Europäische Kulturhauptstadt:Ein Tag in Breslau? Lieber zwei!

Europäische Kulturhauptstadt: Blick auf die Breslauer Innenstadt.

Blick auf die Breslauer Innenstadt.

(Foto: Sarah Schmidt)

Es gibt viele gute Gründe, die Stadt an der Oder zu besuchen. Wir haben Ihnen die schönsten zusammengestellt - und aufgeschrieben, was sie dort nicht verpassen sollten.

Von Sarah Schmidt, Breslau

Es sprechen viele Gründe dafür, den nächsten Städtetrip in Breslau zu verbringen. Wrocław (gesprochen "Wrotswa"), wie Breslau in Polen heißt, liegt idyllisch an der Oder. Die viertgrößte polnische Stadt im Südwesten des Landes liegt nah an Deutschland. Geschichte, Architektur, Kultur, aber auch ein studentisch geprägtes Nachtleben - für jeden Städtereise-Wunsch ist hier etwas dabei.

Zudem sind die Wege kurz, die meisten Sehenswürdigkeiten und spannenden Viertel sind rund um den Altstadtkern versammelt. Noch firmiert Breslau unter dem Label "Geheimtipp", messbar daran, dass das Einwohner-Touristen-Verhältnis selbst an sonnigen Feiertagswochenenden noch stimmt.

Immer noch nicht überzeugt? Dann gibt es in diesem Jahr noch einen besonderen Anlass, Breslau zu besuchen: Die Stadt ist - gemeinsam mit San Sebastián - Europäische Kulturhauptstadt 2016. Ein schöner Nebeneffekt: In den kommenden Wochen kommt man sehr preisgünstig von Berlin nach Breslau. Noch bis zum 25. September fährt immer an den Wochenenden ein eigens eingerichteter "Kulturzug" zwischen den beiden Städten hin und her. Los geht es am Samstagmorgen, zurück dann entweder gleich am selben Abend oder am späten Sonntagnachmittag. Die Fahrzeit ist mit viereinhalb Stunden zwar immer noch recht lang, doch im Vergleich zur regulären Verbindung geht es deutlich schneller.

Vor der Ankunft sollten Sie einen Wetteinsatz mit Ihren Mitreisenden vereinbaren. Die Aufgabe: Wer entdeckt die meisten kleinen Metallzwerge? Diese stehen überall in der Stadt, vor Kirchen und Hotels, an Straßenecken und auf Plätzen - und erinnern an die Zeit, als die künsterlische Spaß-Guerilla Orange Alternative in den 80er-Jahren zum Protest gegen die herrschenden Kommunisten Zwergen-Graffiti an Breslaus Mauern gemalt hat.

Wählen Sie bequeme Schuhe (am besten ist man in Breslau zu Fuß unterwegs) und decken Sie sich mit einem Frühstück ein, mit dem Sie sich während der Zugfahrt stärken können. Dann kann es direkt losgehen, sobald Sie mittags gegen 13 Uhr in Breslau ankommen.

Auch sollten Sie sich Gedanken machen, wie Sie an polnische Złoty kommen (Polen gehört bislang nicht zur Eurozone). Am Bahnhof finden sich Geldautomaten, wer Bargeld wechseln will, sollte dies möglichst auch direkt nach der Ankunft tun - zwar ist der Kurs in den Bahnhofs-Wechselstuben etwas ungünstiger, doch auf dieser Tour ist Zeit Ihr knappstes Gut. Diese sollten Sie nicht mit einer langwierigen Suche nach dem günstigsten Wechselkurs verplempern. (Ein Euro sind gut vier Zloty, den aktuellen Kurs finden Sie zum Beispiel hier.) Zumal die Preise in Breslau - verglichen mit deutschen Städten - sehr günstig sind. Tipp: Wechseln Sie nicht zu viel Geld - die meisten Sehenswürdigkeiten kosten umgerechnet nur ein paar Euro Eintritt und auch für Essen und Getränke kann deutlich weniger kalkuliert werden als daheim.

