Tourismus in Diktaturen:Urlaub mit Gewissensbissen

Lesezeit: 3 min

Burma, Libyen oder Iran: Viele lehnen Urlaubsreisen in undemokratische Länder ab. Aber gibt es überhaupt ein "Richtig" oder "Falsch"?

Es gibt Urlaubsländer, die faszinierend sind, aber nicht besonders demokratisch. Das gilt für Ägypten genauso wie für Syrien oder Kuba, für Libyen wie für China. Oft gibt es dort tolle Städte mit jahrhundertealter Kultur - und zugleich Gefängnisse voller Häftlinge, die nichts getan haben, als ihre Meinung zu sagen.

Länder, in denen Menschenrechte mit den Füßen getreten werden, gibt es viele. Aber soll man deswegen dort keinen Urlaub machen? Die Frage, wo es anfängt, moralisch fragwürdig zu sein, muss jeder selbst beantworten.

"Sind Reisen in den Jemen opportun, darf man nach Äthiopien fahren oder nach Nepal? Da gäbe es eine lange Liste mit Ländern, bei denen man ein Fragezeichen setzen müsste", sagt Rainer Hartmann, Professor an der Hochschule Bremen.

Das Problem sei, dass schon die Kriterien für die Fragestellung erst geklärt werden müssten, ergänzt Heinz Fuchs von der Arbeitsstelle Tourism Watch des Evangelischen Entwicklungsdienstes in Bonn. "Wo ist da die Grenze? Soll man auch Reisen in die USA ablehnen?" Schließlich würden auch in Guantanamo Menschenrechte verletzt.

"Bei der Entscheidung, in nicht-demokratische Länder zu reisen, gibt es kein richtig oder falsch", sagt Ury Steinweg, Geschäftsführer von Gebeco in Kiel. "Und wir als Reiseveranstalter sind keine moralische Instanz, die darüber entscheiden sollte." Gebeco habe aber immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Tourismus für Diktaturen, die sich abschotten, auch positive gesellschaftliche Auswirkungen habe. Das sieht auch Fuchs grundsätzlich so: Tourismus mache Begegnungen möglich und könne dabei helfen, dass Länder sich öffnen.

"Reisen in solche Staaten schafft Öffentlichkeit", argumentiert auch Peter-Mario Kubsch, Geschäftsführer von Studiosus in München, in dessen Katalogen rund 70 Länder zu buchen sind, darunter Syrien, Kuba und Usbekistan. "Wenn Länder nicht offen sind, ist das ein Grund, gerade dorthin zu fahren", sagt Steinweg. "Wir hatten zum Beispiel in den 70er Jahren einen Schwerpunkt auf der Sowjetunion, als dort freies Reisen noch gar nicht möglich war."

Dankbar für jede Information

Dass in solche Länder gereist wird, sei für beide Seiten wichtig: "Nur so können Informationen ausgetauscht werden", sagt der Gebeco-Chef. Ein Beispiel dafür ist Birma in Südostasien, das von den Militärmachthabern in Myanmar umbenannt wurde. "Wir bieten auch weiterhin Reisen nach Myanmar an, wo es für die Bevölkerung fast unmöglich ist, an ungefilterte Informationen zu kommen." Bei Kontakten mit Touristen seien die Menschen dort oft dankbar für jede Information aus dem Westen.

Natürlich sei das eine Frage des Abwägens: "Das Geld aus dem Tourismus landet schließlich auch beim Regime", sagt Steinweg. "Aber die positiven Effekte sind größer als die negativen." Das sei auch der Grund, warum Gebeco nach wie vor in den Iran reist. "Das ist ohne Frage eines der problematischsten Länder in unserem Programm. Aber für die Menschen, die wir dort sprechen, ist das extrem wichtig."

Den Iran als Reiseziel zu boykottieren, hält Rainer Hartmann ebenfalls für falsch: "Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt ist minimal. Ein Reiseboykott würde die Regierung nicht treffen." Großen Druck entfalten könnte so eine Kampagne allenfalls durch das Medieninteresse daran.

Gebeco-Chef Steinweg hält Boykott-Kampagnen ohnehin für schwierig: "Es gibt solche Aufrufe zum Beispiel für Myanmar. Aber wenn einzelne Veranstalter das Land aus dem Programm nehmen würden, fahren die Leute mit einem anderen." Im Web-Zeitalter sei es kein Problem mehr, einen Anbieter für die gewünschte Reise zu finden.

"Hauptsache gutes Wetter"

Die Sensibilität bei diesem Thema dürfe ohnehin nicht überschätzt werden, betont Prof. Hartmann: "Die große Mehrzahl der Deutschen reist mit einem der größeren Reiseveranstalter einfach irgendwohin, nach dem Motto 'Hauptsache gutes Wetter'." Die Rücksicht auf Menschenrechte oder politische Zustände werde zwar wichtiger, spiele aber nach wie vor nur eine kleine Rolle. "Da tut sich was, aber noch viel zu wenig", beobachtet der Tourismusexperte. "Die meisten Reisenden denken höchstens über Sicherheitsaspekte nach."

Auch für die Veranstalter seien das untergeordnete Gesichtspunkte: Gerade wenn ein Ziel, das einem politisch nicht sympathisch ist, für den Reisemarkt immer wichtiger wird, werde es schwierig: "Ein Unternehmen muss schon sehr stark bleiben, wenn es dann auf so ein Ziel verzichtet."

Auch hier hält Hartmann Realismus für angebracht: "Je größer ein Veranstalter ist, umso wichtiger ist für ihn Profitorientierung, und umso mehr zählt nur, ob ein Ziel gut läuft." Das heißt für Hartmann aber nicht, dass sich nichts ändern wird: Touristen seien schließlich ebenfalls Konsumenten - und Konsumenten haben Macht durch ihre Entscheidungen für oder gegen ein Produkt. "Der mündige Tourist, der sich informiert, bevor er sein Reiseziel auswählt, bezieht solche Kriterien mit ein."

Dass korrupte Regime oder Staaten, die immer wieder politisch negative Schlagzeilen machen, ihren Ruf als Reiseland ruinieren können, glaubt auch Peter-Mario Kubsch und nennt als Beispiel Simbabwe: "Wir bieten keine Reisen mehr dahin an, von den Victoria-Fällen abgesehen. Das macht einfach keinen Sinn. Das Regime hat ein so negatives Image, dass die Bereitschaft minimal ist, dorthin zu reisen."

© Andreas Heimann, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: