Tourismus:Burka und Bikini

Lesezeit: 2 min

Europäische Urlauber gehen bislang davon aus, dass sich alle nach ihnen richten. Jetzt kommen die Saudis nach Ägypten - das wird spannend.

Von Stefan Fischer

Noch liegt die Hausordnung nicht aus. Denn noch ist nicht einmal der Grundstein gelegt für das neue Urlaubsresort in der Region Scharm El-Scheich, das der ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou dieser Tage schon einmal vorgestellt hat: Es soll vier Milliarden Dollar kosten und der größte Ferienort am Roten Meer werden. Ob jedoch Tui- und Thomas-Cook-Kunden dort Urlaub machen werden, wird man sehen. Der Investor ist ein Geschäftsmann aus Saudi-Arabien, dessen Landsleute ihren ägyptischen Nachbarn derzeit kräftig helfen, den mauen Tourismus anzukurbeln: Mehr als 450 000 Saudis sind 2015 nach Ägypten gereist, zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor - eine Klientel, die in den Ferien nicht unbedingt die gleichen Interessen hat wie die europäische.

Nun wird auch für einen saudischen Geschäftsmann vermutlich das Fressen vor der Moral kommen - vor allem wird er also Gewinne erwarten. Ob er dafür aber die eigenen Sitten und Gebräuche wird ignorieren und sein Feriendorf Europäern in knappen Bikinis und Trinklaune öffnen müssen, sei dahingestellt. Vielleicht ist er auf diese Urlauber nicht angewiesen, vielleicht werden Ferien in diesem neuen Resort halal - rein also, nach der muslimischen Leere (in welch strenger Ausprägung auch immer). Nach Geschlechtern getrennte Strände, kein Alkohol an der Bar, verschleiertes Personal - alles denkbar. Und für westliche Touristen irritierend.

Weißbier auf Bali, Nacktbaden in der Türkei

Denn die sind bislang mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass sich alle nach ihnen richten. Dass den Deutschen auf Mallorca Schnitzel und den Engländern Fish 'n' Chips serviert werden. Dass es Weißbier auf Bali gibt, dass Nacktbaden in der Türkei toleriert wird. Dass sie Gotteshäuser als Sehenswürdigkeiten betrachten können und sich in Indien auf offener Straße küssen können, wann immer ihnen danach ist.

Vang Vieng in Laos
:Vom Partyexzess zur Idylle

Vang Vieng galt als Ballermann Südostasiens, für manche Backpacker endete der Spaß tödlich. Nun soll alles anders sein.

Reportage von Barbara Bachmann

Tourismus war im 20. Jahrhundert im Wesentlichen ein westliches Phänomen. Das verändert sich gerade massiv. Man kann das in der eigenen Stadt beobachten: Immer mehr Touristen benehmen sich auf Reisen wie zu Hause (so wie wir das selbst auch oft tun). Sie spazieren verschleiert durch deutsche Fußgängerzonen, erwarten chinesische Küche oder arabische Hotelzimmer-Ausstattungen. Das hat erst einmal nichts mit Ignoranz gegenüber den lokalen Sitten zu tun; man ist, nur weil man unterwegs ist, schließlich noch kein anderer Mensch. Man muss darüberhinaus auch nicht alles tolerieren, sei es als Gast oder als Gastgeber - und kann sich dem Fremden gleichwohl neugierig aussetzen.

Vielleicht entwickeln sich parallele Strukturen, und am selben Roten Meer kriegen die einen nichts von den anderen mit, obwohl sie nur ein paar Kilometer voneinander entfernt urlauben. Das wird im Einzelfall vielleicht sogar besser sein. Aber die Idealvorstellung einer globalisierten Urlaubswelt ist das nicht - dass sich jeder seine Nische sucht, sein Milieu. Und mit den Touristen ihre bevorzugten Güter um die Welt reisen. Denn für ein Weißbier muss niemand nach Bali fliegen. Und für ein Curry niemand nach München.

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: