Tourismus in Ägypten:Hoffnung auf die Rückkehr der Deutschen

Gewalt in Ägypten - Was Urlauber wissen sollten

Urlauber in El Gouna: Bald sollen hier wieder viele Deutsche ausspannen.

(Foto: dpa)
  • Ägypten hofft darauf, dass sich der Tourismus nach dem Absturz eines russischen Ferienfliegers im Oktober 2015 langsam wieder erholt.
  • Um 51,2 Prozent ist die Zahl der ausländischen Gäste im ersten Halbjahr 2016 gesunken. Statt 4,8 Millionen Touristen kamen nur noch 2,3 Millionen.
  • Die großen deutschen Reiseveranstalter sehen, dass die Nachfrage wieder anzieht.

Von Paul-Anton Krüger

Makelloses, tiefes Blau trifft am Horizont auf Türkis mit leichten weißen Kräuseln. Der Himmel und das Rote Meer. Dazwischen lassen sich Kitesurfer an ihren weißen und gelben Schirmen über das Wasser ziehen. Der Morgen in El Gouna ist noch jung, der Sandstrand frisch gerecht, die weißen Liegen unter den Sonnenschirmen aus Palmwedeln sind akkurat arrangiert. Es hat angenehme 25 Grad Celsius, zu Mittag werden es knapp über 30 sein. Die Abende und die Nächte sind lau wie im August in Deutschland. In Ägypten lässt sich jetzt perfekt der Sommer um ein paar Tage verlängern, während Regen und Kälte in Europa langsam wieder das Wetter bestimmen. Sonne ist hier garantiert.

Zwei Dutzend Gäste aus Deutschland erwartet der Mann an der Rezeption für die nächste Woche. "Nicht schlecht", sagt er, aber auch nicht viel für ein Fünfsternehotel mit mehr als 400 Zimmern. Besser aber zumindest als im vergangenen Jahr. Damals, am 31. Oktober, hatte der Absturz eines russischen Charterfliegers mit 224 Menschen an Bord über der Sinai-Halbinsel den Tourismus in Ägypten in die tiefste Krise seit 15 Jahren gestürzt. Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte eine Bombe in den Flieger geschmuggelt, der Urlauber von Scharm el-Scheich nach Sankt Petersburg bringen sollte; alle Insassen wurden getötet.

Um 51,2 Prozent ist die Zahl der ausländischen Gäste im ersten Halbjahr 2016 gesunken, wie das staatliche Statistikamt in Kairo bekannt gegeben hat. Statt 4,8 Millionen Touristen kamen nur noch 2,3 Millionen. In den ersten neun Monaten 2015 waren noch 736 000 Deutsche gekommen. Im ersten Halbjahr 2016 waren es deutlich weniger als im Vergleichszeitraum. Ihre Zahl ging um 6,5 Prozent zurück, im August sogar um 14 Prozent. 2015 war schon nicht das beste Jahr, aber eines, das den Ägyptern Hoffnung ließ auf einen Aufschwung der Branche. Sie ist die wichtigste Quelle harter Währungen, vor allem aber finden Millionen Menschen Jobs im Tourismusgewerbe: Im Rekordjahr 2010 waren es zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung.

Korallenriffe, Schwimmen mit Delfinen, flache Strände: El Gouna hat alles

Den größten Rückgang verzeichnete Ägypten bei den russischen Gästen, einem wichtigen Markt. 2014 kamen von dort drei Millionen Urlauber. Kurz nach dem Anschlag wurden die direkten Flugverbindungen zwischen den beiden Ländern eingestellt. Und obwohl Ägypten einen Auflagenkatalog aus Moskau abarbeitet, in dem Verbesserungen bei den Sicherheitsvorkehrungen gefordert werden, hat die russische Regierung die Flüge bislang nicht wieder aufgenommen. Die Resorts am Roten Meer bangen erneut um die lukrative Weihnachtssaison, denn auch die britischen Chartermaschinen fliegen nach wie vor Scharm el-Scheich nicht an. Zwar reisen mittlerweile verstärkt Gäste aus arabischen Ländern und Osteuropa an - doch den Einbruch bei den russischen und britischen Urlaubern gleicht das nicht aus. Ägypten befindet sich auch deshalb in der schwersten Devisen- und Wirtschaftskrise seit der Revolution 2011.