Breslau an einem Tag

Eins vorab: Sie werden kaum alle vorgeschlagenen Stationen schaffen - wählen Sie, welche Ihnen besonders wichtig sind und planen Sie für diese genügend Zeit ein. Auf keinen Fall auslassen sollten Sie jedoch den großen Marktplatz Rynek im Kern der Stadt. (Hier finden Sie unsere Breslau-Karte zum Herunterladen und Ausdrucken.)

Mit der Einfahrt in den Hauptbahnhof, den Wrocław Główny, beginnt die Städtereise schon mit einem ersten kleinen Highlight. Das vor wenigen Jahren sanierte Bahnhofsgebäude sieht mit seinen Türmchen und Zinnen aus wie ein kleines Schloss.

Europäische Kulturhauptstadt: Hier finden Sie die Karte zum Herunterladen und Ausdrucken.

Hier finden Sie die Karte zum Herunterladen und Ausdrucken.

(Foto: SZ.de)

Ein-Tages-Besucher sollten gleich gen Altstadtinsel starten - am besten zu Fuß. Sie interessieren sich für die vor dem ersten Weltkrieg in Breslau entstandene Architektur? Dann steuern Sie zunächst die Markthalle (1), die Hala Targowa, an - diese schließt samstags nämlich bereits um 15 Uhr. Ihr Weg führt Sie vom Bahnhof aus einfach geradeaus auf der Kołłątaja, Gehzeit etwa 20 Minuten. Schon von außen wirkt das Bauwerk mit seiner roten Backsteinfassade und dem mächtigen Uhrturm beeindruckend. Besonders spannend ist jedoch die Stahlbeton-Konstruktion im Inneren. Als die Halle zwischen 1906 und 1908 geplant wurde, war die Bauweise revolutionär. Ähnlich (nur noch viel gewaltiger) ist die wenige Jahre später entstandene Jahrhunderthalle - diese liegt jedoch weiter entfernt vom inneren Stadtbereich, ein Besuch würde zu viel Zeit kosten, falls Sie nur wenige Stunden in der Stadt sind. So haben Sie jedoch einen Eindruck und Gelegenheit, sich noch mit frischem Obst einzudecken.

Da Sie nun eh schon in der Nähe sind, gehen Sie gleich weiter über die rote Brücke Most Piaskowy auf die Sandinsel, vorbei an der mächtigen Universitätsbibliothek (ursprünglich ein Augustinerkloster) zur Kirche Maria auf dem Sande (2) (Kościół Najświętszej Maryi Panny na Piasku). Zwar ist auch das gotische Bauwerk mit den Springgewölben aus dem 14. Jahrhundert durchaus beeindruckend, doch gleich neben dem Haupteingang zur Kathedrale lässt sich ein echtes Unikat besuchen: die Kapelle der Blinden und Tauben. Hier ist ganzjährig eine gigantische Krippe mit vielen hundert kleinen Figürchen, Puppen und Plüschtieren aufgebaut, die elektrisch angetrieben blinken und dudeln. Der Pfarrer der Kirche arbeitet seit Jahrzehnten gemeinsam mit behinderten Kindern an diesem Meisterwerk des Weihnachtskitschs.

Bresslau

Auch die vielen Brücken prägen das Stadtbild von Breslau: die rote Most Piaskowy

(Foto: Sarah Schmidt)

Jetzt weiter über die Most Tumski, Breslaus Liebesschlossbrücke, auf die Dominsel (3), Ostrów Tumski. Der Name "Insel" führt zwar etwas in die Irre, seitdem die Versandung der Oder das einstige Eiland mit dem Festland verbunden hat. Doch das Gefühl, hier in einer eigenen kleinen Welt gelandet zu sein, ist geblieben. Und diese Welt ist ganz klar religiös geprägt: So viele Kirchen auf so wenig Quadratmetern dürften nicht an allzu vielen Orten zu finden sein. Die größte und eindrucksvollste ist jedenfalls die Johannes-Kathedrale (Katedra św. Jana Chrzciciela), auch Breslauer Dom genannt, mit ihren beiden spitzen Türmen. Auf den Kopfsteinpflaster-Gassen sind Autos nicht erlaubt, was zur erhabenen Atmosphäre beiträgt.

