Tegernsee:Die Grande Dame der Kosmetik

"Der ganze Jugendlichkeitswahn ist doch lächerlich" - zu Besuch bei Gertraud Gruber, die vor 50 Jahren die erste Schönheitsfarm Europas in Rottach Egern gründete.

Christian Sebald

Nur kurz schwingt die Tür zum Speisesaal zur Seite, und schon wird das muntere Geplauder leiser.

Massage; ddp
(Foto: Foto: ddp)

Alle Blicke richten sich auf Gertraud Gruber. Eigentlich hat die zierliche Frau gerade keine Zeit, doch dann gibt sich die 84-Jährige einen Ruck. "Guten Abend, die Damen", ruft sie mit mädchenhafter Stimme in den Raum. "Fühlen Sie sich wohl?"

Von den Tischen ertönt beifälliges Gemurmel, die Tür schwingt zurück, Frau Gruber ist schon ein paar Schritte weiter, als sie sagt: "Auf das Wohlgefühl kommt es an. Ist es vorhanden, stellt sich die Schönheit von selbst ein." Und dann, sehr entschieden: "Der ganze Jugendlichkeitswahn ist doch lächerlich."

"Pionierin in punkto Wellness"

Wenn jemand ein solches Urteil zusteht, dann Gertraud Gruber. In ihrer "Schönheitsfarm Gruber" im oberbayerischen Rottach-Egern, die am 1. Oktober 50-jähriges Bestehen feierte und die erste ihrer Art in Europa war, hat die "Grande Dame der Kosmetik" Generationen von Frauen betreut, Jüngere und Ältere, Geschäftsfrauen und Hausfrauen, Reiche und weniger Betuchte, vor allem aber Prominente wie Nadja Tiller, Catarina Valente, Heidelinde Weis oder Loki Schmidt, und tut das nach wie vor.

Die meisten Damen - Gruber spricht nur von "den Damen" und höchstens noch von "den Gästinnen" - sind zwischen 50 und 70 und kommen seit Jahren auf die Schönheitsfarm.

Viele sind mit Gruber älter geworden, die eine oder andere nimmt inzwischen sogar ihre Tochter oder Enkelin mit. Immer wieder tauchen aber auch neue Gesichter auf.

"Der Generationenwechsel war noch nie ein Problem", sagt Gruber, von der es in der Szene ehrfürchtig heißt, sie sei schon "Pionierin in punkto Wellness" gewesen, als noch Jahrzehnte vergehen sollten, bis der Begriff erfunden wurde.

So vergeht auch nach 50 Jahren kaum ein Tag, an dem die Schönheitsfarm unweit des Tegernsees nicht ausgebucht ist. Jahr für Jahr betreuen Gruber und ihre 120 Mitarbeiterinnen in dem gediegenen Landhaus, das vor lauter Anbauten recht verschachtelt wirkt, 5000 Damen.

"Runzelranch"

Die meisten kommen für eine Woche, nur wenige mieten sich für zwei oder gar drei ein. Auch die Kosmetikerinnen, die Gruber in ihrem Schulungszentrum gleich nebenan fortgebildet hat, zählt sie längst nach Tausenden.

Und die Palette der Crèmes, Badezusätze, Tonics, Tees und all der anderen Präparate, die Gruber unter dem Logo einer stilisierten grünen Rose entwickelt hat und über eine eigene GmbH vertreibt, ist schier unübersehbar. Längst sind die Produkte auch in Taiwan oder Japan gefragt.

Dabei hat sich Gertraud Gruber nie irgendwelchem schnelllebigem Schnickschnack hingegeben. Ihr Rezept, wenn denn der platte Begriff erlaubt ist, ist über all die Jahre hinweg gleich geblieben: "Man muss die Damen als Einheit aus Körper, Geist und Seele begreifen. Schönheit ist immer das Ergebnis von innerer und äußerer Harmonie und deshalb sichtbare Gesundheit."

Es ist diese Einheit, die Gruber von frühester Jugend an wollte, wenn auch nicht sofort in Sachen Schönheitspflege. Nach der Schule, in den späten dreißiger Jahren, begann die Münchnerin eine Ausbildung als Ausdruckstänzerin.

