Taos Ski Valley:Der Berg lebt

Die Gipfel rund um das Taos Ski Valley in New Mexiko sind den Indianern heilig - noch dazu gilt es als eines der anspruchsvollsten Skigebiete Nordamerikas. Nicht jeder darf hier hinabfahren.

Antonio Zuni sieht ein bisschen wie Winnetou aus. Blauschwarze Haare fallen als Pferdeschwanz glatt und glänzend auf breite Schultern. Kupferne Haut, edles Profil, stolzer Blick - nur die grellen Carving-Skier stören die Karl-May-Reminiszenz. Ein Mustang würde besser ins Bild passen.

Der Pueblo-Indianer arbeitet als Skilehrer im Taos Ski Valley, einem kleinen Wintersportort im Norden des US-amerikanischen Wüstenstaates New Mexico. Doch hoch zu Ross würde er im Schnee von Kachina Peak, der mehr als 3800 Meter aus einer Hochebene rot verbrannter Tafelberge aufragt, sicher versinken.

Wie im amerikanischen Südwesten fühlt man sich in diesem Sackgassen-Canyon zuerst nicht. Der spitze Turm der Talstation mit Mittelalter-Motiven wie Burgfräulein und bärtigen Barden passt besser in die Alpen. Kein Wunder, denn gegründet hat das Resort der Deutsch-Schweizer Ernie Blake, den das Heimweh geplagt haben muss.

Ein "Hotel St. Bernard" und "Edelweiß" gibt es, hölzerne Balkone mit Geranienkästen sowie einen "Ratskeller". Und der Skikindergarten heißt "Kinderkäfig". Die Blakes - Ernie starb 1989, aber das Skigebiet ist weiter ein Familienbetrieb - haben einen sehr eigenen Humor.

Aus dem Cockpit-Fenster eines Cessna-Flugzeugs hatte Vater Blake das perfekte Gelände ausgespäht: schroff und unzugänglich mit 51 Prozent schwierigen schwarzen Pisten, darunter ein Dutzend halsbrecherisch enger Felsscharten.

Taos gilt als eines der anspruchsvollsten Skigebiete Nordamerikas - kein Après-Schickimicki, sondern eine sportliche Herausforderung. Vielleicht deshalb sind hier keine Snowboarder erlaubt, die Ski-Pioniere wie Blake wohl nie ganz ernst genommen haben.

"Taos, ein Vier-Buchstaben-Wort für steil", lautet ein offizieller Werbespruch. Wer sich erholen will, fährt lieber woanders hin, verkünden Stammgäste vollmundig. "So ein Quatsch!", sagt Antonio, schüttelt den Kopf und zeigt mit dem Skistock auf ein großes gelbes Schild am Fuße von Al's Run, einem Abschrecker-Abhang für jeden Anfänger.

"Keine Panik", steht in roten Buchstaben darauf, "wir haben auch viele einfache Abfahrten". Knapp ein Viertel, um genau zu sein.

1956 wurde der erste von zwölf Liften gebaut. Geholfen hat ein Trupp indianischer Arbeiter. Aus dem legendären Pueblo de Taos kamen sie, etwa 25 Kilometer die kurvige Hochstraße hinunter. Seit mehr als 1000 Jahren ist das Indianerdorf permanent bewohnt. Die Unesco zählt es seit 1992 zum Weltkulturerbe.

Heute leben noch 150 Menschen dauerhaft in den zwei mehrstöckigen, aus mächtigen Holzbalken und schlammbraunen Lehmziegeln errichteten Häusergruppen zu beiden Ufern des Red Willow Rivers. Sonst gibt es in dem Reservat kein fließendes Wasser, keinen Strom oder Sanitäranlagen - eine bewusste Entscheidung der Ältesten.

Tourismus scheint dennoch die größte Verdienstquelle zu sein. Ohne Eintrittskarte dürfen Urlauber nicht hinein. Von flackernden Propangaslampen beleuchtet, werden in den wenigen öffentlich zugänglichen Wohnräumen Silberschmuck, Tontöpfe, Trommeln und Flöten verkauft.

Die Spanier haben sich die praktische Bauweise abgeguckt. Das moderne Städtchen Taos, einst Kolonialsiedlung aus dem 17. Jahrhundert, liegt nur zehn Autominuten weiter und ist heute eine hübsche Künstlerkolonie mit vielen Galerien. Mehrmals täglich fährt ein Shuttle-Bus aus dem Skigebiet zur historischen Taos Plaza in der Ortsmitte.

Im Winter schmücken Adventskränze aus feuerroten Chili-Schoten die geschnitzten Holztüren. "Luminarias" - Kerzen in sandbeschwerten Papiertüten - beleuchten die Gehwege. Das warme Braun der Lehmhäuser ist von weißem Pulverschnee bedeckt.

So friedlich war es nicht immer, sagt Antonio Zuni.

Der Berg lebt

Er berichtet von der Pueblo-Revolte 1680, einem blutigen Aufstand gegen die Spanier. Als Kulturbeauftragter des Skigebiets lehrt er auf Bergführungen nicht nur den richtigen Stockeinsatz, sondern erzählt auch die Geschichte seines Volkes.

Auch wenn die Stammesleitung noch jüngst darauf bestand, dass das alte Logo des Resorts geändert wird - eine ulkige Indianer-Figur auf Skiern mit fliegenden Zöpfen und Lendenschurz -, haben neue und alte Taos-Einwohner inzwischen doch längst ihren Frieden miteinander gemacht.

Antonio wendet sein Gesicht zum Himmel. Für die Pueblo-Stämme sind die Gipfel um Taos heilig. Nicht weit von hier, am eisblauen Bergsee Blue Lake, so glauben die Ureinwohner, sind sie aus der Unterwelt in die neue Dimension eingetreten.

"Das war mitten im Winter", erklärt Antonio. Für sein Volk hat die kalte Jahreszeit darum eine große Bedeutung. Für ihn persönlich wird eine Skitour zum spirituellen Erlebnis. "Der Berg lebt", sagt der Indianer leise. Der eisige Wind sei eine Umarmung, glitzernde Schneekristalle ein Augenzwinkern.

"Ma qedveche", betet Antonio Zuni zum Schluss in seiner melodischen Muttersprache Tiwa, "möge der Schöpfer Euch behüten".

Die nun herabschwebenden dicken weißen Schneeflocken sind bestimmt ein gutes Zeichen.

Informationen:

Anreise: Lufthansa fliegt von Frankfurt/Main und München nach Denver in Colorado. Von dort sind es gut fünf Stunden Autofahrt in Richtung Süden nach Taos. Näher an dem Skiort liegt New Mexicos Hauptstadt Albuquerque - von dort sind es drei Stunden Fahrt.

Allerdings müssen Flugreisende dorthin mindestens einmal in den USA umsteigen. Deutsche Urlauber brauchen für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen kein Visum, aber einen maschinenlesbaren Pass. Nach dem 26. Oktober 2005 ausgestellte Pässe müssen biometrische Daten aufweisen.

Reisezeit: Die Skisaison in Taos dauert im Winter 2007/08 vom 22. November bis zum 30. März.

Weitere Informationen: New Mexico Tourism Office, Neumarkt 33, 50667 Köln (Tel.: 0221/233 64 06); Taos Ski Valley, Post Office Box 90, Taos Ski Valley, New Mexico 87525, USA. www.newmexico.org, www.skitaos.org.

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