Touren zu den schönsten Naturfoto-Schauplätzen:Ich glaub, ich steh im Bild

Der Fotograf Michael Poliza ist bekannt für überragende Naturaufnahmen. Jetzt organisiert er Reisen an die Orte, an denen seine Bilder entstehen. Die Urlauber nehmen dafür offene Hubschraubertüren in Kauf - und dass sie dem Buschfeuer ganz nah kommen.

Jochen Temsch

An der Biegung des Flusses prasselt ein Lagerfeuer. Hinter Schirmakazien geht die Sonne unter, in diesen leuchtenden Rot- und Orangetönen, die außerhalb von Nationalparks nur noch auf den Schutzumschlägen gefühliger Afrika-Romane existieren. Und dann tapst auch noch ein Nilpferd-Junges im Hintergrund umher. Das alles könnte nicht besser zum Abschluss eines Jeepausfluges durch die Masai Mara, den nördlichen, in Kenia liegenden Teil der Serengeti passen. Aber was Michael Polizas Glück in diesem Moment vollkommen macht, ist: dass die Cashewnüsse, die hier zum Gin Tonic serviert werden, in Aluschälchen, nicht in Tupperware liegen.

Wenn wir an Afrika denken, stellen wir uns das Land unserer Kindheitsträume vor", sagt Poliza. Zu dieser Phantasie gehören für ihn wilde Tiere, Sonnenuntergänge, Akazien. Aber definitiv kein Plastikgeschirr.

Auch keine Jeeps japanischer Bauart. Britisch müssen die Wagen sein und bei Picknicks vor den Augen der Gäste hinter Buschwerk verborgen bleiben. Und wehe, einer der Fahrer kommt auf der Foto-Safari zu nahe an die Grenzen des Reservats heran, an die Zufahrtsstraße und die Unterkünfte der Ranger! Das würde die ganze kindliche Vorstellung von der Savanne als unendliche Weite zerstören. Das würde klarmachen, wie viele menschliche Eingriffe nötig sind, um den Eindruck eines zivilisationsfernen Urzustandes zu erzeugen. Es würde das Erlebnis Afrika entzaubern. Und an diesem Erlebnis arbeitet Poliza hart.

Als Fotograf hat er schon von Berufs wegen ein Gespür für besondere Zustände, für den perfekten Moment, in dem alles stimmt, die Bewegungen, das Licht, die Wolken - "Situationen, die die Seele berühren", wie er das nennt. Damit hat er sich international hohes Ansehen erworben.

Er gehört zu den besten Wildlife-Fotografen der Welt", seine "Verbeugung vor der Natur" habe das Genre auf eine neue Ebene gehoben, schreiben die Kritiker von der New York Times über die SZ bis zur Cape Times in Südafrika. Aber die Akribie, mit der sich Poliza auf dieser Reise sogar um Kleinigkeiten wie Nuss-Schälchen kümmert, offenbart noch ganz andere Talente: Hier hält er seine Eindrücke von der Realität nicht in Bildern fest, hier setzt er die Bilder, die Reisende in sich tragen, in die Realität um.

Er inszeniert Erlebnisse, oder, wie er es in seinem dezent hamburgisch gefärbten Kosmopoliten-Denglisch ausdrückt: "Versteckte Jeeps bringen 30 Prozent mehr Experience."

Experience Design" ist das neue Schlagwort der Touristiker. Sie haben beobachtet, dass Menschen, die bereits die halbe Welt gesehen haben, das Ziel einer Reise immer weniger wichtig finden, ihre Erlebnisse dafür umso wertvoller. Deshalb hat sich Deutschlands größter Veranstalter Tui mit Poliza zusammengetan. Der kümmert sich um besondere, eigentlich unzugängliche Orte, ausgefallene Unterkünfte und dramaturgisch durchdachte Tagesabläufe, um "die Spitze des oberen Individualreisemarktes" abzudecken, wie Tui das nennt.

