Tourismus in Kenia:Riss in der Fototapete

Diani Beach, Kenia, Tourismus in Afrika

Warten auf Kundschaft: Die fliegenden Händler am Diani Beach machen derzeit kaum Geschäfte.

(Foto: Michaela Lehner)

Weiße Strände, türkisfarbenes Meer, leere Hotels: Urlauber meiden die sonst im Winter so beliebte Südküste Kenias - aus Angst vor Anschlägen und dem weit entfernten Ebola. "Es ist verrückt", sagen die Einheimischen. Ein Besuch.

Von Katharina Wilhelm

Das leise Schwappen des Indischen Ozeans und das Zirpen einiger Grillen sind die einzigen Geräusche, die man hört. Es ist kurz vor zehn am Abend, schwül und bis auf ein paar Lichter weitgehend dunkel zwischen den "Mbuyu Beach Bungalows" in Msambweni. Der kleine Ort an der Südküste Kenias liegt eine Autostunde von der tansanischen Grenze entfernt. Auf die Frage, ob er Kenia noch immer für ein sicheres Reiseziel hält, deutet Werner Zeppenfeld um sich, auf den ruhigen Ozean, den fast menschenleeren Strand und den sternenklaren Himmel. Er fragt zurück: "Wovon fühlen Sie sich jetzt gerade bedroht?"

Zeppenfeld führt die kleine, aus fünf Bungalows bestehende Lodge gemeinsam mit seiner Frau. Der 63-Jährige lebt seit zwölf Jahren in Afrika - acht Jahre lang war er ARD-Korrespondent mit Sitz in Nairobi. Von dort aus war er als Berichterstatter für 38 Länder unterhalb der Sahara zuständig. Von allen Orten, die er dabei gesehen hat, wählte Zeppenfeld Msambweni für seinen Ruhestand aus. Dafür hat er die Lodge direkt am Ozean gekauft. Die Gehälter der 15 Angestellten zahle er von seiner Rente, sagt er, Profit werfe die Ferienanlage nicht ab.

Einige Hoteliers werden auf der Strecke bleiben

Trotz der Stille ist die Lodge auch nachts noch voller Leben - übers ganze Gelände kreucht und fleucht es. Eine Menge langer, schlauchartiger Tausendfüßer, Einsiedlerkrebse, Falter, Moskitos und Gottesanbeterinnen sind zwischen den Bungalows unterwegs. Eigentlich sieht man um diese Zeit auch eine Menge menschliche Gäste an diesem Teil des Indischen Ozeans - die Wintermonate sind Hauptsaison. Gerade in den Weihnachtsferien gilt Kenias Südküste als beliebtes Ferienziel. Doch es sind nur noch wenige Touristen in der Anlage, im Ort, an der Küste und im gesamten Land, das bis vor kurzem noch eines der am meisten besuchten Urlaubsziele des Kontinents war.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Auch in diesem Jahr wurden immer wieder Touristen bei Anschlägen in Kenia verletzt oder getötet. Zuletzt kamen im Juli zwei Urlauberinnen in Mombasa bei Überfällen ums Leben. Am 22. November verübte die Terrormiliz Al-Shabaab einen Anschlag auf einen Bus, der von der somalischen Grenze nach Nairobi unterwegs war und tötete dabei 28 Menschen.

Auch der Ebola-Ausbruch in Westafrika schreckt viele ab. Im rund 5500 Kilometer vom Epizentrum der Seuche entfernten Kenia gab es jedoch noch keinen Fall, und die Grenzen des Landes sind seit August für Reisende aus den von der Epidemie betroffenen Ländern geschlossen.

Das Auswärtige Amt rät von Reisen in den Norden des Landes ab, besonders in die Gebiete entlang der somalischen Grenze und der Nordküste. Auch für die Altstadt von Mombasa sowie bestimmte Stadtteile Nairobis besteht ein Sicherheitshinweis. Reisen an die Südküste werden aber nicht als bedenklich eingestuft.

