Tourismus:Üble Urlaubsmasche

European Tourists Flock To Benidorm For Their Summer Holidays

Sonnenbad in Benidorm, Spanien

(Foto: Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images)

Erst nerven sie, dann feiern sie krank: Zu viele britische Touristen betrügen mit vorgetäuschten Krankheiten spanische Reisefirmen um viel Geld - das könnte Folgen für alle Urlauber aus Großbritannien haben.

Von Michaela Schwinn

Neulich im mallorquinischen Badeort Palmanova: Nackte Briten laufen brüllend durch die Innenstadt. Begeistert war in dem Badeort niemand, außer den Urlaubern selbst vielleicht. Aber was soll man auch machen? Schließlich bringen britische Besucher Jahr für Jahr eine Menge Geld in Urlaubsorte in Spanien, Bulgarien, Kroatien oder der Türkei. Jetzt scheinen es sich einige der britischen Touristen aber endgültig mit ihren Lieblingsreisezielen verscherzt zu haben. Denn die sogenannte Betrugsmasche "holiday sickness fake", eine vorgetäuschte Reisekrankheit, kostete Hotels und Reiseveranstalter inzwischen mehrere Millionen Euro.

Obwohl die Fallzahlen von Lebensmittelvergiftungen in Ferienanlagen rund um das Mittelmeer seit Jahren konstant sind, stiegen Beschwerden wegen Magen-Darm-Erkrankungen rapide an. Der britische Reiseverband, die Association of British Travel Agents (Abta), legte nun Zahlen vor, denen zufolge es 430 Prozent mehr Entschädigungsforderungen gibt als noch vor zwei Jahren.

Mithilfe eigens dafür gegründeter Firmen fordern Urlaubsgäste laut Medienberichten ihr Geld zurück. In den vergangenen drei Jahren kamen so viele Fälle zusammen, dass sich nun auch die britische Regierung eingeschaltet hat.

Besonders hart traf die britische Betrugsmasche spanische Hotels

Premierministerin Theresa May wolle endlich ein rechtliches Schlupfloch schließen, sagte sie der britischen Zeitung Mail on Sunday. Sie wolle die Prozesskosten für Reiseunternehmen und Hotels senken. Denn diese seien oft viel höher als die Forderungen der Urlaubsgäste. Nur so können sie sich gegen falsche Forderungen wehren. Schließlich sollen britische Touristen im Ausland keinen schlechten Ruf haben, sagte May. Der britische Außenminister Boris Johnson hingegen witzelte über das Verdauungssystem seiner Landsmänner: Das gehöre wohl zu den empfindlichsten der Welt.

Offenbar sind es oft Briten, die sich im Urlaub den Magen vermeintlich verderben und dann ihr Geld zurückverlangen. Aus dem Unternehmen Thomas Cook hieß es, Deutsche beispielsweise, die sich am selben Buffet bedienten, beschwerten sich nicht. Vielleicht, weil es dort auch keinen Markt dafür gibt.

In Großbritannien hingegen hat sich in den vergangenen Jahren eine eigene Sparte etabliert. Sickholiday ist eines dieser Unternehmen, die für ihre Kunden Schadenersatz fordern. In einem ihrer Radiowerbespots plärrt ein Sänger: "Sickholiday. Sickholiday. Wenn dein malerischer Ausblick die Kloschüssel war, sei schnell und klick Sickholiday!" Richard Conroy, der Gründer der Agentur, beteuerte gegenüber dem Guardian, er "habe unermüdlich" gegen Betrüger gekämpft. Wie viel Geld sein Unternehmen für jede Entschädigung kassiert, sagte er nicht.

Veranstalter drohen, All-inclusive-Angebote zu streichen

Auch in den Urlaubsländern versuchten Firmen, neue Kunden abzugreifen. Besonders skurril war ein Fall auf Teneriffa: Mit Sirenengeheul kurvte ein Sanitätswagen um die Hotelanlagen. "Claims Clinic" stand in fetten Lettern auf der Karosserie. Einsteigen durfte jeder, der sich angeblich mit Noroviren, Salmonellen oder E.-coli-Bakterien infiziert hatte. Danach wurden die Veranstalter zur Kasse gebeten.

Besonders hart traf die Betrugsmasche Tourismusbetreiber auf Mallorca. Dem Reiseverband Abta zufolge hat die dortige Hotelindustrie im vergangenen Jahr etwa 50 Millionen Euro verloren. Eine Summe, die Hotels und Veranstalter auf Dauer nicht stemmen können. Auch fehlt ihnen die rechtliche Grundlage: Geld zurückverlangen könne fast jeder, ganz ohne medizinisches Gutachten.

Einige Veranstalter kündigten nun an, ihre Reisen teurer zu machen. TUI und Thomas Cook sprachen gar davon, All-inclusive-Angebote für britische Touristen zu streichen oder diese von den Anlagen zu verbannen. Sollten sie ihre Drohungen wahr machen, ist Schluss mit Ferien.

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