Trekking am Manaslu in Nepal:Reis für den Riesen

Nepal Manaslu Himalaja

Scheinbar so nah, und doch noch Kilometer entfernt: der 8163 Meter hohe Gipfel des Manaslu.

(Foto: Titus Arnu)

Trekking ist die ungefährlichere Variante, den Himalaja zu erleben. Aber auf einer Tour um den Manaslu zeigt sich: So einfach ist es nicht. Ganz abgesehen von Mulis, Flötenspielern und Schamanen.

Von Titus Arnu

Der Flötenmann pfeift auf dem letzten Loch. Es fiept und jault, was kein Wunder ist, denn der Kerl spielt schon seit zwei Wochen beim Wandern auf seinem Instrument. Die ganze Strecke über ist der nepalesische Begleiter einer Trekkinggruppe uns immer wieder begegnet, mal bei T-Shirt-Wetter, mal bei Minusgraden und Nebel, aber immer war er am Pfeifen. Will der Mann einen Rekord im Weit- und Hochflöten aufstellen?

In einer engen Schlucht kommen uns Marathonläufer entgegen, sie tragen Startnummern, Mini-Rucksäcke und Joggingschuhe. Am Wegesrand sitzen drei alte Frauen, sie zeigen auf die Kompressionsstrümpfe der Läufer und kichern. Unsere Trekkinggruppe scheint ähnlich erheiternd zu wirken auf die Leute im Dorf. Zum Spaß auf den Manaslu? Oder um den Achttausender herum laufen? Wieso das jemand freiwillig macht, scheint vielen Einheimischen schwer begreiflich zu sein.

Die Mulis nehmen keine Rücksicht auf Touristen. Sie rempeln einen einfach an

Die Tour rund um den Manaslu, mit 8163 Metern der achthöchste Berg der Welt, dauert knapp drei Wochen, es sind 220 Kilometer, von 550 Meter bis hinauf auf 5135 Meter und wieder hinunter auf 840 Meter. Alle Vegetationszonen zwischen Subtropen und ewigem Eis werden zweimal durchwandert. Schritt für Schritt entfernt man sich von den Annehmlichkeiten der Zivilisation. Im Vergleich zu den bekannten Touren im Everest- und Annapurna-Gebiet gibt es auf der Manaslu-Runde noch nicht an jeder Ecke ein Wifi-Café, die Lodges sind sehr einfach - meist gibt es nicht mal eine Heizung, ganz zu schweigen von warmem Wasser oder Internet.

Lodge-Trekking hat den Vorteil, dass die Mannschaft keine Zelte und Kochgeräte mitschleppen muss, aber es ist immer noch genug Krempel, den die Träger für die Touristen auf den Rücken laden: 15 Kilo Gepäck pro Person, dazu Lebensmittel, ein Erste-Hilfe-Koffer und eine aufblasbare Überdruckkammer, falls einer der Teilnehmer höhenkrank wird. Unsere Gruppe besteht aus zehn Gästen von 21 bis 70 Jahren, begleitet von Trekking-Guide Mingma Nuru Sherpa, seinen Helfern Neyma und Om, dazu vier Träger. Ein Teilnehmer ist Arzt, ein beruhigendes Gefühl.

Zumal die Vorzeichen nicht besonders gut sind. An den ersten Tagen kommen uns viele Gruppen entgegen, die ihre Touren abbrechen mussten. Das Wetter weiter oben ist schlecht, es hat viel geregnet und geschneit, der über 5000 Meter hohe Larkya-Pass sei nicht passierbar, heißt es. In einer Lodge treffen wir die Teilnehmer einer polnischen Manaslu-Expedition, sie sind frustriert, weil sie die meiste Zeit im Basislager saßen. Das Lager 3 wurde von einer Lawine weggerissen, zum Glück war zu der Zeit niemand dort. Bergführer berichten von Unglücken auf der Strecke - eine Frau sei in einen Fluss gestürzt, ein anderer Wanderer von einem Muli abgedrängt worden und in die Schlucht gefallen.

Über enge und schwindelerregende Wege

"Immer auf die Bergseite ausweichen!", schärft uns Mingma ein. Auf den engen Pfaden kommen einem oft Muli-Karawanen entgegen. Die Treiber pfeifen und rufen den Tieren zu, aber die Mulis nehmen keine Rücksicht auf Touristen, sie rempeln einen einfach an. Das ist nicht lustig, wenn es neben dem Weg 80 Meter senkrecht nach unten geht, wo der Gebirgsbach Buri Gandaki tobt.