In El Gouna hofft man ganz besonders auf die Deutschen. "Die sind immer gekommen, die sind treue Gäste und kennen Ägypten", sagt Mohammed el-Gouri, grünes Polo-Shirt, verspiegelte Sonnenbrille und kurze Hose. Der 27-Jährige aus Kairo verkauft Schnorcheltrips und Tauchsafaris am Strand, Fahrten mit dem Glasbodenboot, er spricht Englisch, Deutsch und Russisch, zumindest so viel, dass es für Smalltalk reicht und für das Geschäftliche. "Bei uns kann man mit Delfinen schwimmen", sagt er. Wassersport gehört in El Gouna dazu. Die flachen Strände machen es Anfängern leicht, das Surfen oder Kiten zu lernen - eine Brise weht hier fast immer. Das Wasser ist kristallklar und warm, auch im Oktober braucht man keinen Neoprenanzug. Die Riffe bieten die bunte Artenvielfalt des Roten Meeres: Korallengärten und Schildkröten, Muscheln, Schnecken, Fische, manchmal sogar Haie und die majestätischen Manta-Rochen.

Die künstliche Lagune und der teilweise auf angelegten Inseln errichtete Ort, ein Anfang der Neunzigerjahre von dem ägyptischen Tourismus-Unternehmer Samih Sawiris angestoßenes Projekt, hat sich über die Jahre zum favorisierten Ziel deutscher Touristen an den Stränden des Roten Meeres entwickelt. Das Städtchen ist mit sieben Kilometern Küstenlinie und etwa 20 größeren Hotels deutlich überschaubarer und familiärer als das nur 30 Minuten entfernte Hurghada oder Scharm el-Scheich mit seinen mehr als 60 000 Hotelzimmern, das alleine ein gutes Drittel der Kapazitäten in Ägypten stellt. El Gouna war aber auch nie so verwaist wie Scharm el-Scheich, wo etliche Hotels geschlossen haben, weil kaum Touristen kommen.

In El Gouna kann man ungestört die gepflegte und mit Palmen bestandene Promenade um die moderne Abu Tig Marina entlangschlendern; Autos dürfen hier nur mit Ausnahmegenehmigung fahren. Shuttle-Busse von den Hotels oder Tuk-Tuks bringen die Gäste her. Wer will, kann auch ein Fahrrad ausleihen, es gibt spezielle Wege dafür, ein Unikum in Ägypten. Und die Entfernungen sind nicht groß. Die Fahrt führt durch beleuchtete Straßen und über Brücken entlang der Lagune. Um die Marina warten etliche Restaurants mit Tischen im Freien auf Kunden. Sie haben den Ruf, zu den besten in Ägypten zu gehören.

Immer mehr Badeurlauber kehren zurück

Bei Le Garage Gourmet Burger sitzt man nur wenige Meter entfernt von den Yachten. Hier gibt es Kreationen für Vegetarier mit Camembert, Räucherlachs zwischen knusprig-braunen Rösti oder "The Golden One" mit Wagyu-Rinderfilet, gefüllt mit Carpaccio von schwarzen Sommertrüffeln und Gänselebermousse, das Ganze bedeckt mit einem essbaren 22-Karat-Blattgold - allerdings auch für stolze 435 Pfund, umgerechnet 45 Euro. Ebenso finden sich französische Küche, Italiener oder Thai-Restaurants und nicht zu vergessen gute Fisch- und Meeresfrüchte-Lokale. Neben der Marina gibt es im Stadtzentrum eine Fußgängerzone mit Läden, Restaurants und Cafés. Man ist also nicht auf die All-inclusive-Angebote der Hotels angewiesen, wenn man nicht will.