Gemeint sind zahlungskräftige Kunden, für die Luxus nicht darin besteht, dass ihr Hotelbad goldene Wasserhähne hat; Kunden, die auch gerne Kaffee aus Blechbechern trinken, solange sie dazu bei Sonnenaufgang auf dem Kraterrand eines erloschenen Vulkans stehen können. Es geht um Reisen an Orte, die bislang kaum ein Mensch betreten hat, das ist der eigentliche Luxus dieses Angebots.

Dafür soll Poliza mit seinem logistischen Know-how und seinen persönlichen Kontakten sorgen - und werben, als 2.0-Version eines Tierfilmers vom alten Schlag wie Jacques Cousteau oder Heinz Sielmann. Auch sein Outfit passt: Am rechten Handgelenk trägt er lässige Freundschaftsbändchen und einen Silberreif mit Nelson Mandelas Häftlingsnummer 46664; links prangt eine Rolex. Dazu trägt Poliza Dreitagebart, Tropenhemd und Kaki-Shorts, die ein Massai-Gürtel aus bunten Perlen unterm Genießerbauch hält.

In der Fotografie steht sein Name ganz und gar nicht für Kleinigkeiten, sondern für Großformate, Gesamtansichten, das Epische und Grafische in der Landschaft - für gewichtige Bildbände mit Abmessungen, die kaum ins Bücherregal passen. Struktur gewordene Natur wie Ströme erkalteter Lava, Formationen fliegender Flamingos oder Wasserwirbel fressender Krokodile zeigt Poliza aus überraschenden, oft überragenden Perspektiven, etwa vom Helikopter aus.

Aber er ist auch ein humorvoller Beobachter, der stundenlang im Gras kauern kann für den verdutzten Blick eines Erdmännchens, das Gähnen eines Löwen, für eine Giraffe, die ihm ihre Zunge herausstreckt.

Auf der Jeeptour durch die Masai Mara lässt er den Fahrer plötzlich stoppen. Giraffen, Zebras und Impalas grasen friedlich nebeneinander, dazwischen wuseln Warzenschweine. Keiner der Mitreisenden hat etwas Besonderes in der Szene entdeckt. Poliza aber schießt eine ganze Serie. Er ist begeistert: "Was für ein schöner Garten-Eden-Moment!"

Bevor er das Paradies auf Erden gefunden hat, durchlief der 54-Jährige zwei ganz andere Karrieren.

Er musste immer weiter reisen

Als Teenager in den siebziger Jahren war er ein kleiner Fernsehstar. Filmleute hatten ihn im Restaurant seiner Eltern in Hamburg entdeckt. Poliza spielte in rund 80 Produktionen mit, entschied sich dann aber doch für ein Informatikstudium. In den USA lernte er Bill Gates kennen. Mit 21 Jahren gründete er seine erste eigene IT-Firma und machte ein Vermögen. Weitere Unternehmen, einen Börsencrash und eine Sinnkrise später verkaufte Poliza seine Firma und widmete sich der Fotografie.

Der spielerische Umgang mit der Kamera und der Lifestyle als Fotograf gefielen mir", sagt er. Dazu kam der Respekt vor der Natur und der Wunsch, etwas zu ihrem Schutz beizutragen.

Einem breiteren Publikum wurde Poliza mit der "Starship Millennium Voyage" für den Stern bekannt: Er umrundete die Erde drei Jahre lang in einem Schiff, um ihren Zustand zum Jahrtausendwechsel zu dokumentieren. Hinterher konnte er nicht mehr aufhören zu reisen. Er verliebte sich in Afrika.

Unter anderem flog er von Hamburg aus mit dem Hubschrauber nach Kapstadt und entdeckte so die abgelegenen Gegenden, die er später immer wieder fotografierte. "Ich kann schwer beschreiben, was Afrika mit mir macht", sagt Poliza, "es rührt mich im Innersten an. Vielleicht war ich in einem früheren Leben hier Nomade und habe noch ein paar Rechnungen offen."

