Tipps gegen Flugangst:Hoppla, wir leben ja noch

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Wer schon beim Anblick dieses Fotos ein mulmiges Gefühl hat, sollte sich mit Tipps gegen Flugangst beruhigen.

(Foto: dpa)

Abheben ohne Angst: Wie Schokoriegel, Atemtechniken und kleine Kontrollverluste den angstgeplagten Passagier überzeugen können, dass auf seinem Flug alles gutgehen wird.

Von Katja Schnitzler

Selbst wenn man nicht unter Aviophobie leidet und deshalb den Urlaub auf die Nachbarländer begrenzt, reisen viele Menschen an Bord nicht so entspannt, wie sie gerne wollten. Nach Umfragen haben zehn bis 15 Prozent der Deutschen sehr große Angst vor dem Fliegen, weitere 15 Prozent fühlen sich mehr als unwohl.

Das bedeutet, Sie krallen sich nicht als einziger in die Armlehne. Jeder Dritte an Bord wäre ebenfalls lieber woanders und nicht in Reihe 21, Platz A. Oder Reihe 22, Platz C. Oder Reihe 23, Platz B. Selbst Vielflieger kann die Flugangst ereilen, wenn sie ein traumatisierendes Erlebnis hatten. Da reichen schwere Turbulenzen und der Routinepassagier steigt beim nächsten Flug mit zittrigen Knien ein. Wenn er überhaupt noch einsteigt.

Doch Vermeiden wäre die falsche Strategie. Hinter den bekannten Merksätzen "Blicken Sie der Angst ins Auge!" oder "Wer herunterfällt, sollte gleich wieder aufsteigen!" steckt mehr als ein Körnchen Wahrheit: Angst und die furchterregende Situation wirken aus der Ferne viel schlimmer. Wird die Todesgefahr aber durchstanden, stellen Körper und vor allem Hirn überrascht fest: "Hoppla, wir leben ja noch."

Dann ist das Schlimmste vorbei. Das nächste Mal wird der Gipfel der Angst schon nicht mehr so hoch sein.

Das ist leicht geschrieben, aber weniger leicht getan. Manche leiden unter einer so starken Aviophobie, dass sie aufs Fliegen oder zumindest auf Langstreckenflüge verzichten und lieber Familienfrieden und berufliche Karriere riskieren. Diese Menschen sollten es mit professioneller Hilfe versuchen: Auf meist zweitägigen Flugangst-Seminaren lernen sie, mit der Angst zu leben und zu fliegen. Die Konfrontationstherapie unter Anleitung von Experten hilft fast allen.

Auch für diejenigen gibt es Erleichterung, die ihre Furcht zwar niederkämpfen, sich an Bord aber mindestens unwohl fühlen. Mit den folgenden Tipps lassen Sie beim nächsten Flug zwar vielleicht nicht alle Sorgen und Ängste unter sich - so schlimm wie beim letzten Rückflug sollte es aber nicht wieder werden. (Die Texte sind ein Auszug aus dem SZ.de-Buch "Die wundersame Welt des Fliegens", erschienen in der Süddeutsche Zeitung Edition.)

Bereiten Sie sich vor

Sie werden während des Flugs auf jeden Fall angespannt sein. Also machen Sie es Ihrem Körper nicht noch schwerer, indem Sie ihm zu enge Hosen, einschnürende Kragen oder korsettartige Oberteile zumuten. Am besten wählen Sie einen lockeren Zwiebel-Look, in dem Sie tief durchatmen können und der je nach aufgeregter Hitzewallung oder nervösem Spontanfrost mal mehr, mal weniger Kleiderschichten zulässt.

Bereiten Sie sich noch mehr vor

Viele Menschen haben Angst vor dem Fliegen, weil sie zu wenig darüber wissen. Wer aber erfährt, dass ein Flugzeug selbst dann nicht wie ein Stein vom Himmel fällt, wenn alle Triebwerke versagen, sondern je nach Höhe und Wetter noch etwa 200 Kilometer im Gleitflug schafft, reist künftig entspannter.

Die Demonstration der Rettungsweste und die Anleitung für eine Notwasserung sind reine Pflichterfüllung. Sogar Dauerflieger wie die Flugzeug-Crew müssen gefährliche Situationen während ihrer Laufbahn meistens nur beim Training durchstehen. Und wenn sich das Flugzeug dreht und wendet, ist das Gefühl im Bauch zwar seltsam. Das war es aber auch schon, nichts deutet auf den Beginn einer Notlandung hin. Selbst Turbulenzen werden - wenn sie bekannt sind - möglichst umflogen, denn unter Piloten kursiert der Spruch: "Das Flugzeug hält viel mehr aus als die Passagiere!"

