Streik am Flughafen:Passagiere haben Rechte - nur welche?

Wie Passagiere an Streiktagen trotz Flugausfällen und Verspätungen an ihr Ziel kommen, ob sie entschädigt werden oder von ihrem Flug zurücktreten können, lesen Sie hier.

für Passagiere am Streiktag

Bei der spanischen Fluggesellschaft Iberia hat am Montag die größte Streikwelle in der Geschichte des Unternehmens begonnen. Die Gewerkschaften hatten die Beschäftigten des Boden- und Kabinenpersonals aufgerufen, bis zum 22. Februar die Arbeit niederzulegen. Für die fünf Streiktage wurden insgesamt mehr als 1200 Flüge abgesagt. Dazu gehörten nicht nur Flugverbindungen von Iberia selbst, sondern auch von Tochtergesellschaften wie Vueling, Air Nostrum oder Iberia Express.

Nach Angaben von Iberia wurde ein großer Teil der betroffenen Passagiere auf andere Maschinen umgebucht. Der Streik richtet sich gegen einen Sanierungsplan, der einen Abbau von 3800 der insgesamt 20.000 Arbeitsplätze vorsieht. Im März soll an zehn weiteren Tagen gestreikt werden.

Bei Streiks müssen sich Passagiere auf Verspätungen und Annullierungen einstellen. Welche Rechte haben Fluggäste in dieser Situation? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

[] Ist mein Flug vom Streik betroffen?

Erster Ansprechpartner an Streiktagen ist die Fluggesellschaft. Die Lufthansa bietet auf ihrer Website Informationen zu aktuellen An- und Abflügen von allen deutschen Flughäfen. Bei Daten aus dem Internet ist es sinnvoll, sich diese auszudrucken, um später einen Beleg zu haben. Informationen zur Lage an deutschen Flughäfen sind auch unter der Telefonnummer 01805-805805 zu bekommen. Haben Fluggäste bei Lufthansa ihre Handynummer hinterlegt, informiert die Airline sie per SMS. Die spanische Airline Iberia informiert ihre Kunden unter der Nummer 069-50073874 (von neun bis 20 Uhr auf Deutsch, sonst auf Spanisch und Englisch).

[] Welche Ansprüche haben Passagiere, wenn ihr Flug verspätet abfliegt?

Wer wegen des Streiks auf dem Flughafen festsitzt, muss von der Lufthansa betreut werden. Das können Betroffene gemäß der EU-Richtlinie 261/2004 erwarten: Ab zwei Stunden Verspätung haben sie Anspruch auf Leistungen wie zwei Telefonate, zwei E-Mails, Getränke, Essen und gegebenenfalls eine Übernachtung im Hotel. Die zweistündige Wartezeit gilt für Flüge von bis zu 1500 Kilometern. Bei einer Strecke von 1500 bis 3500 Kilometern gibt es nach drei Stunden Unterstützung, ab 3500 Kilometern Strecke nach vier Stunden.

Ab einer Wartezeit von fünf Stunden können Passagiere vom Beförderungsvertrag zurücktreten und eine Erstattung des Flugpreises verlangen.

[] Müssen Passagiere für die Betreuungskosten zunächst selbst aufkommen?

Die EU-Richtlinie sieht vor, dass die Betreuung kostenlos bereitgestellt wird. Das klappt aber oft nicht. Sollte die Airline trotz Nachfrage keine Betreuung bereitstellen können, muss sich der Fluggast selbst um Verpflegung und möglicherweise ein Hotelzimmer kümmern. Dann ist es wichtig alle Belege aufzubewahren, um die Kosten anschließend der Fluggesellschaft in Rechnung stellen zu können. Diese Kosten sind verschuldensunabhängig. Die Airline muss dem Fluggast also helfen, egal ob die Verspätung durch eine Aschewolke, einen Sturm oder eben einen Streik der Flugbegleiter entstanden ist.

[] Bekommen Fluggäste eine Entschädigung für annullierte Flüge?

Bei Annullierung, Überbuchung oder Verspätung von drei Stunden oder mehr haben Passagiere zwar laut EU-Verordnung Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro - aber nur, wenn kein "außergewöhnlicher" Umstand daran schuld ist. Erst kürzlich hat das BGH entschieden, dass dazu auch Streiks zählen und Airlines daher nicht zur Entschädigung verpflichtet sind. Komplett ausgeschlossen sind Ausgleichszahlungen trotzdem nicht. "Entscheidend ist, ob die Airline alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die Auswirkungen des Streiks zu vermeiden", sagte Ronald Schmid, Professor für Luftverkehrsrecht in Dresden. "Die Airline muss sogar eine Umbuchung zu einem anderen Veranstalter vornehmen, wenn es möglich ist". Nur wenn sie im Einzelfall vor Gericht nachweisen könne, dass sie alles versucht habe, müsse sie keinen Ausgleich zahlen.

[] Muss ich trotz Streik pünktlich am Flughafen sein?

Auch bei einer großen absehbaren Verspätung sollten Passagiere immer zur ursprünglichen Abflugzeit am Flughafen sein. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Fluggesellschaft kurzfristig einen Ersatzflug anbieten kann - und der Reisende ihn dann verpasst.

[] Welche Rechte habe ich, wenn mein Zubringerflug wegen des Streiks ausfällt und mein Anschlussflug ohne mich abhebt?