Die Grande Dame der Kosmetik

Dann kam der Zweite Weltkrieg und Gruber musste ihre Träume aufgeben. Stattdessen lernte sie Heilgymnastin, gegen Kriegsende betreute sie in einem Lazarett am Tegernsee schwer verletzte Soldaten. "Schon damals habe ich gemerkt, wie wohl eine Massage tun kann", sagt Gruber, "bei einem Verwundeten konnte ich dadurch sogar eine Gesichtslähmung lösen".

Nach dem Krieg blieb die 24-Jährige am Tegernsee, wo sie später auch ihren Mann Josef kennen lernte, und wurde auf Anregung einer Freundin Kosmetikerin. "Wir waren ja Aufbau-Frauen und ich wollte eine berufliche Perspektive."

Heimliche Hausbesuche

Aus dieser Zeit weiß Gertraud Gruber, die bei aller Eleganz erstaunlich bodenständig geblieben ist, viele Anekdoten zu erzählen. Etwa die, dass sie zu ihren ersten Kundinnen - "ich machte damals ausschließlich Hausbesuche" - nur heimlich kommen konnte, wenn deren Männer beim Kartenspielen waren. "Denn die haben überhaupt nichts von meiner Pflege gehalten."

Oder die, wie sie sich von einer Sennerin Heilkräuter für ihre ersten Cremes besorgen ließ und sie mit Alkohol ansetzte, "bis mir einmal das Ganze beim Erhitzen um die Ohren geflogen ist".

Und schließlich die von ihrer "Geschäftsidee": "Ich haben damals wie alle von ein bisschen Luxus geträumt, von einem entspannenden Bad oder einem gemütlichen Frühstück im Bett. Und dann habe ich gedacht, warum bietest Du das nicht anderen an."

Dann, am 1. Oktober 1955, war es so weit: Gertrud Gruber eröffnete ihr erstes Haus mit zwölf Gästezimmern. Und zwar in einer ehemaligen Silberfuchsfarm, was sie prompt zu dem Namen "Schönheitsfarm" inspirierte.

Von Anbeginn waren nur Frauen zugelassen. "Schließlich sollten sich die Damen ungezwungen bewegen können, und das tun sie nicht, wenn Männer anwesend sind." Kein Wunder, dass die Einheimischen das Treiben argwöhnisch betrachteten, sie sprachen alsbald nur von der "Runzelranch". Doch so rasch wie der Erfolg kam, so rasch legte sich das Gerede.

So wie Gertraud Gruber im Lauf der Jahre ihre Schönheitsfarm immer weiter aus- und umgebaut hat, so hat sie ihre Behandlungsmethoden perfektioniert, ohne freilich bewährte Konzepte aufzugeben.

Geistige Komponente

Die manuelle Lymphdrainage etwa gehört nach wie vor ihrem Standardprogramm - Gruber war 1957 die erste Kosmetikerin in Deutschland, die sie anbot. Heute heißt das "Hydro-Wellness plus", "Energetisches Lifting" oder "Bio-Release".

Auch die Ernährungsprogramme sind immer ausgeklügelter und vor allem leichter geworden, seit acht Jahren kann man sogar "basische Entsäuerungswochen" buchen.

Und auf die "geistige Komponente" legt Gruber, die seit über 20 Jahren dem Benediktiner-Pater und Zen-Meister Willigis Jäger freundschaftlich verbunden ist, seit den frühen sechziger Jahren besonders viel Wert, als sie sich zur Yoga-Lehrerin ausbilden ließ. Die Yoga-Kurse für die Damen hält sie übrigens immer noch selbst, ebenso die Lektionen in Qi Gong und Shiatsu, die inzwischen zum festen Programm gehören.

Überhaupt ist Gertraud Gruber immer noch sehr präsent, egal ob in den Behandlungsräumen im Untergeschoss, im Hallenbad, in den holzgetäfelten Aufenthaltsräumen oder im Garten, wo die Frauen nachmittags in Liegestühlen von den Behandlungen ausruhen können. "Denn", so sagt sie wieder sehr entschieden, "die Damen müssen ja behütet werden."

Dafür steht die 84-Jährige sogar schon morgens um acht an der Rezeption und ruft ihnen auf ihrem Weg in den Speisesaal freundlich zu: "Guten Morgen, fühlen Sie sich wohl?"

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