Die Gedanken sprudeln aus ihm heraus, so schnell, dass er manchmal befürchtet, sein Gegenüber könnte nicht mitkommen. Dann fasst er noch einmal langsam zusammen. Es ist ihm wichtig, dass man ihn richtig versteht. Dass seine treibenden Kräfte Spaß und Anerkennung heißen, und dass das Geld erst an dritter Stelle kommt. Dass es für ihn keinen Widerspruch darstellt, Umweltschützer und Unternehmer zu sein, der Hubschraubertouren organisiert. "Den Geschäftsmann habe ich im Blut", sagt er.

Und was die Fliegerei angeht: "In meinem Kopf bin ich da ganz sauber. Es ist eine ambivalente Sache, aber wir gehen achtsam vor." Es fänden nur wenige Reisen statt, und Kunden, die eine mitmachen, sollen Eindrücke bekommen, die potenziell ihr Bewusstsein verändern können. So habe schon mancher betuchte Gast enorme Summen gespendet, nachdem ihm unterwegs klargeworden sei, wie wichtig Umweltschutz ist.

Die zwei Helikopter für die ersten Gäste warten in Nanyuki. In der Stadt am Mount Kenya gibt es eine kleine Landebahn für Buschflieger. Hier gehen die Piloten runter, wenn sie einen guten Kaffee trinken wollen. Gleich am Airstrip steht "Barney's Restaurant", ein Häuschen, das in Reiseführern als eines der besten Lokale Nordkenias erwähnt wird. Der Mann der Wirtin, der 37-jährige Ben Simpson, ein blonder Sunnyboy mit Narbe am Kinn, arbeitet seit Jahren als Polizas Pilot.

Simpson sagt, er kenne jeden Inch Kenias und könne ohne GPS von Addis Abeba nach Johannesburg fliegen - damit die gespeicherten Koordinaten keinem Konkurrenten in die Hände fielen. Von Nanyuki aus schickt er Mitarbeiter in Jeeps los, um Spritfässer in entlegenen Gebieten zu verstecken, damit er dort tanken kann.

Die Passagiere, die außen sitzen, müssen sich mit Karabinern sichern, denn geflogen wird auf Poliza-Art: "Offene Türen sind was Tolles!", ruft er. Während der andere Helikopter ruhig vor sich hin surrt, geht es in der Maschine des Meisters zu wie in einer Achterbahn.

Links!", "Rotoren hoch!", "Elefant auf drei Uhr" - Poliza dirigiert den Piloten knapp und präzise, so, wie es ihm zum Fotografieren taugt. Obwohl die anderen Passagiere ebenfalls mit Kameras hantieren, ist er der einzige, der die Motive kommen sieht und festhalten kann. Er hängt halb aus der Tür, die Haare unter einer Mütze verstaut, ist hochkonzentriert wie ein Jäger.

Noch näher ans Feuer

Über die Kopfhörer der Bordanlage läuft sphärische Musik von Enya und Gitarrengeschrabbel. Es ist, wie mitten durch Polizas Bildband "Kenya" zu fliegen, nur dass man dabei schon mal bleich werden kann, etwa als Poliza die gigantische Flammenwalze eines Buschfeuers fotografieren will und die Maschine dazu in einem steilen Winkel immer höher über den Rauch schrauben lässt.

Touren zu den schönsten Naturfoto-Schauplätzen: Die Naturwunder im Norden von Kenia sind schwer zugänglich.

Die Naturwunder im Norden von Kenia sind schwer zugänglich.

Weiter geht es über den Lake Bogoria und seine Flamingoschwärme, das Rift Valley entlang nach Norden Richtung Turkana-See, die Wiege der Menschheit, wie paläoanthropologische Funde nahelegen. Die Gefühle, die diese Landschaft auslöst, lassen sich rational nur schwer erklären. Es ist, als würde man sich an etwas erinnern, das man noch gar nie gesehen hat - es ist das ganz große Seelenkino, als spürte man, dass hier der Ursprung von allem ist.