Bleiben noch die seltsamen Geräusche, die an Bord zu hören sind. Erklären Sie dem Flugbegleiter-Team am besten gleich nach dem Einsteigen, dass Sie mindestens flugängstlich sind und daher wohl ein bis zwei Fragen mehr als üblich stellen werden. Und dann fragen Sie: Ob dieses Rattern gerade normal war? Ob die Flügel immer so wackeln? Ob sich der Chefsteward Sorgen um seine Sicherheit macht oder stets so ernst schaut? Und vergessen Sie vor lauter Nervosität nicht, sich für diesen besonderen Antwort-Service auch besonders freundlich zu bedanken.

Buchen Sie den richtigen Platz

Die idealen Plätze sollten sich Flugängstliche am besten beim Vorabend- oder Online-Check-In sichern: Sie befinden sich über den Tragflächen. Nicht um diese stets im Auge behalten zu können (übrigens brauchen die Flügel ein wenig Spielraum nach oben und unten, sonst würden sie brechen, also kein Grund zur Beunruhigung). Über den Tragflächen sind die Bewegungen des Flugzeugs am geringsten zu spüren. Außerdem setzen sich Betroffene besser nicht ans Fenster, sondern an den Gang: Hier haben sie zumindest unbewusst das Gefühl, noch ein wenig ausweichen zu können - auch wenn es nur eine kurze Flucht in den Gang ist. Sind die Plätze direkt über den Tragflächen schon belegt, weichen Sie in den ruhigeren vorderen Teil der Maschine aus.

Alkohol macht es auch nicht besser

Gönnen Sie sich Zeit

Wer in letzter Minute zum Flughafen hetzt, stresst sich durch die Zeitnot. Dieser Druck wird oft gleich in Flugangst umgewandelt. Damit erweist sich der Plan als Trugschluss, so wenig Zeit wie möglich am Airport in Sichtweite des Rollfelds zu verbringen, um so der Panik zu entgehen. Besser ist es, entspannt anzukommen und in der Wartezeit in Bewegung zu bleiben: Beim Herumspazieren, Treppensteigen oder dem Laufen auf Rollbahnen wird überschüssiges Adrenalin abgebaut. Auf Kaffeepausen sollte man besser verzichten, der Puls soll schließlich nicht noch mehr in die Höhe steigen.

Widerstehen Sie der Versuchung

Mit ein paar Gläsern an der Bar oder dem richtigen Medikamenten-Cocktail kann Ihnen die Angst nichts mehr anhaben? Das würde wohl nur funktionieren, wenn Sie am Boden bleiben: Der Kapitän darf Ihnen das Einsteigen verweigern, falls Sie sich zu sehr die Sinne vernebelt haben. Ansonsten wäre es eine andere Art der Vermeidung: Statt sich der Angst zu stellen und sie so zu reduzieren, wird sie noch größer. Und die Furcht vor dem Rückflug bleibt auch. Homöopathische oder pflanzliche Mittel wie Baldrian dürfen Sie aber beruhigt zu sich nehmen. Den Körper auszutricksen und sich dennoch der Situation zu stellen, ist erlaubt. Schließlich entspannt Baldrian, statt zu benebeln.

Stoppen Sie das Gedanken-Karussell

Das Wetter ist gut. Oder? Ist das dahinten etwa eine aufziehende Gewitterfront? Und der Pilot war bei der Durchsage gerade kaum zu verstehen. Lallt der etwa? Jetzt gehen auch noch die Anschnallzeichen an! Und die Flugbegleiter schauen so ernst! Was war das für ein Geräusch? Bitte halten Sie nun vor Ihrem inneren Auge ein großes, rotes Stopp-Schild hoch. Atmen Sie tief durch. Alles ist gut. Denken Sie positiv. Atmen. Ein. Aus. Positiv. Ein. Aus.

Überstehen Sie den Start

Kurz vor dem Abheben, wenn die Maschine beschleunigt und die Passagiere sozusagen den Boden unter den Füßen verlieren, droht die Angst in Panik umzuschlagen. Da sollten die Betroffenen besonders lange ausatmen, um den verkrampften Körper zu lockern. Dabei hilft es, die Muskeln bewusst erst anzuspannen, etwa die Füße in den Boden zu stemmen und die Fäuste zu ballen, und dann lockerzulassen (mehr dazu unter "Machen Sie Ihre Übungen" auf der nächsten Seite).

Mit (An-)Spannung gegen die Angst

Verlieren Sie die Kontrolle

Menschen, die generell Probleme mit Kontrollverlusten haben, leiden beim Abheben besonders. Dann hängt ihr Leben allein vom Können der Piloten und dem Zustand der Maschine ab. Nicht einmal einen Nothalt oder -ausstieg gibt es für den kontrollbewussten Reisenden. Für die anderen zwar auch nicht, aber die leiden nicht unter diesem Mangel an selbstbestimmten Möglichkeiten. Weil daran nichts zu ändern ist, sollten sich alle Reisenden bewusst damit abfinden: Die Situation ist, wie sie ist - aber zum Glück sind die Piloten in Bezug auf das Fliegen weitaus besser ausgebildet als Sie und damit die idealen Personen, um die Kontrolle für eine gewisse Zeit zu übernehmen.

Gestehen Sie sich Ihre Angst ein

Wer sich sagt, dass es völlig in Ordnung ist, in einer für Menschen derart außergewöhnlichen Situation wie dem Fliegen Angst zu haben, mindert dadurch die Furcht - und Begleiterscheinungen wie Übelkeit oder einen nervösen Darm.

Machen Sie Ihre Übungen

Ein wenig Kontrolle behalten die Reisenden doch, nämlich die über ihre Angst. Dies gelingt ihnen mit der richtigen Atemtechnik (tiefes Einatmen und langes Ausatmen, danach kurz Luft anhalten und wieder von vorne. Das hilft übrigens auch bei Schmerzen, Mütter kennen das "Wegatmen" schon.), mit autogenem Training (Der rechte Arm ist ganz schwer. Der linke Arm ist ganz schwer. Das rechte Bein ist ganz schwer. Das linke Bein ist ganz schwer. Mein Kopf ist ganz schwer. Ich bin ganz ruhig.) und mit anderen Übungen zur Muskelentspannung: Bei der progressiven Muskelrelaxation werden bestimmte Körperteile nacheinander sehr bewusst an- und wieder entspannt, sodass die Muskeln letztlich lockerer sind als zuvor. Diese Technik kann man in Kursen, aber auch in Eigenregie leicht lernen.

Lenken Sie sich ab

Was auch immer Sie entspannt, nehmen Sie es mit an Bord, solange es nicht die Sicherheitsvorschriften verbieten. Wer seine Lieblingsmusik hört, ist eher abgelenkt, als wenn er im Bordprogramm verzweifelt die passenden Rhythmen sucht und doch nur Mainstream vorfindet. Den idealen Dreiklang Ablenkung - Konzentration - Entspannung bieten Hörbücher. Die seltsamen Geräusche ringsherum nimmt man so auch nicht mehr wahr.

Warum Pralinen und Chips helfen

Essen nicht vergessen

Selbst wenn die Angst auf den Magen schlägt, sollten Passagiere zumindest eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Wer das Bordmenü nicht herunterbekommt, packt Obst, Schokoriegel oder die Lieblingspralinen ins Handgepäck. Denn wenn zur angstbedingten Übelkeit noch ein niedriger Blutzuckerspiegel kommt, macht das den Flug nicht angenehmer. Zudem signalisieren normale Tätigkeiten wie Essen dem Körper, dass doch alles in Ordnung ist: Schließlich denkt niemand in Todesgefahr an Nahrungsaufnahme. Daher sollten Sie sich auch immer mal wieder erheben, wenn die Anschnallzeichen erloschen sind, und mit der Bewegung ein wenig überflüssiges Adrenalin loswerden. Falls Sie den sicheren Platz nicht verlassen wollen, hilft auch Bord-Gymnastik im Sitzen.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Dieses Sprichwort gilt auch für Flugphobiker: Die beste Ablenkung ist eine nette Begleitung, die idealerweise kein Problem mit dem Fliegen hat, aber Verständnis für Ihre Gefühlslage. Alleinreisende müssen sich eben mit dem Sitznachbarn anfreunden, ist ja nur auf Zeit.

Belohnen Sie sich

Sie haben überlebt, sind nicht in Panik verfallen und konnten sich sogar ein wenig mit dem Sitznachbarn unterhalten? Belohnen Sie sich selbst gleich nach dem Flug, am besten mit einem Einkauf, auf den Sie sonst verzichtet hätten. Schließlich muss die Flug-Situation im Unterbewusstsein positiv besetzt und abgespeichert werden, denn das nächste Abheben kommt bestimmt. Spätestens beim Rückflug.

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