Synchronsprecher:Männerliebe

Kinderbuch als Bühnenshow: Die Live-Hörspiele der Drei ??? befördern den Kult um sie. Ein Interview mit Jens Wawrczeck.

Interview von Stefan Fischer

Drei Jugendliche, die in Kalifornien Kriminalfälle lösen: Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews sind Helden für jede Generation von Kindern in Deutschland seit 1968 - damals erschien der erste Band von "Die drei ???" in deutscher Übersetzung. Die Reihe wird wegen ihres Erfolgs hierzulande weitergeführt, obwohl sie in den USA 1994 eingestellt worden ist. Zur Popularität tragen die Hörspiel-Adaptionen der Krimis bei. Seit 2002 treten die Sprecher Oliver Rohrbeck (Justus), Jens Wawrczeck (Peter) und Andreas Fröhlich (Bob) zudem mit "Drei ???"-Bühnenshows auf. Dabei verwandeln sie jede noch so schnöde Halle in den fiktiven Sehnsuchtsort Rocky Beach.

Herr Wawrczeck, warum schreibt sich der Erfolg der "Drei ???" derart fort?

Jens Wawrczeck: Wir werden vererbt. Menschen, die mit uns Kindheitserinnerungen verbinden, möchten uns in ihrem Leben behalten. Das klappt, wenn sie ihre Kinder "Die drei ???" hören lassen. Auch wenn ich mir den Kultstatus nicht ganz erklären kann, fiel der Beginn in eine sonnenbeschienene Stunde des Hörspiels: Die Folgen spielten in Amerika. Das war damals ein weit entferntes Land, man konnte alles behaupten. Die Cover waren sehr einprägsam und stylish, nicht unbedingt wie bei Kinderhörspielen, daher konnten auch Erwachsene das kaufen, ohne rot zu werden. Inzwischen ist das ein Familien-Produkt, bei den Live-Auftritten versammeln sich die Generationen, jeder hat seine eigene Assoziation.

Die Geschichten bedienen Heldenfantasien von Heranwachsenden; zugleich kriegen Erwachsene erzählt, dass die Dinge in einer vermeintlich komplizierten Welt mit Tatendrang und Aufrichtigkeit ganz einfach zu regeln sind. Ist das der Trick?

Wir stehen in der Tradition erfolgreicher Kinderbücher, die den Erwachsenen zeigen: Ihr wisst nicht alles, ihr könnt nicht alles. Zudem sind Justus, Peter und Bob sozusagen Teile eines gesplitteten Menschen. Jeder steht für verschiedene Eigenschaften: Justus ist das Gehirn, Peter eher die Emotion, Bob erdet alles.

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Und schon ist man wieder in Rocky Beach: (v. l.) Andreas Fröhlich, Jens Wawrczeck und Oliver Rohrbeck bei einem ihrer Live-Auftritte.

(Foto: Lutz Rohrbeck, Illustration: Alper Özer)

Haben sich die Hauptfiguren und ihre Geschichten über die Jahrzehnte verändert, vielleicht auch verändern müssen - um diejenigen zu bleiben, die sie sind?

Veränderungen sind nötig, um dem Zeitgeist gerecht zu werden - vor allem bei technischen Neuerungen. Aber alles, was diesen Kosmos zu sehr aus der Balance bringt - Freundinnen etwa - wird vom Publikum nicht akzeptiert und hat die Geschichten auch nicht befruchtet. Die Erotik findet zwischen uns dreien statt. Und je nostalgischer die Geschichten sind, desto besser funktionieren sie meines Erachtens. Auf keinen Fall wollen wir sprachlich hipp sein, wir verwenden keine extremen Schimpfwörter. Morde passieren eigentlich nie. Es ist dann vielleicht von Toten aus der Vergangenheit die Rede, aber es ist, glaube ich, noch nie richtig Blut geflossen.

Wie ticken Serienfiguren, damit sie für mindestens eine Generation das Potenzial zu Kindheitshelden haben?