In einem namenlosen Tal voller roter Steinsäulen lässt Poliza landen, es ist einer seiner Lieblingsplätze. "Die Natur ist der genialste Designer", sagt er und ermahnt seine Gäste, bloß keinen der Steine umzutreten, die im Lehmboden stecken, "die sind seit 1000 Jahren unberührt." Zu Fuß bräuchte man Wochen hierher, ein Jeep käme nicht durch, ein Motorrad könnte nicht genug Wasser transportieren, nur Kamele wären eine Option - und sauberer.

Doch Poliza sagt: "Wir hinterlassen den Ort exakt so, wie wir ihn vorgefunden haben." Der Abwind der startenden Helikopter verwischt jeden Fußabdruck.

Emma Hedges ist es egal, wie die Gäste kommen, Hauptsache, es finden mal wieder welche zu ihr. Ihre einfache, hier aber einen Luxus darstellende Lodge "Desert Rose" tut sich beim Anflug im Wald auf wie eine Baumsiedlung der Na'vi im Film "Avatar". Die Hütten liegen auf 1600 Metern Höhe am Mount Ng'iro, einem grünen Riesen mit Granitgipfel inmitten der Wüste. Neben dem Landeplatz hat ein Schamane ein Meditationslabyrinth aus weißen Steinen aufs Gras geformt. Im angenehm kühlen Höhenluftzug klimpern Windspiele.

Die Unterkünfte sind versteckt auf verwinkelten Gartenterrassen. Wände gibt es keine, auch keinen Strom und Internet nur auf einem Felsen, eine halbe Stunde Fußmarsch bergauf entfernt. Aber die Kopfkissen sind mit duftender Blümchenbettwäsche bezogen.

Emma Hedges hat die "Desert Rose" vor 20 Jahren gebaut. Sie lebt von reicher Kundschaft, die ab und zu einschwebt, und von den wenigen Mutigen, die eine gefährliche Passstraße zu ihr nehmen. Schon ihr Vater hatte am Ng'iro Safaris veranstaltet. Für die Lodge musste sie sich erst mit den Samburu arrangieren, denen das Land gehört. Sie gibt den traditionell lebenden Nomaden Arbeit, einen von ihnen hat sie adoptiert.

Am nächsten Tag katapultiert Poliza seine Reisegruppe noch einmal in andere Sphären. Der Flug beginnt in den Bergen über kühlen Zedernwäldern, führt über die Vulkane am Turkana, über die Wüste des Suguta-Tals und endet mit der Landung auf einem Haufen Lavafelsen mitten zwischen Dünen - ein Ritt über unterschiedlichste Landschaftsextreme innerhalb weniger Minuten. Die Passagiere gehen auseinander, jeder setzt sich allein auf einen Stein. Keiner redet mehr.

Poliza ist am Ziel - und zufrieden mit der "Experience". Nur eines hätte er im Nachhinein anders gemacht. Das Buschfeuer. Da, meint er, hätte er doch näher rangehen sollen.

Informationen:

Anreise: Flug mit Swiss ab/bis Deutschland nach Nairobi ab 700 Euro, www.swiss.com Reisearrangement: Die Tui-Tochter Michael Poliza Experiences bietet Expeditionen in Kenia, Namibia, Botswana und Südafrika an. Michael Poliza ist nur auf manchen selbst dabei. Geplant sind weitere Länder. Buchung ab 5. Juli bei MP Experiences, Markgrafenstr. 46, 10117 Berlin, Tel.: 040/307018980, www.mp-experiences.de; Preisbeispiele (pro Person im DZ, zuzüglich Flüge ab/bis Deutschland): Südafrika, zehn Nächte, 11.995 Euro, elftägige Safari in Kenia ab 19.990 Euro.

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