Dennoch: Viele Touristen sind abgeschreckt und meiden das gesamte Land. Das kenianische Fremdenverkehrsamt verzeichnete für Deutschland von Januar bis Juli dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von rund 17 Prozent. Aus Großbritannien und Italien kommen die meisten Urlauber der Südküste, und bei diesen Gästen beträgt der Rückgang sogar rund 34 Prozent. Für die zweite Hälfte des Jahres liegen noch keine offiziellen Zahlen vor. Touristiker schätzen aber, dass diese noch weiter rückläufig sind. Ulrike Schäfer, beim Reiseveranstalter FTI für Afrika zuständig, nennt die Nachfrage "derzeit verhalten", während TUI-Pressesprecherin Alexa Hüner von "stark rückläufigen Buchungszahlen" spricht.

Non-Profit-Hotelier Zeppenfeld zeigt für die Sorgen der Touristen kein Verständnis: "Zwischen den Ebola-Ländern und Kenia liegt die gesamte Sahara. Die Panik ist irrational. Hier im Süden ist es ruhig." Es sei wie überall auf der Welt, findet der weit gereiste Zeppenfeld: Wenn man wisse, wohin man gehen könne, sei man sicher. "In all meinen Jahren hier in Afrika agierte ich nach diesem Motto, und offensichtlich lebe ich noch."

"Für mich der beste Strand der Welt"

Im Gegensatz zu Zeppenfeld ist Opah Omari Sharif darauf angewiesen, dass Touristen in das Dorf kommen. Der 32-Jährige ist als fliegender Händler am Strand unterwegs. "In den Hochzeiten hat hier jeder vom Tourismus gelebt, die Tankstellen, die Obstverkäuferinnen." Seit einem Monat hat Sharif nun nichts mehr verkauft. "Wenn kein Geld da ist, ernährt sich meine Familie vom Fischen."

Auch Carlos Muge braucht die Touristen. Der 43-Jährige arbeitet für verschiedene Unternehmen und nimmt die Gäste in seinem Van auf Safari ins Hinterland mit. 58 Mal ist der Kenianer im Vorjahr rausgefahren - 2014 nur noch 25 Mal. "Es ist verrückt. Ich konnte nicht einmal meiner Tochter etwas zu Weihnachten schenken."

Im benachbarten Diani Beach, dem touristischen Hauptstädtchen der Südküste, bietet sich das gleiche Fototapetenmotiv wie in Msambweni: weißer Sandstrand, türkisfarbenes Meer, wogende Palmen. Nicht umsonst gilt Diani Beach als einer der beliebtesten Ferienorte Kenias und erhielt 2014 einen World Travel Award als beste Stranddestination Afrikas. Hier sieht man immerhin ein paar dick mit Sonnencreme beschmierte weiße Gesichter - Touristen im staubigen Innern des Ortes.

Kjell, ein älterer Herr aus Norwegen, ist einer von ihnen. "Ich komme seit vier Jahren hierher und war noch nie besorgt. Hier in Diani gibt es für mich den besten Strand der Welt." Wenn man gewisse Gebiete des Landes umgehe, könne man sich frei bewegen - so habe er es in diesem Jahr etwa vermieden, über Mombasa zu fliegen. "Natürlich würde ich auch nicht mitten in der Nacht alleine rausgehen, aber es ist nicht nur in Kenia so, dass man nachts nicht über einsame Straßen läuft", findet er.

Der Spaziergang am Traumstrand entlang ist allerdings nicht so entspannend, wie man meinen möchte. Touristen sind auch hier rar. Kamelführer, Sonnenbrillenverkäufer und Hennamaler stürzen sich auf die wenigen Anwesenden. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass hier, zwischen Kokosnüssen und Sandkörnern, mehr passieren könnte, als dass man einige Händler nicht mehr los wird. Aber auch in Diani Beach wurde es bereits gefährlich: Anfang dieses Jahres verübten Unbekannte einen Anschlag in einer bei Einheimischen beliebten Bar. Getötet wurde dabei niemand, und es blieb der einzige Vorfall im Ort.

A monkey walks on a railing overlooking Diani Beach in Southern Kenya

Diani Beach - weißer Sand, wogende Palmen.

(Foto: REUTERS)

Der Österreicher Richard Glaser sitzt betont gelassen in einem Korbsessel in der aus Mahagoniholz errichteten Strandbar seines Resorts "The Sands at Nomad" in Diani Beach. "Ich habe keine Mauer um mein privates Haus bauen lassen. Ich mache mir keine Sorgen", behauptet er. Und: "Diese Küste könnte die Karibik Europas sein. Günstig, kein Jetlag aufgrund der geringen Zeitverschiebung - eigentlich ideal." Doch auch sein hochpreisiges Resort hat Einbußen zu verzeichnen. "Seit Juli geht es bergab. Das Problem ist, dass die Charterflieger wegfallen." Von Frankfurt aus fliegen nur FTI und Condor noch direkt ins eine gute Autostunde von Diani Beach entfernte Mombasa. Mit bisher 25 Prozent Einbruch im Vergleich zum Vorjahr sei Glaser zwar noch glimpflich davon gekommen, doch die Preise habe auch er senken müssen. "Natürlich werden einige Hoteliers auf der Strecke bleiben, und das sind dann leider meist die Einheimischen. Wir können es aussitzen", sagt er.

Ein solcher Einheimischer ist Francis Marube, Manager des "Leopard Beach Resort" in Ukunda, dem Ort, der sich direkt an Diani Beach anschließt. Mit verzweifeltem Blick deutet er auf den mit Loungemöbeln bestückten Pool, der direkt ins Meer überzugehen scheint. Bei Temperaturen von über 30 Grad will man seiner Geste in Richtung Wasser gerne folgen. Aber: Keine einzige Liege ist besetzt. "Seit sechs Monaten geht das nun schon so. Ich musste 180 von 300 Arbeitskräften entlassen", sagt Marube. Momentan kämen noch Inder in den Ort, auch Südafrikaner. Briten, US-Amerikaner und Deutsche sähe man nur noch wenige. Mitte 2014 wurde die neue Villenanlage als Teil des 35 Jahre alten Resorts fertig - geplant wurde sie allerdings bereits vor fünf Jahren. "Es ist eine Tragödie", sagt Marube. "Wir schicken die Gäste mit Buchungen für Standardzimmer nun in die Villen. Teilweise sind das für uns Verluste von bis zu 2000 Euro pro Buchung, mitten in der eigentlichen Hochsaison."

"Der Geldbeutel Kenias"

Ein bisschen weiter hinten, in zweiter Reihe weg vom Strand, sind die Probleme nicht so massiv - oder sie fallen dank Dauerparty einfach nicht auf. Am kleinen Pool des Hostels "South Coast Backpackers" liegen am Nachmittag noch einige Zeugen der vergangenen Nacht. Louis Tang, einer der drei Inhaber des Hostels, gähnt erst mal, bevor er antwortet. "Klar sind wir auch betroffen. Wir haben unsere Bar jetzt auch für Einheimische und Nicht-Gäste geöffnet, so kriegen wir einiges wieder rein. Aber so schlimm wird es uns nicht erwischen, denn Backpacker sind ohnehin abenteuerlustiger." Der gebürtige Franzose fühlt sich selbst sicher hier an der Küste, doch alleine auf die Landstraßen würde er nachts nicht gehen. "Das war allerdings auch vor den Anschlägen schon nicht besonders ratsam. Diani ist der Geldbeutel Kenias, und das wissen alle."

In Msambweni bleiben die schwarzen Tausendfüßer die einzigen, die während des Aufenthalts an der Küste für einen Schrecken sorgen, etwa wenn sich im Bungalow ein Exemplar unter das Moskitonetz verirrt. Ex-ARD-Korrespondent Zeppenfeld sagt, wenn er keine Gäste habe, mache ihm das nichts aus. "Dann habe ich eben einen etwas zu großen Garten am Meer für meine Frau und mich allein." Er zuckt die Schultern, als wolle er sagen: Selbst Schuld, wer uns nicht besuchen kommt. Anhaltende Schreckensmeldungen aus dem Norden des Landes und über die Ebola-Epedemie werden wohl dafür sorgen, dass die Zeppenfelds ihren Garten so schnell mit niemandem teilen müssen.

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