Sie müssen authentisch sein. Meine Helden haben eine Haltung und enttäuschen mich darin nicht. Sie verkörpern ein Ideal, aber eines mit Schwächen. Glatte Helden sind uninteressant. Eine Identifikation muss schon möglich sein. Ein Held ist im Grunde jemand, der uns in einer idealen Form zeigt. Und "Die drei ???" zeigen eine ideale Form der Freundschaft.

Wie ist das, wenn man selbst mit einem Kindheitshelden identifiziert wird?

Ich war ein Junge, der überhaupt nicht so funktioniert hat wie Peter Shaw. Ich hatte nicht so eine Freundesgruppe, war sehr schüchtern. Insofern habe ich mich mit den "Drei ???" nie identifiziert. Heute fühle ich mich privilegiert durch den Jubel, den wir bekommen. Es ist nicht wirklich unsere Leistung, die gefeiert wird, sondern eher das Produkt, weil es das so lange und immer noch in der gleichen Konstellation gibt. Man muss höllisch aufpassen, nicht seine Person zu verwechseln mit der Wichtigkeit, die die Figur für das Publikum hat.

Welche Helden standen Ihnen nahe?

Ich habe sehr lange Märchen gelesen, vor allem die Andersen-Märchen. Dann habe ich die ganzen Lindgren-Bücher verschlungen. Meine Kindheitshelden aber waren - und sind es immer noch - vor allem die großen Entertainer im amerikanischen Kino der 1950er- und 1960er-Jahre. Doris Day, Rock Hudson, Fred Astaire, Ginger Rogers. Ich war ein Musical-Mensch. In diese heile Welt wollte ich gerne.

Warum funktionieren die Bühnenshows so gut? Realisiert sich da eine Fantasie?

Es gibt sicher eine Neugier, uns zu sehen. Aber vor allem eine Sehnsucht nach dem Gemeinschaftserlebnis. Als ob man in eine Kirche geht. Und: Wenn ich ein Juliette-Gréco-Konzert besuche, merke ich, dass diese Frau - sie ist jetzt fast 90 - alles meint, was sie sagt. Das ist für mich ein beglückendes Erlebnis, weil ich nicht enttäuscht werde von jemandem, den ich sehr verehre. Unser Publikum möchte überprüfen: Sind meine Helden so, wie ich hoffe, geben sie mir das, was ich brauche? Wenn ich Theater spiele, sprechen mich öfter jüngere Kollegen an, etwas verschämt, und sagen, sie schlafen jeden Abend mit mir ein. Wie schade, sage ich, davon habe ich leider nie etwas. Aber das ist natürlich etwas sehr Intimes, dass man vor dem Einschlafen ins Ohr von jemandem kriecht. Wir machen auf der Bühne etwas, das die Leute unter Umständen an die intimsten Momente in ihrem Leben zurückführt.

Die Abenteuer spielen in einem fiktiven Ort nahe Los Angeles. Inwiefern erzählen sie etwas über diese Stadt und über Kalifornien?

Wir haben eine Beachboy-Ästhetik, das Wetter ist selten schlecht, Kalifornien ist hier ein idealisierter Ort. Aber obwohl fast alles fiktiv ist, habe ich Fotos bekommen von Fans, die sich darauf in einer "Drei ???"-Welt gefühlt haben. Wahrscheinlich haben wir etwas für den Tourismus getan.

Bedienen "Die drei ???" auch deshalb ein Fernweh, weil die Geschichten in einem Milieu angesiedelt sind, das viel geheimnisvoller ist als das der Kleinstädte, in denen die meisten Deutschen aufwachsen?

Aufregend sind vor allem die skurrilen Charaktere aus Los Angeles und insbesondere Hollywood, oft Dinosaurier einer vergangenen Zeit, die hierzulande nicht denkbar sind. Das ist eine Fundgrube für ganz wundervolle Konstellationen und Geschichten. Tatsächlich funktionieren die Folgen, die Rocky Beach verlassen haben - es gibt welche, die sogar in Deutschland spielen - schlecht. Auch da muss man wissen: Man darf das Produkt nicht zu sehr belasten mit neuen Ideen.

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