Tourismus in Problemländern:Fahren oder nicht fahren?

Dürfen oder gar sollen Touristen ins kommunistisch regierte Kuba reisen, ins diktatorische Nordkorea und undemokratische China? Oder nach Simbabwe, Reich des Despoten Mugabe?

von SZ-Autoren

Reisen nach Kuba sind für gewöhnliche Besucher kein Problem, man kommt mühelos hin. Diverse Linien- und Chartergesellschaften fliegen täglich in die Hauptstadt Havanna oder nach Varadero an die Nordküste Kubas, ein gültiger Reisepass sowie die sogenannte Touristenkarte genügen. Bloß Geschäftsleute oder Journalisten brauchen Visa, was kompliziert werden kann.

Die Grenzbeamten an den Flughäfen sind gewöhnlich nicht unfreundlicher als zum Beispiel in Miami oder Frankfurt, im Zweifel sogar charmanter. Urlauber können sich auf der Insel so frei bewegen wie anderswo - und sicherer als in den meisten anderen Ländern der Umgebung. Manche Leute vergessen ja, wo Kuba liegt: links Mexikos Drogenkrieg, rechts das Armenhaus Haiti. Wer nicht Reporter ist oder Diplomat, der wird auch kaum überwacht.

Müssen Urlauber trotzdem ein schlechtes Gewissen haben in der Republik, die seit 50 Jahren von den Castros regiert wird und von der Kommunistischen Partei? Sollen sie dem sozialistischen Eiland im Meer des Kapitalismus lieber fern bleiben? Im Gegenteil. Kuba braucht Gäste, das US-Embargo ist schlimm genug. Für viele Kubaner sind Fremde die beste Verbindung zur Außenwelt.

Wegen finanzieller Engpässe hat die Regierung bereits begonnen, Staatsbedienstete zu entlassen. Allerdings öffnen immer mehr Restaurants und Unterkünfte mit privaten Lizenzen. Beaufsichtigt und betrieben wird der Tourismus jedoch immer noch hauptsächlich vom Staat, genauer: von der Armee.

Viele Einrichtungen wie das sagenhafte Hotel Nacional de Cuba am Malecón in Havanna und die Fluggesellschaft Cubana sind staatlich, andere Herbergen wie das spanische Meliá Cohiba entstanden im Rahmen von Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen. Die meisten Devisen landen entsprechend in den jeweiligen Firmenzentralen außerhalb Kubas, dennoch sind Jobs in der Ferienindustrie begehrt. Kellner oder Taxifahrer verdienen dank des Trinkgeldes besser als Ärzte. Gehälter werden in nationalen Pesos ausbezahlt und sind kaum 30 Euro im Monat wert. Luxusgüter kosten harte, konvertible Pesos.

Das kann nerven. In Havannas Altstadt und an der Uferpromenade Malecón fahnden Touristenjäger nach Einladungen verschiedenster Art. Jenseits der Attraktionen geht es ungezwungen und freundlich zu, besonders in der Provinz. Schön und interessant ist Kuba vielerorts. Wer hinfährt und Augen und Ohren offen hält, der kann selbst entscheiden, was er von einem halben Jahrhundert Revolution hält. Peter Burghardt

Nordkorea - Wallfahrt zu Familie Kim

Wer Nordkorea besucht, sieht nicht das wirkliche Nordkorea, sagt der japanische Journalist Jiro Ishimaru, einer der besten Kenner des Landes. Von der Armut, dem Hunger, der Unterdrückung und dem Chaos einer zusammengebrochenen Planwirtschaft sollen die Touristen nichts mitbekommen. Deshalb lässt das Regime ihnen eine sorgsam drapierte Fassade zeigen.

Auf eigene Faust durchs Land zu reisen, ist nicht möglich. Man wird ständig begleitet - und bespitzelt. Wer seinem Reiseführer, der zugleich Dolmetscher, Kindermädchen und Aufpasser ist, ein Schnippchen schlägt und das Hotel ohne ihn verlässt, kann ihn in arge Schwierigkeiten bringen.

Jeder Tourist muss die Wallfahrtsstätten des Personenkults um die Familie Kim besuchen, die Nordkorea in der dritten Generation regiert, insbesondere das Mausoleum des Staatsgründers Kim Il Sung, in dem nun auch sein Sohn Kim Jong Il liegt. Selbst eine Fahrt mit der Metro von Pjöngjang bietet ein geschöntes Bild. An jedem Bahn-Eingang stehen Wächter, die sichtbar unterernährte und verarmte Menschen den Zugang verwehren.

Obwohl das Regime seine Besucher gegen die schockierende Wirklichkeit abschirmt, wünscht es dringend mehr Touristen. Es braucht ihre Devisen. Nordkorea-Reisen sind deshalb teuer. Alle touristischen Einrichtungen gehören dem Staat; wer nach Nordkorea fährt, unterstützt folglich die Diktatur. Jährlich besuchen nur einige tausend Westler Nordkorea; fast alle anderen Touristen kommen aus Asien, insbesondere aus China. Der Kontakt mit Ausländern ist nur ausgewählten Nordkoreanern erlaubt, sie werden genau überwacht. Nimmt man Kontakt zu gewöhnlichen Einheimischen auf, kann man diese gefährden.

Am 15. April feiert Nordkorea den hundertsten Geburtstag von Kim Il Sung. Dazu werden vor allem Delegationen der Koreanischen Freundschaftsgesellschaft ins Land gelassen. "Es wird erwartet, dass die Besucher sich entsprechend benehmen", heißt es in einer Publikation. Das Fest soll nicht von Ausländern gestört werden. Christoph Neidhardt

China - Im Land der tausend Treppen

Ob Große Mauer, Verbotene Stadt, eine Kreuzfahrt auf dem Jangtse oder ein Ausflug in den Hochhausschluchten von Shanghai - China ist inzwischen eines der populärsten Reiseziele. Jedes Jahr kommen mehr als 60 Millionen ausländische Touristen in die Volksrepublik.