Himalaja Nepal Manaslu

Im Vergleich zu den bekannten Touren im Everest- und Annapurna-Gebiet sind die Lodges auf der Manaslu-Runde noch sehr einfach.

(Foto: Titus Arnu)

Es ist ziemlich viel Verkehr auf dem Pfad, einem alten Handelsweg zwischen Nepal und Tibet. Mal geht es über schwankende Hängebrücken, mal über ausgetretene Steinstufen, meistens über schwindelerregend enge und steile Wege. Während der ersten Woche passieren wir Dörfer, in denen Lehmöfen rauchen und Ziegen meckern, wir wandern zwischen Reis- und Hirseterrassen. Die Bewohner des Tals sind arm, sie leben von ein bisschen Landwirtschaft und dem Verkauf von Kleinigkeiten an die Touristen.

Unsere Träger sind im Vergleich zu den Bergbauern Großverdiener, sie bekommen inklusive Trinkgeld zehn Euro am Tag. Bis zu 40 Kilogramm schleppen sie dafür auf dem Rücken, und während die Trekking-Touristen bestens mit Funktionskleidung und Bergstiefeln ausgerüstet sind, tragen die Sherpas Gummischlappen oder abgewetzte Turnschuhe, Jeans und T-Shirt. Keiner von ihnen beklagt sich. Für Neyma, einen durchtrainierten, schweigsamen Sherpa, der schon zweimal auf dem Gipfel des Mount Everest stand, scheint die Manaslu-Runde sowieso nur eine Art längerer Spaziergang zu sein. Und Om, der stets gut gelaunte Koch, sagt, dass er vom Verdienst der Tour mit seiner Familie mehrere Monate leben kann. Das Durchschnittseinkommen in Nepal liegt bei 600 Dollar pro Kopf - im Jahr. Für eine zwei- bis dreiwöchige Trekkingtour bezahlen Touristen ungefähr fünfmal so viel. Im Vergleich zu den gefährlichen Expeditionen am Everest - Ende April starben dort 16 Sherpas in einer Lawine - sind Trekkingtouren eine relativ sichere Einnahmequelle. Das heißt allerdings nicht, dass Wandern im Himalaja ungefährlich ist.

Zimmer mit Glasfenstern und Kleiderhaken - das ist hier der pure Luxus

Mitten in der Nacht sind vor dem Haus Trommelschläge, Getute, Glockengebimmel und Gesang zu hören. Dreht der Flötenmann jetzt völlig durch? Beim Frühstück erfahren wir, dass es sich um einen Schamanen handelte, der einen Stall vor bösen Geistern schützen sollte. Mingma Sherpa hat seine eigene Strategie, um die Dämonen zu bannen. Vor dem Betreten jeder Hängebrücke zupft er ein Blatt von einem Busch und legt es auf den Pfeiler, der die Trageseile hält. Dabei wünscht er sich im Stillen etwas. Es scheint zu funktionieren: Das Wetter wird besser, und selbst als ein junger Träger erschöpft aufgibt, ist das kein Problem. Er wird von Mingma zurück ins Tal geschickt, die Sherpas verteilen das Gepäck um und tragen jeder noch ein paar Kilo mehr. Weiter geht's - vorbei an Erdrutschen, durch Dörfchen, in denen alte Frauen Sojabohnen ernten. Kinder in blauen Schuluniformen begrüßen Ausländer mit zwei typischen Worten: "Namaste! Balloon?" Ein Luftballon ist für sie das Größte.

Nepal Himalaja Manaslu

Die Pfade um den 8163 Meter hohen Manaslu sind beschwerlich, aber spektakulär.

(Foto: Titus Arnu)

Auch Knoblauch soll gegen böse Geister helfen. In Philim servieren Om und Neyma deshalb Suppe, die hauptsächlich aus den stinkenden Knollen besteht. Nebenbei bemerkt sei Knoblauch auch gut für die Höhenanpassung, sagt Mingma. Das ganze Unternehmen ist ein Stufenplan, es geht von 500 Metern über mehrere Zonen bis in über 5000 Meter Höhe, von einer subtropischen Umgebung mit Bananenstauden, Mangobäumen und Affen über Pinienwälder und haushohe Rhododendren bis zu den Gletschern. Von einer Höhe von 3500 Metern an verzichten die meisten Wanderer auf das Duschen, die Gefahr, sich zu erkälten, ist größer als das Bedürfnis, angenehm zu riechen. Von 4000 Metern Höhe an sind die meisten trotzdem krank - alle husten, röcheln, schniefen. Das ist eine Folge der dünnen, trockenen Luft. Nachts ist es bitterkalt, zwischen den Steinen der unverputzten Hüttenwände pfeift der Wind durch. Jeder Gang zum Plumpsklo wird zu einer kleinen Expedition. Von einer gewissen Leidensstufe an stellt sich die Frage, warum man sich all die Strapazen antut.

Der Abstieg ist die schwierigste Etappe

Die Antwort lässt sich schwer in Worte fassen, es ist eher ein Gefühl der Erhabenheit, das einen dort oben durchdringen kann. Zum Beispiel, wenn im Morgengrauen der Gipfel eines Achttausenders rosa zu glühen beginnt. Es ist sechs Uhr früh in Samagaun am Fuß des Manaslu, der Himmel ist klar, die Luft eiskalt. Der Manaslu schickt einen donnernden Gruß, eine Eislawine rauscht polternd vom Gletscherbruch in 4500 Metern Höhe ins Tal. Wir wandern mit Blick auf den spitzen, matterhornartigen Nordgipfel des Manaslu. Im Basislager, von dem aus eine japanische Expedition 1956 zur Erstbesteigung aufbrach, hat man den Eindruck, dem Gipfel schon ganz nah zu sein - dabei ist er dreieinhalb Kilometer höher. Durch das Fernglas kann man Träger beobachten, die Gasflaschen, Zelte und Gepäck durch den Gletscherbruch schleppen.

Manaslu - das heißt "Berg der Seele" auf Nepali. Der Berg hat seine Seele noch nicht verloren, im Gegensatz zum Everest-Gebiet geht es in der Region noch einigermaßen ruhig zu, da der Zustieg so lange dauert. Und das Leben in den Bergdörfern ist größtenteils noch so, wie es vor Hunderten Jahren gewesen sein muss. In Samdo, einem Ort auf 4000 Metern Höhe, klebt Dung an den Wänden der Häuser. Der getrocknete Yakmist wird als Heizmaterial verwendet, Bäume gibt es hier oben so gut wie keine mehr.

Reis für die Götter

Wenigstens auf der schwersten Etappe über den Larkya-Pass verzichtet der Flötenmann auf das Musizieren, die Hände würden ihm sonst abfrieren. Der Weg auf den 5135 Meter hohen Pass ist lang, es geht stetig bergauf, anfangs über Schotter, später durch Schnee. Der Pfad ist gut ausgetreten, vor uns sind einige Gruppen unterwegs. Im Schein der Stirnlampen stapfen wir durch eine Mondlandschaft, bis sich die Spitzen der Berge rosa verfärben. Dann kommen bunte Fahnen in Sicht, wir sind am höchsten Punkt unserer Reise angelangt. Mingma hängt eine Gebetsfahne auf und wirft Reiskörner in die Luft, als Dank an die Götter.

Der schwierigste Teil der Etappe kommt aber noch, der Abstieg über vereiste, schneebedeckte Flanken hinunter nach Bimthang. Einige Träger kommen ins Rutschen, Taschen kullern den Hang hinunter, links neben dem Pfad sind Gletscherspalten. Der Abstieg zieht sich, es sind fast 1500 Höhenmeter bis zur ersten Siedlung im Tal. Als wir ankommen, brennt im Ofen der Gaststube ein Feuer. Die Zimmer haben echte Fenster aus Glas und Kleiderhaken - der pure Luxus. Es ist still und friedlich. Bis der Flötenmann um die Ecke biegt. Er hat schon wieder genug Luft.

Karte Nepal

Karten Nepal Südtirol Karten Nepal Südtirol

(Foto: SZ Grafik)

Informationen

Anreise: Mit Qatar Airways oder Etihad von München oder Frankfurt nach Kathmandu hin und zurück ab ca. 670 Euro; von dort aus mit dem Bus in sechs Stunden zum Ausgangspunkt der Tour in Arughat.

Übernachtung: Die Hütten und Pensionen entlang der Route sind einfach bis sehr einfach - es gibt oft weder Heizung noch warmes Wasser.

Organisierte Tour: Der DAV Summit Club bietet die Manaslu-Runde als 21-tägige Reise an, inkl. Flug, aller Permits, Träger und deutsch sprechendem Guide. Die Touren finden im Mai und im Oktober/November statt, Preis ab 3295 Euro; www.dav-summit-club.de

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