Trinken weltweit:Schnapsideen

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Die Ungarn schwören auf ihren Unicum, einen dunklen Magenbitter, die Franzosen auf Génépi, einen Digestif aus Edelraute. In Sri Lanka wird einem Arrak vorgesetzt. So droht dem Gast in jedem Land ein besonderes Wässerchen.

Von Hans Gasser

Egal, wohin man reist, immer steht schon einer da und hält einem zur Begrüßung ein Glas mit Schnaps entgegen. Meist wird er als die Essenz des Landes angepriesen. Dass es den Gast oftmals heftig schüttelt und er seine Speiseröhre in einem Feuerball aufgehen fühlt, quittiert der Gastgeber mit aufmunterndem Schulterklopfen. So vielfältig die Welt, so vielfältig sind auch die Schnapsideen, auf die Menschen - mit Ausnahme streng muslimischer Gastgeber - verfallen. Und nicht selten sind die Geschichten, die von dem Schnaps erzählt werden, besser, als der Schnaps selbst.

So schwören die Ungarn auf ihren Unicum, einen dunklen Magenbitter, der aus 40 verschiedenen Kräutern und Wurzeln gemacht sein soll. Sein Name soll laut der Legende daher kommen, dass Habsburger-Kaiser Joseph II., geplagt von Magendrücken, sich von seinem Leibarzt Doktor Zwack eine Medizin zur Linderung erbat. Nachdem Zwack ihm den dunklen Bitter verabreicht hatte, soll der Kaiser, weil es ihm abrupt besser ging, den Ausruf getan haben: "Das ist ein Unicum!" Es gibt ihn immer noch, und er schmeckt, nun ja, wie Medizin.

Was den Ungarn ihr Unicum, ist den Franzosen ihr Génépi. Besonders in den Westalpen bekommt man diesen Digestif serviert, was daran liegt, dass die gelb blühende Edelraute, eben Génépi, dort in Höhen zwischen 1800 und 3800 Metern wächst - gerne mitten im Felsenschutt. Seit Jahrhunderten als Arzneimittel gegen Magenbeschwerden und sogar Rippfellentzündung gesammelt, steht sie heute in vielen Ländern unter Schutz. In Frankreich darf man trotzdem pro Kopf und Sommer 40 Zweige abreißen. Die kommen in hochprozentigen Schnaps, und weil Edelraute fast so bitter wie Enzianwurzel ist, wird noch eine Menge Zucker hinzugegeben. Das schmeckt bittersüß und wer zu viel Gratin gegessen hat, wird den Génépi zu schätzen wissen.

Wenig verbindet Franzosen und Armenier, denkt man; aber es stimmt nicht. Die Liebe zum Wein und zum Weinbrand ist in beiden Ländern groß, nur weiß kaum jemand, dass die Kaukasier seit 1878 Cognac herstellen, der hier nur Brandy heißen darf, aber mit der Marke Ararat ein international erfolgreiches Destillat nach französischem Vorbild ist. Mitten in der Hauptstadt Jerewan hat die Jerewan Brandy Company ihren Sitz, mitsamt ihrem durchaus ansprechenden Ararat-Museum, wo in vielen Eichenfässern alte Brandys reifen. George Clooney war auch schon da und hat unterschrieben auf dem "Friedensfass" von 2001, das erst geöffnet wird, wenn der Konflikt um Berg Karabach gelöst ist. Kosten sollte man die Ararats auch, und da muss man sagen: Chapeau!

Vom Ararat ist es ein weiter Weg zum Arrak, vom Kaukasus bis nach Sri Lanka. Dort wird der Arrak traditionell aus dem vergorenen Saft der Blütenkolben von Kokos- und Zuckerpalme gebrannt. Es soll sich dabei um einen der ältesten Schnäpse der Menschheit handeln, bekannt schon im Indien des 2. Jahrtausends vor Christus. Der Name hat sich auf jede Menge andere Destillate übertragen, so auf türkischen Anisbrand, griechischen Tresterbrand und albanischen Zwetschgenbrand, allesamt Raki genannt. Die Welt ist ein Dorf. Prost!

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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