Wem nach so viel barocker Baupracht nach einer kleinen Kuchensünde zumute ist, macht Stopp in der Cafeterie Chic (3) am Plac Kościelny - am besten sitzt es sich auf der Terrasse. Alternativ lohnt sich ein Abstecher in den Botanischen Garten (4) (Ogród Botaniczny). In der wunderschönen Anlage gibt es neben exotischen Bäumen auch Teichanlagen mit kleinen Holzbrücken und einen Steingarten. Der Eintritt kostet umgerechnet gut zwei Euro.

So schön es ist, zu lange Zeit sollten Sie sich nicht nehmen. Schließlich fehlt noch der Stadtkern. Diesen erreichen Sie, wenn Sie entweder zurück über die Sandinsel gehen. Oder Sie gönnen sich noch einen Schlenker über die Wyspa Słodowa (5): Auf der langgestreckten Oderinsel sind an der Westseite des einzigen Häuserblocks drei große Streetart-Kunstwerke zu bewundern.

Zur Altstadt geht es dann über die Brücken Kładka Słodowa und Most Uniwersytecki, vorbei an der Statue einer Bücher tragenden Breslauerin (6). Eine Erinnerung an die Oderflut 1997, die Breslau schwer getroffen und gleichzeitig die Bewohner im Kampf um ihre Stadt gegen die Wassermassen zusammengeschweißt hat.

An der Nordseite der Altstadtinsel erstrecken sich die Gebäude der Universität von Breslau (7). Sie erinnern daran, dass nicht nur die Kirche, sondern auch die Wissenschaft eine lange und bedeutsame Tradition in Breslau hat. Acht Nobelpreisträger haben hier studiert. Lohnend ist ein Besuch im Hörsaal Aula Leopoldina, überbordend mit barocker Malerei und Stuck geschmückt. Studiert wird hier zwar nicht mehr, doch unter den Fresken sind immer wieder Konzerte und feierliche Zeremonien zu erleben.

An der Ecke zur Kuźnicza-Straße spiegelt sich reizvoll die Jesuskirche (Parafia Najświętszego Imienia Jezus) in der Glasfassade der Uni-Mensa - immer wieder greifen in Breslau auf diese Art neue und alte Bauwerke harmonisch ineinander. An der Straße entlang durchs Univiertel (8) bieten sich jetzt verschiedene attraktive Möglichkeiten für einen Nachmittagssnack. Zum Beispiel gleich das FC Caffe (8), mit seinen hellen Fensterfronten und einem Kaffee- und Smoothie-Angebot, dass das Hipsterherz höher schlagen lässt. Oder ein paar hundert Meter weiter im Kalambur (8): In dem Jugendstil-Café haben sich in den 80er-Jahren bereits Solidarność-Aktivisten getroffen, heute sitzen hier Studenten - und den Eingang bewacht ein großes Krokodil.

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Das Kalambur ist leicht zu finden: Halten Sie einfach nach einem Krokodil mit Luftballon Ausschau.

(Foto: Sarah Schmidt)

Jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Herzstück Breslaus, dem Rynek (9) (auf Deutsch Ring). In der Mitte des Platzes bilden das Alte Rathaus, das Neue Rathaus und die Tuchhallen einen Komplex, rundherum stehen farbenfroh restaurierte alte Bürgerhäuser. Hier schlägt der Puls der Stadt, hier ist von früh bis spät Trubel - ohne, dass es unangenehm voll wird. Lassen Sie sich Zeit, alles in Ruhe wirken zu lassen und schauen Sie sich auf jeden Fall die Fassade des mittelalterlichen Alten Rathauses mit der großen astronomischen Uhr an.

Bresslau

Der Rynek von oben

(Foto: Sarah Schmidt)

Für den Überblick - und wenn die Kräfte es noch erlauben - bietet sich der Turm der Elisabethkirche (10) an, die an der nordwestliche Ecke des Rynek steht. Zum Aufstieg geht es unter einem Torbogen hindurch, der die beiden Pfarrhäuschen (Hänsel und Gretel genannt) verbindet. Knapp 300 Stufen später bietet sich eine traumhafte Aussicht über die gesamte Stadt.

