsdiesel und Strom betrieben werden kann. Oder die Aida Nova, die im Herbst 2018 als erstes Kreuzfahrtschiff weltweit mit LNG in See stechen wird. LNG steht für Liquid Natural Gas. Dieses Flüssiggas soll im Idealfall nahezu emissionsfrei verbrennen.

Die Carnival-Gruppe, zu der Aida gehört, hat insgesamt sieben dieser neuen LNG-Schiffe bei der Meyer-Werft-Gruppe in Papenburg und Turku geordert. Allein die Zulassung der Aida Nova hat zwölf Jahre lang gedauert. Behördenschelte sei dennoch fehl am Platz, wie Frank Behling meint: "Die Sicherheit von Schiff und Menschen hat immer Vorrang" - und Flüssiggas ist eine komplizierte Fracht. 14 LNG-Schiffe sind derzeit in Bau, 2019 und 2021 stellt Costa Cruises je eines in Dienst. Die Kreuzfahrtbranche macht es vor, die Frachtreedereien ziehen langsam nach: In Frankreich sind aktuell sieben LNG-Frachter in Bau. Noch gibt es jedoch noch nicht einmal eine Infrastruktur für das Betanken mit LNG.

In der Meyer Werft denkt man schon weiter. Das Ziel sei das Null-Emissionen-Schiff. Dazu müsse man alle Optionen nutzen, sagt der Unternehmenssprecher Peter Hackmann: "Es wird wohl ein Zusammenspiel von Fotovoltaik, Wind und neuen Antrieben sein." Man arbeite etwa an Brennstoffzellen. Das hieße Wasserdampf statt dunkler Wolken aus den Schornsteinen - eine schöne, noch ferne Vision.

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