Braucht China das Geld westlicher Reisender? Nein. China ist nicht Nordkorea, das nach Devisen lechzt, jährlich ein paar westliche Touristen ins Land lässt, stattliche Preise verlangt und dann eine einstudierte Show abzieht. China erwirtschaftet durch seine Exporte Jahr für Jahr mächtige Handelsüberschüsse. Und Chinas Tourismusbranche ist ein wettbewerbsfähiger Markt. Die Fluggesellschaften oder die chinesische Bahn gehören zwar mehrheitlich dem chinesischen Staat, die erwirtschafteten Gewinne wandern jedoch nicht in die Taschen einer kleptokratischen Clique, die sich mit den Einnahmen eine Monatslieferung Champagner oder eine Schiffsladung roter Sportwagen aus Italien leistet.

Touristen in China können sich prinzipiell frei im Land bewegen. Eine Ausnahme macht das tibetische Hochland, in dem Teile der Bevölkerung unter Repressalien der Zentralregierung leiden. Wer hierher reisen möchte, braucht eine Sondergenehmigung. Zur Einreise nach China ist ein Visum nötig, das relativ einfach zu erhalten ist.

Die Tourismus-Infrastruktur ist für Millionen Reisende ausgelegt, vor allem chinesische Gäste. Mehr als 1,6 Milliarden inländische Reisen zählt der chinesische Tourismusverband pro Jahr. Viele Sehenswürdigkeiten sind deshalb chinesischen Bedürfnissen angepasst worden. In den Gelben Bergen, aber auch sonst in fast jedem touristisch bedeutenden Gebirge haben Wanderarbeiter Stufen in den Berg gehauen.

Statt einen Zweitausender zu erklimmen, steigt man in China Treppen. Gewöhnungsbedürftig sind auch Parks, in denen irgendeine der 55 nationalen Minderheiten Volkstänze aufführt. Das Wissen vieler Chinesen über andere Völker ist erschreckend gering. Ihre Minderheiten, glauben viele Chinesen, tanzen gerne. In den Themenparks bekommen sie ihre Vorurteile erfüllt.

Im Herbst zum Staatsgeburtstag, im Winter während des chinesischen Neujahrsfests und Anfang Mai zum Tag der Arbeit hat das gesamte Land Ferien. In China nennen sie das die "goldenen Wochen". In Shanghai und Peking kommen dann auf einmal zwei bis drei Millionen chinesische Touristen hinzu. Die U-Bahnen sind noch voller als sonst und der ein oder andere Tourist vom Land bittet Westler auf der Straße dann auch schon mal um ein gemeinsames Foto, weil sich in ihre Heimatprovinzen nur selten Ausländer vorwagen. Christoph Giesen

Simbabwe - Trügerische Idylle

"Wie wäre es am späten Nachmittag mit einem Sundowner auf dem Boot?", stand kürzlich in einem Reisebericht aus Simbabwe zu lesen, veröffentlicht auf der Webseite einer Reise-Agentur. "Gemütlich bei Wein, Käse und Gebäck über das Wasser schippern, die Seele baumeln lassen und den Hippos zusehen, wie sie gelangweilt auf den Sandbänken liegen." In Simbabwe kann man aber auch ganz andere Szenen erleben: Man kann hungernde Bauern sehen oder Straßenkinder, die an Typhus leiden.

Man kann auch beobachten, wie Sicherheitskräfte Demonstranten niederknüppeln. Idyllische Reiseberichte aus dem Reich des greisen Despoten Robert Mugabe muten daher zynisch an. Doch das bedeutet nicht, dass ein Urlaub in Simbabwe an sich verwerflich ist. Es kommt nur darauf an, wie man eine Reise organisiert.

Buche man bei kleinen Anbietern, übernachte in privaten Gasthäusern, die den Menschen vor Ort gehören, profitiere das Mugabe-Regime davon in keiner Weise, versichert Wilhelm Gündisch von Afri-Reisen, der jedes Jahr 40 bis 60 Deutsche nach Simbabwe bringt. Und Coletta Beichtmann, die im Auftrag der simbabwischen Regierung in Frankfurt ein Tourismus-Büro leitet, weist auf eine Tatsache hin, die für jedes heruntergewirtschaftete Land gilt: Auch Übernachtungen in staatlich kontrollierten Unterkünften sichern Arbeitsplätze, die es sonst nicht gäbe.

Knapp zwei Millionen Ausländer haben laut Beichtmann im vergangenen Jahr Simbabwe besucht, vor allem Südafrikaner. Aus Deutschland seien in der ersten Jahreshälfte 2011 fast fünfeinhalbtausend Touristen gekommen. Die meisten von ihnen machten Urlaub in Südafrika oder Namibia und buchten lediglich Ausflüge nach Simbabwe: zu den Victoria-Fällen oder zu einem der zahlreichen Nationalparks.

Das Auswärtige Amt in Berlin hält Reisen nach Simbabwe für "grundsätzlich möglich", rät aber dringend davon ab, sich in der Nähe von Demonstrationen aufzuhalten und überhaupt sich mit Menschen zu unterhalten oder sie zu fotografieren. Bald gibt es Wahlen, Mugabe könnte nervös werden. Aber gelangweilten simbabwischen "Hippos" kann man immer zusehen. Tim Neshitov

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