Über den Rynek und den Salzmarkt (11) (den Plac Solny) geht es zum Schluss ins einst jüdische Viertel Breslaus, den Szene-Kiez der Stadt. Von der größeren Straße Ruska geht die Hinterhofpassage Niepolda (12) ab. Hier zieren alte Leuchtreklamen und Graffiti die Wände - nachts wird in mehreren Clubs gefeiert. Am anderen Ende des Durchgangs warten die Świętego Antoniego, und parallel die Straße Pawła Włodkowic mit Bars und Cafés.

Wer die Straße weitergeht, stößt auf den großen Neubau des Nationalen Musikforums (13) - pünktlich zum Kulturjahr ist das musikalische Zentrum mit insgesamt fünf Konzertsälen fertig geworden. Ein Stück weiter steht die etwa 175 Jahre ältere Oper (14). Rechts geht die Ulica Świdnicka (ehemals Schweidnitzer Straße) ab, die wieder zurück in Richtung Bahnhof führt.

Hoffentlich bleibt Ihnen noch ein wenig Zeit, sich die Installation Przejście (15) anzuschauen, was übersetzt so viel wie Passage oder Übergang bedeutet. Der Künstler Jerzy Kalina lässt auf der einen Straßenseite sieben lebensgroße Skulpturen im bröckelnden Asphalt abtauchen, auf der anderen Seite steigen sieben wieder empor. Das Denkmal soll an das 1981 erlassene Kriegsrecht in Polen erinnern - eine Maßnahme des Regimes der Volksrepublik, um die Demokratiebewegung rund um die Solidarność mit Verhaftungen und Repressionen zu zerschlagen. Von hier sind es die Piłsudskiego entlang etwa zehn Fußminuten zum Bahnhof.

Breslau an zwei Tagen

Es ist eine hervorragende Idee, sich mit einer Übernachtung sehr viel mehr Zeit zu verschaffen, um Breslau zu erkunden. Einziges Problem: Sie müssen mehr Entscheidungen fällen. Zum Beispiel welche zusätzlichen Programmpunkte Sie einplanen möchten - und wo sie übernachten wollen.

Zu empfehlen ist auf jeden Fall eine zentrale Unterkunft, um wertvolle Zeit zu sparen. Ganz in der Nähe zum Bahnhof liegt zum Beispiel das Hotel Europejski (ab 50€ pro Nacht). Wer günstig übernachten will, findet eine ganze Reihe Hostels in der Stadt.

Nachdem Sie Ihr Gepäck losgeworden sind, lassen Sie sich am besten von den Vorschlägen für das Ein-Tages-Programm inspirieren - nur dass Sie sich mehr Zeit nehmen können. Und einige attraktive Zusatzoptionen ins Spiel kommen.

Möglichst bald sollten Sie auf jeden Fall in der Barbara (16) vorbeischauen. Das schöne, moderne Café liegt nicht nur zentral an der Einkaufsmeile Świdnicka (Hausnummer 8), hier ist auch die Zentrale zum Kulturhauptstadt-Jahr. An der Info-Theke gibt es Tipps zum aktuellen Programm, im Café Getränke und Snacks von der Tageskarte.

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Infos, Snacks und Kaffee gibt es in der Barbara.

(Foto: Sarah Schmidt)

Zumindest für den zweiten Tag sollten Sie in Erwägung ziehen, auf weitere Verkehrsmittel umzusteigen. Das schont die Füße und eröffnet weitere Ziele etwas abseits des Innenstadtbereichs. Bewährt hat sich das Leihfahrrad-System - ähnlich wie in vielen anderen Städten stehen im gesamten Stadtbereich Räder zur Verfügung. Wer sein Leihrad ein paar Stunden fahren will, kann dies mit dem beiliegenden Zahlenschloss sichern, die Gebühr beträgt nur wenige Euro. Ein Tipp: Statt an der Registrierung auf der polnischen Homepage zu verzweifeln, empfiehlt es sich, die App des Anbieters Nextbike aufs Smartphone zu laden und sich dort anzumelden - neben mehreren anderen Städten ist auch Breslau integriert.

