Tipps für Moskau:Turnschuhe gehören nicht ins Bolschoi

Wo Touristen in der lauten und extravaganten Metropole das ganz normale Russland erleben können, warum sie im Taxi Kleingeld dabei haben sollten und welche Kleiderordnung beim Ausgehen angemessen ist: Städtetipps für Moskau.

Frank Nienhuysen

Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat SZ-Korrespondenten in europäischen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Frank Nienhuysen erklärt, warum man in Moskau jederzeit auf Überraschungen gefasst sein muss, welche Sehenswürdigkeiten sich lohnen und wo man inmitten der hektischen Metropole Momente der Stille erleben kann.

Städtetipps vom SZ-Korrespondenten für Moskau

Lichterglanz am Roten Platz mit dem Kreml und der Basilius-Kathedrale

(Foto: Pavel Losevsky - Fotolia)

Was macht Moskau als Stadt aus?

Moskau kann man nicht einfach genießen, man muss es sich erarbeiten. Die größte Stadt Europas ist hart, extravagant und laut, erstickend, voll, aber auch dynamisch, überraschend, und immer spannend. Hinter hässlichen Fassaden finden sich die schönsten Restaurants; selbst grimmig dreinblickende Männer machen in der Metro sofort Platz, wenn sie eine Familie mit Kindern sehen; man geht auf krummen, schmutzigen Treppen, um zu den schicksten Orten zu gelangen; die Metro ist laut und miefig, führt aber zu spektakulär kunstvollen Stationen. In Moskau muss man auf vieles gefasst sein, außer auf Langeweile.

Diese Sehenswürdigkeiten dürfen Sie nicht verpassen:

Den Roten Platz mit dem Kreml, dem Kaufhaus Gum und der verspielten Basilius-Kathedrale; das Neujungfrauenkloster mit dem angrenzenden Friedhof, auf dem die illustrierten Grabsteine vom früheren Leben der Verstorbenen erzählen (ein Flugzeug vom Konstrukteur Tupoljew, ein Tänzerin-Relief von einer Ballerina, die russische Flagge von Boris Jelzin). Einen Spaziergang an der üppigen Twerskaja-Straße über den Majakowskij- Platz und den Puschkin-Platz. Ein Besuch des Bolschoi-Theaters und der Tretjakow-Galerie. Schön, weil grün und ruhig inmitten der Stadt, ist auch Kolomenskoje, die ehemalige Sommerresidenz des Zaren.

Was ist noch sehenswerter - doch nur wenige Urlauber wissen davon?

Im Sokolniki-Park können Touristen das ganz normale Russland erleben: Moskauer, die Schach spielen, an Plastiktischen Schaschlik essen, rollerbladen, bummeln, im Freien tanzen. Etwas versteckt und doch mitten in der Stadt liegt der kleine Eremitage-Garten (Sad Ermitage, Karetny Rjad 3 Metro: Puschkinskaja/Majakowskaja). Dort kann man sich im Sommer ins Gras legen oder draußen im usbekischen Restaurant auf den weichen Sesseln beim Wein ausharren. Im Winter ist es ein romantischer Ort, um unter freiem Himmel und bunten Lampen Schlittschuh zu laufen.

Welches Viertel sollte man unbedingt besuchen?

Die alte Schokoladenfabrik Krasnyj Oktjabr (Roter Oktober) am Ufer des Moskwa-Flusses gegenüber der Christi-Erlöser-Kathedrale, ein Konglomerat aus Galerien, Cafes, Restaurants und kleinen Läden. Schön sind die Straßen rund um den Patriarchen-Teich, sowie Kitai-Gorod, das älteste Viertel Moskaus.

Den schönsten Blick ...

Der Blick von den Sperlingsbergen nahe der Universität ist sehr schön, kaum schlagbar aber ist die Rundum-Aussicht von der Cafe-Lounge im Turm des Swiss Hotel.

Das können Sie sich sparen:

Die Alte Arbatstraße. Es ist zwar eine Fußgängerzone, was in Moskau allein ein Segen ist, doch in den Geschäften und an den Ständen findet man überall den selben Touristen-Kitsch (überteuerte Matrjoschkas und andere Souvenire).

Tipps für Transport und Essen

Hier finden Sie Frank Nienhuysens Empfehlungen für Ihren Weg durch die Stadt und für kleinere und größere Mahlzeiten.

Städtetipps vom SZ-Korrespondenten für Moskau

Die Metro ist das zuverlässigste Verkehrsmittel in Moskau und bietet zudem sehenswerte Haltestellen.

(Foto: AFP)

So kommen Sie durch die Stadt:

Definitiv mit der Metro, denn sie ist das einzig planbare Fortbewegungsmittel. Es sei denn, es ist sehr spät am Abend und die Straßen sind wieder befahrbar.