Wird wegen der Arbeitsniederlegung der Flug gestrichen, muss die Airline nach der EU-Verordnung für Fluggastrechte den Passagier per Ersatzflug zum Ziel befördern. "Dies dürfte unter den gegenwärtig gegebenen Umständen kaum möglich sein", so Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg zu Süddeutsche.de. "Werden durch einen bestreikten Zubringerflug regulär startende Anschlussflüge verpasst, stehen dem Fluggast leider keine weiteren Ansprüche zu, da sich die Airline streikbedingt zumeist von Schadenersatzansprüchen entlasten kann" erklärt die Verbraucherschützerin weiter. Handelt es sich dabei jedoch um einen bestreikter Zubringer-Inlandflug wie beispielsweise von Berlin nach Frankfurt, der ausfällt oder sich erheblich verspätet, müsste die Airline ersatzweise eine Bahnfahrt nach dort auf ihre Kosten zur Verfügung stellen, wenn sich der Anschlussflug dadurch pünktlich erreichen ließe. Versäumt die Airline das, kommen Schadenersatzansprüche wegen eines Organisationsverschuldens in Betracht.

[] Kann ich mir auf Kosten der Lufthansa einen Mietwagen nehmen oder ein Bahn-Ticket kaufen?

Die Airline ist verpflichtet, auch an Streiktagen die Fluggäste schnellstmöglich an ihr Ziel zu bringen. In der Regel versuchen Fluggesellschaften, dies durch kostenlose Umbuchungen zu erreichen. Ist das nicht möglich, muss sich laut Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg die Airline um eine Ersatzbeförderung kümmern. "Innerhalb von Deutschland kann das zum Beispiel eine Umbuchung auf die Bahn oder ein Bustransfer sein", so die Reiserechtsexpertin. Auf längeren Strecken gibt es eventuell die Möglichkeit, von einem benachbarten Flughafen aus zu starten. Verärgerte Fluggäste sollten nicht ohne Absprache mit der Lufthansa ein Zug- oder Bus-Ticket kaufen, um so ans Ziel zu gelangen oder einen Anschlussflug zu erreichen.

[] Flug verspätet, Termin geplatzt. Bekomme ich den Ticketpreis zurück, wenn ich vom Flug zurücktrete?

Passagiere können von ihrem Flug zurücktreten, dürfen dann aber nicht darauf hoffen, den Ticketpreis erstattet zu bekommen. Die Fluggastrechteverordnung sieht im Streikfall neben kostenloser Umbuchung zwar auch Rückerstattung vor - allerdings erst, wenn die Verspätungsfrist von fünf Stunden überschritten wird. "Dauert ein Streik zwei Stunden und der Passagier kann nach zwei Stunden und drei Minuten befördert werden, dann muss er das einfach hinnehmen", sagt Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel zu Süddeutsche.de. Wenn der Streik aber erkennbar länger dauert und "die Airline nicht in der Lage ist, eine Ersatzbeförderung bereitzustellen, kann ich den Vertrag kündigen und den gesamten Ticket- oder Reisepreis zurückfordern", so Rechtsanwalt Paul Degott. Reisebüros dürfen für die Rückabwicklung des Ticketkaufes keine Extra-Gebühren verlangen.

[] Welche Regelungen gelten bei Pauschalreisen?

Pauschalreisende können zwar keinen Schadenersatz für einen entgangenen Urlaub geltend machen, falls ihr Flieger wegen des Streiks erst am nächsten Tag abhebt. Doch der Reiseveranstalter ist in der Gewährleistungspflicht, da der Flug Teil des Vertrags ist. Der verhinderte Urlauber kann daher den Reisepreis anteilig um den entgangenen Urlaubstag mindern.

Urlauber, die Flug, Hotel und Mietwagen nicht als Paket bei einem Veranstalter sondern selbst und einzeln gebucht haben, haben schlechte Karten. Sie können weder beim Hotel noch bei der Mietwagenfirma eine Leistungsminderung wegen des verspäteten Fluges geltend machen.

[] Gibt es Anspruch auf Schadenersatz, wenn durch den verspäteten Abflug der Start einer Kreuzfahrt verpasst wird?

Wenn der Flug isoliert von der Kreuzfahrt gebucht worden ist, erleidet der Passagier zwar einen materiellen Schaden, weil er seine Kreuzfahrt nicht pünktlich antreten kann. Doch diesen Schaden bekommt der Fluggast nicht von der Airline ersetzt, weil diese an der verhinderten Beförderung nicht ursächlich schuld ist. Wurden aber Flug und Kreuzfahrt als Paket gebucht, dann wird die unterbliebene Beförderung zum Schiff juristisch als Reisemangel betrachtet - zu Lasten des Veranstalters.

[] Welche Rechte haben Reisende, deren Urlaub sich verkürzt?

Entgehen dem Pauschalreisenden durch den Streik Urlaubstage, muss der Veranstalter den Anteil des Reisepreises für diese Tage zurückerstatten, erklärt Rechtsanwalt Paul Degott. Verkürzt sich der Urlaub massiv - kommt der Betreffende also bei einem einwöchigen Urlaub zum Beispiel erst drei Tage später an -, seien außerdem die Chancen auf Schadenersatz gut: Dann gibt es nicht nur das Geld für die Tage zurück, an denen der Urlaub ausgefallen ist, sondern auch eine Entschädigung dafür, dass der Urlaub insgesamt beeinträchtigt war.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: