Touristenstrom:La deutsche Vita

Interessanter, spannnender und vor allem günstiger als daheim - die Italiener haben Deutschland als Urlaubsland entdeckt.

Laura Russo bringt immer einen leeren Koffer mit, wenn sie in Berlin Urlaub macht. Wenn die Studentin dann wieder in ihre Heimatstadt Rom zurückfliegt, ist er voll mit angesagten Klamotten und sonstigen Schnäppchen aus Berlin. "In Italien ist alles unglaublich teuer geworden, hier kann man viel günstiger ausgehen und einkaufen", sagt Laura. "Außerdem ist Berlin zur Zeit einfach die spannendste Stadt Europas."

Die 26-Jährige gehört zu den Italienern, die Deutschland nicht mehr nur für ein ordnungsliebendes und langweiliges Land im Norden halten. Immer mehr der Südeuropäer entdecken die Sonnenseiten des deutsche Vita, während immer weniger Deutsche nach Italien reisen.

Deutsche wählen zunehmend Billig-Alternativen

Die Zeiten, in denen halb Deutschland auf der Suche nach dem süßen Nichtstun den Brenner überquerte, liegen lange zurück. Kamen 2001 noch zwölf Millionen Deutsche nach Italien, waren es im vergangenen Jahr noch ganze acht Millionen. Italien ist nach Spanien damit immer noch das zweitliebste Reiseziel der Deutschen.

Doch an den Stränden von Adria und Gardasee bleiben viele Liegestühle leer. Die Deutsche wählen statt Bella Italia zunehmend billige Alternativen: Türkei, Kroatien oder Dominikanische Republik.

Daran sind nicht zuletzt die Preise schuld, die in Italien seit der Euro-Einführung explodiert sind. Deswegen scheint auch den Italienern der Urlaub im Ausland attraktiv. "Heute kriege ich von keinem Italiener mehr gesagt, dass Deutschland ein teures Reiseland ist", sagte Bernd Gerversmann, Leiter der Italien-Vertretung der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT).

Auch Statistiken zeigen: So extrem wie in Italien langten Hotels, Restaurants und Geschäfte bei der Einführung der Gemeinschaftswährung nirgends zu.

La deutsche Vita

So zieht es die Italiener im Urlaub fort - und immer öfter nach Deutschland. Zwischen 1995 und 2004 stieg die Zahl der Übernachtungen von Italienern in Deutschland laut DZT von 1,7 Millionen auf 2,4 Millionen. Vor allem Bayern und Berlin sind als Reiseziele beliebt.

Bayern profitiert wie bisher schon von seiner Nähe zu Italien. "Aber auch der Papst-Tourismus nach Marktl am Inn macht einiges aus", sagt DZT-Experte Gerversmann mit Blick auf den Geburtsort von Benedikt XVI.

Billig-Flieger in die Hauptstadt

Vor allem aber Berlin entwickelt sich zum Italiener-Magneten. Im vergangenen Jahr übernachteten 18 Prozent mehr der Südländer in Berlin als 2004. Derzeit liegen die Italiener nach Briten und Niederländern schon auf Rang drei bei den größten Besucher-Nationen der Hauptstadt. Das liegt unter anderem an vielen Billigfliegern, die die Hauptstadt ansteuern. Und auch an den Preisen in der Stadt.

Natascha Kompatzki von Berlin Tourismus Marketing rechnet vor: Der Preis für ein Vier- oder Fünfsterne-Hotel liege in Berlin durchschnittlich bei 127 Euro pro Nacht, in Rom bei 185 Euro, in Mailand bei 294 Euro. In Barcelona, vor allem bei jungen Leuten ähnlich beliebt wie Berlin, müssen für das Zimmer der Kategorie 191 Euro hingeblättert werden.

Berlin gilt als hip

Aber nicht nur der Geldbeutel zieht die Menschen aus dem warmen Süden in die raue Stadt im Norden. "Kultur, Avantgarde, die neuen Bauten, daran denken Italiener, wenn sie Berlin hören", sagt Gerversmann. "Berlin gilt generell in Italien als absolut hip", meint auch Kompatzki. "Die Italiener sehen Berlin als Lifestyle- und Modemetropole und stehen auf die moderne Architektur."

Das sieht auch Studentin Laura so. Sie kommt inzwischen jedes Jahr eine Woche im Sommer nach Berlin. Meist kommen Freunde mit. Gemeinsam mieten sie ein Apartment, über dessen Preis die Römer nur staunen. Dort ist auch genug Platz für die zusätzlichen Koffer, die nach einer Woche prall gefüllt sind.

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