Etwas komplizierter ist es, sich in Breslaus öffentlichen Nahverkehr einzuarbeiten - dabei ist diese Seite eine gute Hilfe. Hier kann man Start- und Zielpunkt für einen maßgeschneiderten Fahrplan festlegen. Das Ticket für den Kulturzug berechtigt übrigens auch zur Fahrt in Breslaus Trams und Bussen (steht im Kleingedruckten).

Eine schöne Radtour lässt sich zur Jahrhunderthalle, der Hala Stulecia, unternehmen. Wenn Sie mögen mit einem Zwischenstopp am Panorama von Racławice (17) - das insgesamt mehr als 1700 Quadratmeter große Rundgemälde zeigt den Sieg der polnischen über die russische Armee 1794 bei Racławice (hier ein digitaler Vorgeschmack). Ein schöner Weg zur Jahrhunderthalle führt am Oderufer die Wybrzeże Stanisława Wyspiańskiego entlang vorbei an den modernen Bauten der Technischen Universität (wegen der vielen Fenster auch "Schweizer Käse" genannt). Nach der schmiedeeisernen Brücke Most Zwierzyniecki erhebt sich zur Linken die 1913 eröffnete Jahrhunderthalle. Das Werk aus Stahlbeton wurde von dem deutschen Architekten Max Berg entworfen - damals war der Kuppelbau mit einer freien Spannweite von 65 Metern der größte dieser Art. Auch heute noch wirkt der Bau, der im Krieg unzerstört blieb, in seiner Schlichtheit überraschend modern.

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Überall am Oderufer finden sich Sitzgelegenheiten für ein kleines Päuschen.

(Foto: Sarah Schmidt)

Hinter der Jahrhunderthalle schließen sich der Scheitninger Park und der Japanische Garten an. Wer noch eine weitere architektonische Ära abhaken möchte, geht weiter zur 1929 im Bauhaus-Stil entworfene Werkbundsiedlung WuWa (Wohnen und Werkraum). Ein Argument, den Zoo zu besuchen, ist Ende Mai zur Welt gekommen: ein kleines Nilpferd-Baby.

Alternativ zum Radeln können Sie Jahrhunderthalle, Scheitninger Park und Zoo auch per Boot (Abfahrt vom Bulwar Piotra Włostowica auf der Sandinsel (2)) oder mit der historischen Straßenbahn (Zabytkowa Linia Tramwajowa) erreichen (Abfahrt an Wochenenden um 12 Uhr an der Oper (14)).

Ein lohnendes Ziel im Süden der Altstadt ist der Alte Jüdische Friedhof in der Straße Ślężna 37/39. Mehr als 10 000 Grabsteine haben hier die Jahre und Jahrzehnte überdauert - beschattet von großen Bäumen, teils überwuchert von Farn und Efeu. Ein besonderer Ort. Und was für eine melancholische Ironie des Schicksals, dass es die Namen und Sprüche auf jüdischen Grabmälern sind, die in dieser nun durch und durch polnischen Stadt an die deutsche Vergangenheit erinnern. Die berühmteste Persönlichkeit, die hier ihre letzte Ruhe fand, ist übrigens Ferdinand Lassalle, Gründer des Vorläufers der SPD. Auch der Friedhof ist gut mit dem Rad zu erreichen (allerdings ist die Strecke weit weniger attraktiv als die zur Jahrhunderthalle).

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Zwischen Efeu und Ranken: Der Alte Jüdische Friedhof ist ein besonderer Ort.

(Foto: Sarah Schmidt)

Falls das Wetter schlecht sein sollte oder Sie sich besonders für die bewegte Geschichte der Stadt interessieren, sollten Sie das Stadtmuseum (18) im ehemaligen Königsschloss besuchen. Ab Mitte Juni ist dort wieder die Ausstellung "1000 Jahre Breslau" zu sehen, in der die Jahrhunderte multimedial aufbereitet werden.

Essen, Trinken, Feiern, Film

Ein weiterer Vorteil am zweitägigen Breslau-Besuch: Es bleibt ausreichend Zeit, um sich in Ruhe durch das so gute wie günstige kulinarische Angebot zu futtern. Die Restaurant-Szene ist durchaus international aufgestellt, doch auch die polnische Küche hat mit ihren Suppen, Fleisch-, Fisch- und Schmorgerichten und natürlich der polnischen Ravioli-Variante, den Pierogi, einiges zu bieten.

Rund um den Rynek finden sich zahlreiche Restaurants - viel falsch machen kann man hier nicht. Die Stadt ist noch zu sehr Geheimtipp als dass sich hier Touristen-Abzocke mit Billigfraß zu Mondpreisen hätte etablieren können. Besonders urig ist es im Spiż (9), einem Lokal direkt am Ring mit Kellergewölbe und eigener Brauerei.

An der südwestlichen Ecke des Plac Solny (Salzmarkt), am Durchgang in Richtung Kazimierza Wielkiego ist das Konspira (11) eine weitere gute Alternative. Auf der großen Terrasse sitzt man in den warmen Monaten geschützt und auch in den unverputzten Räumen speist es sich gemütlich. In Hinterräumen erinnern Originaleinrichtung und Zeitungsschnipsel an die Zeit der Solidarność. Das Angebot ist regional.

Vegetarier kommen im Vega (9) auf ihre Kosten - das älteste fleischlose Restaurant Polens liegt ebenfalls in absoluter Bestlage mitten am Rynek. Die Burger bei Pasibus (16) in der Świdnicka-Straße müssen - der Schlange nach zu urteilen - sehr gut sein.

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Gemüse in Bestlage: das Vega

(Foto: Sarah Schmidt)

Das Szeneviertel rund um die Synagoge sollten Sie sich als Übernachtungsgast für den Abend aufsparen - die Leuchtreklame in der Niepolda-Passage (12) kommt erst im Dunkeln richtig zur Geltung. Und zu späterer Stunde läuft in dieser Ecke der Stadt das Nachtleben heiß. Auch einige nette Bars finden sich entlang der Pawła Włodkowica. Wer nur etwas Leichtes essen möchte, ist hier ebenfalls gut bedient. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Mleczarnia (19)? Eine gemütliche Kneipe mit viel Flair, im Untergeschoss gibt es regelmäßig Livekonzerte.

Etwas gediegener ist es nebenan im Cocofli (19), das als Literaturcafé und Weinbar firmiert. Hier gibt es jüdische Küche und köstliche Kuchen. Stylish ist die Krvn-Bar in der Świętego Antoniego.

Wer sich von der Feierlaune der Breslauer anstecken lässt, findet hier auf der Ecke zahlreiche Clubs mit studentischem Publikum. Rund um den Rynek wird zwar auch gefeiert, hier ist die Junggesellenabschied-Dichte jedoch deutlich höher. Zurück in die Unterkunft sollte der Weg auf jeden Fall über den Salzmarkt Plac Solny führen, um sich den rund um die Uhr geöffneten Blumenmarkt (11) anzuschauen.

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Bis in die Nacht hinein ist viel los auf dem Rynek.

(Foto: Sarah Schmidt)

Für das kulturelle Angebot lohnt es sich, ins aktuelle Programm zum Kulturhauptstadt-Jahr zu schauen. Alternativ zeigt das Kino Nowe Horyzonty (20) viele Filme im Original - auch das internationale Filmfestival New Horizons geht hier Ende Juli über die Bühne. Am 10. Dezember wird dieses Jahr übrigens auch der Europäische Filmpreis in Breslau verliehen.

Wer am nächsten Morgen mehr Lust auf auswärts Frühstücken als auf das Hotel-Buffet hat, ist bestens bedient mit dem französisch angehauchten Bistro Charlotte (19) im gekachelten Hinterhof Pokoyhof (Eingang von der Świętego Antoniego 2 aus). Oder im Soulcafe (11) am Plac Solny.

Wie gesagt, es müssen zahlreiche Entscheidungen gefällt werden - aber diese machen Spaß.

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