Damit sollten Sie unbedingt fahren:

Im Sommer mit einem Boot durch die vielen Flusswindungen der Moskwa, vorbei am Kreml, der Erlöser-Kathedrale, dem Gorki-Park, der Universität bis zum Kiewer Bahnhof. Die entspannendste Art des Sightseeings. Hip ist eine Fahrt mit einer Kleingruppe in einer der vielen Stretchlimousinen am Abend durch Moskau (ist sehr viel billiger als es sich anhört).

Steigen Sie bloß nicht in ...

... ein Taxi, ohne vorher klar den Preis ausgehandelt zu haben. Und achten Sie darauf, nicht nur große Scheine dabei zu haben. Der Fahrer wird sicher sagen, er könne nicht herausgeben.

Wenn Sie hungrig sind, probieren Sie auf jeden Fall ...

... Borschtsch, die leicht süßliche Rote-Beete-Suppe, ein typisches Schaschlik und Syrniki (kleine Quark-Pflanzerl).

Das schönste Café:

Auch wenn es in jedem Reiseführer steht: das extrem gediegene Cafe Puschkin mit alten Bücherschränken und Standuhren.

Das beste Restaurant:

Es gibt viele georgische und usbekische Restaurants, die fast durchweg hervorragendes Essen anbieten, garniert mit Folklore und kaukasischem, zentralasiatischem Flair. Wenn es etwas Besonderes, Teures sein muss: Das Fischrestaurant Sirena, in dem Fische unter dem durchsichtigen Boden schwimmen, oder der aristokratische Goldtempel Turandot, in das der Besitzer 50 Millionen Dollar investierte und an dem Handwerker und Künstler jahrelang arbeiten mussten.

Der Imbiss für unterwegs:

Bliny, den Pfannkuchen ähnlich, mit einer Auswahl je nach Tageszeit und Lust von süß (Honig, Marmelade) bis deftig (mit Pilzen, Kaviar und anderem).

Nachtleben und Kniggefragen

Nachts in Moskau: Wo Sie den Abend beginnen und wie es weitergeht.

Städtetipps vom SZ-Korrespondenten für Moskau

Wer in Moskau abends ausgeht, zum Beispiel ins Bolshoj-Theater, sollte sich nicht zu lässig kleiden.

(Foto: AFP)

Typisch für das Nachtleben in Moskau ist ...

...dass die vielen Frauen mit den hohen Stiefeln und den kurzen Röcken in der Regel normale Russinnen sind und nicht etwa Prostituierte.

Hier beginnt man den Abend:

Mit Livemusik im Club Duma oder dem beengt gemütlichen Kwartira 44, in dem man schauen muss, dass man beim Weg Richtung Toilette den Musikern nicht das Instrument aus der Hand stößt.

Hier wollen alle rein:

Club b2, der von sich behauptet, einer der größten Clubs in Europa zu sein. Ein gewaltiges Konglomerat aus Technohalle, Jazz-Restaurant und Keller mit Russen-Pop.

Dabei ist es hier viel besser:

Im Club Masterskaya, mit deutlich kleinerer Bühne, alternativ und musikalisch sehr vielseitig (Klemer, Ska, etc.).

Der beste Platz für den Sonnenaufgang:

Worobjowy Gory (Sperlingsberge) in der Nähe des Luschniki-Stadions. Nach einer langen Nacht kommen für gewöhnlich auch die Abiturienten nach dem Abschlussfest hierher.

Mit diesem Satz kommen Sie überall zurecht:

"Wsjo normalno" (gesprochen: narmalna), was so viel heißt, wie: "alles ok, passt schon, nichts passiert, alles bestens".

Darüber spricht man in Moskau:

Über den Stau auf den Straßen. Der ist täglich garantiert und kann leicht die komplette Tagesplanung durcheinanderwerfen, weil natürlich auch die Busse betroffen sind.

Vorsicht, Fettnäpfchen:

Nicht allzu leger anziehen beim Ausgehen. Wenn die Russen ausgehen, dann wollen sie zeigen, was sie haben. Also: Besser nicht mit Turnschuhen ins Bolschoi-Theater!

Frank Nienhuysen, geboren 1966, studierte Slawistik, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Berlin, München und Moskau. Nach einem Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung arbeitete er dort von 1999 bis 2004 als Nachrichtenredakteur. Von 2004 bis 2008 war Frank Nienhuysen in der Außenpolitik-Redaktion zuständig für Osteuropa, seit 2008 ist er Korrespondent in Moskau für Russland, Kaukasus und Zentralasien.

In einer wöchentlichen Serie auf Süddeutsche.de verraten SZ-Korrespondenten ihre Tipps für Städtereisen. Bereits erschienen sind Kai Strittmatters Empfehlungen für Istanbul, Stefan Ulrichs Insider-Tipps für Paris, Peter Münchs Anregungen für Tel Aviv und Gunnar Herrmanns Ratschläge für Stockholm. Am nächsten Mittwoch, 18. April, führt Sie Javier Caceres durch Madrid.

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