Die großen deutschen Reiseveranstalter sehen, dass die Nachfrage wieder anzieht. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte Ende März bei einem Besuch in Kairo den Ägyptern bescheinigt, sie hätten die Sicherheit an den Flughäfen "stark verbessert". Das Bundesverkehrsministerium hob die Einschränkungen für Flüge auf, eine Reisewarnung gilt seither nur mehr für den Nordsinai und das Grenzgebiet zu Israel und dem Gazastreifen.

Der Münchner Veranstalter FTI, größter Anbieter für Ägypten, hat seine Kapazitäten schon im Juli wieder erhöht. Firmenchef Dietmar Gunz sagt, von November an biete man wieder das volle Programm an, sogar etwas mehr als vor dem Absturz der russischen Maschine. FTI fliegt von Weihnachten an Scharm el-Scheich wieder an, dazu Marsa Alam, Luxor und Hurghada, über das die Urlauber ankommen, die in El Gouna gebucht haben. El Gouna, die Stadt von Sawiris, der bei FTI Miteigentümer ist, verzeichnet dort den größten Zuwachs.

Kulturtouristen meiden das Land nach wie vor

Reisten in dem Ende Oktober ablaufenden Geschäftsjahr etwa 300 000 Kunden mit FTI nach Ägypten, rechnet das Unternehmen für 2017 mit 500 000 Gästen. Von Anfang November an soll Hurghada von 16 deutschen Flughäfen aus erreichbar sein. Viele Ägypten-Reisende sind nach Angaben von FTI-Chef Dietmar Gunz "Stammkunden, die das Land gut kennen und die Sicherheitslage selber einschätzen können". Diese wüssten, dass es am Roten Meer kein Sicherheitsproblem gebe.

Beim Konkurrenten Tui steuern ebenfalls mehr als 90 Prozent der Kunden die Region Hurghada an. Marsa Alam ist das zweitbeliebteste Ziel. Scharm el-Scheich hingegen spiele praktisch kaum eine Rolle, sagt Unternehmenssprecherin Kathrin Spichala. Dennoch habe man das Ziel vom Winter an wieder im Programm - wie alle anderen großen deutschen Reiseveranstalter. Nach Hurghada fliegt Tui von November an sieben Mal pro Woche von Hannover, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart. Zusätzlich gibt es dienstags eine Verbindung zwischen Frankfurt und Marsa Alam, das 270 Kilometer südlich liegt. "Ägypten hat noch nicht zu alter Stärke zurückgefunden, wir sehen aber positive Tendenzen in der kommenden Wintersaison", sagt Spichala. Das Land habe gute Chancen, sich bei einer stabilen politischen Lage weiter zu erholen.

Indes dümpelt der Kulturtourismus weiter vor sich hin. Aus Deutschland fliegt FTI Luxor von vier Flughäfen aus an, etwa 1000 Gäste pro Woche gehen auf Nilkreuzfahrt. Anders als früher muss bei den Sehenswürdigkeiten niemand anstehen. "Wir würden uns wünschen, dass auch andere Veranstalter Luxor intensiver anbieten würden", sagt FTI-Chef Gunz. Aber selbst die Spezialisten für Studienreisen tun sich schwer, Gäste hierfür zu finden, Studiosus etwa.

Nach einer Studie der Welttourismus-Organisation UNWTO braucht der Tourismus in einem Land im Durchschnitt 13 Monate, um sich von einer Terrorattacke zu erholen. Davon ist Ägypten noch weit entfernt, vor allem, weil nach wie vor keine russischen und nur wenige britische Flieger das Land ansteuern. Unter den Ägyptern kursieren Verschwörungstheorien: Sie unterstellen politische Motive, glauben, dass ihr Land durch das Fernbleiben der Gäste bestraft werden soll. Umso mehr wurde es begrüßt, dass die UNWTO Ende Oktober die Sitzung ihres Exekutivrates in Luxor abhält und dort anschließend einen globalen Kongress zum Thema Städtetourismus veranstaltet. Ägypten rief die Stadt in Oberägypten mit ihren berühmten Tempeln und dem Tal der Könige sogleich zur Welthauptstadt des Tourismus aus.

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