Speicherung von Fluggastdaten:Was USA und EU von Ihnen wissen wollen

Die USA drängten die EU, umfangreiche Daten der Flugpassagiere an die CIA weiterzugeben - die Kritik war groß. Nun folgen die EU-Innenminister dem US-Vorbild und wollen auch Daten von Reisenden speichern, die innerhalb, nach und von Europa aus fliegen. Ein Vergleich.

Die EU-Innenminister sind sich fast alle einig: Auf Flügen von und nach Europa sollen die Daten der Passagiere künftig an die Sicherheitsbehörden gehen, damit Fahnder sie bei Bedarf auswerten können. Nun beginnen die Verhandlungen mit dem Europaparlament, die voraussichtlich mehrere Monate dauern werden. Welche Staaten zustimmen, ist noch nicht ganz klar.

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Während in der EU noch über die Speicherung von Fluggastdaten debattiert wird, ist sie in den USA bereits seit Jahren Realität.

(Foto: dapd)

Tritt der Plan in Kraft, würden Flüge aus Drittstaaten in die EU künftig erfasst. Den Staaten steht es aber frei, ob sie auch innereuropäische Routen miteinbeziehen. Die Datensammlung soll den Behörden im Kampf gegen Terrorismus und schwere Verbrechen helfen. Einige EU-Länder, zum Beispiel Großbritannien, haben bereits solche Systeme. Offen ist noch, ob es ein zentrales oder dezentrales Register geben wird, und wie die geschätzten Kosten von 500 Millionen Euro aufgeteilt werden.

Während in der EU noch über die Speicherung von Fluggastdaten debattiert wird, ist sie in den USA bereits seit Jahren Realität. Wer in die USA fliegt, dessen Daten landen schon heute direkt bei den amerikanischen Sicherheitsbehörden, wie zum Beispiel der CIA. Das kürzlich beschlossene Abkommen "Passenger Name Record PNR" stellt die gängige Praxis nun auf eine rechtliche Grundlage.

Hier finden Sie einen Überblick, wie die USA bereits Daten von Passagieren aus Europa sammeln - im Vergleich mit der geplanten Erhebung der EU (im Text kursiv):

[] Um welche Daten geht es eigentlich?

Für europäische Reisende in die USA fordern dortige Sicherheitsbehörden Daten von den Fluglinien. Dazu gehören Name, Adresse, Sitzplatz- und Kreditkartennummer jedes EU-Passagiers - diese Daten wollen künftig auch die EU-Innenminister sammeln lassen. Dies geschieht automatisch, der Fluggast bekommt davon nichts mit. Die CIA fordert aber zusätzlich noch Informationen über die Nutzung von Vielfliegerprogrammen oder Serviceleistungen an Bord, etwa besondere Menüwünsche, sowie über Buchungen für Hotels und Mietwagen.

In der EU hingegen sollen Daten, die Rückschlüsse auf politische Haltungen, die Religion oder "ethnische Herkunft" erlauben, nicht ermittelt werden.

[] Was soll das Datenhorten bringen?

Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 horten die Amerikaner massenhaft Daten, um Verdächtige aufzuspüren und Anschläge zu vereiteln. Fahnder der CIA können die Angaben bei der Jagd nach Terroristen oder Schwerverbrechern auswerten. Die europäischen Ermittlungen wollen mit den Daten vor allem die Reisebewegungen bereits verdächtiger Personen verfolgen.

[] Wieso ist das PNR-Abkommen so umstritten?

Weil die Daten der Passagiere ohne Verdacht und Anlass für die USA gesammelt werden. "Wir stellen alle Bürger unter Generalverdacht und liefern sie dem Rechtssystem der USA aus, anstatt unsere Werte zu verteidigen", sagt die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel. Von einer "Rasterfahndung" und einem "Schritt zum Überwachsungsstaat" spricht der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht. Die FDP warnt vor dem "gläsernen Passagier".

Auch im EU-Konzept würden nicht nur von Reisenden Daten gesammelt, die verdächtig sind, sondern von allen Flugpassagieren.

Besserer Schutz für USA-Reisende

[] Was sagen Datenschützer?

Die Daten der Reisenden in die USA sollen nach sechs Monaten anonymisiert und bis zu 15 Jahre lang gespeichert bleiben - viel zu lange, kritisiert der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx. Die Liste der Daten sei unverhältnismäßig, zudem sei das Klagerecht der Bürger nicht ausreichend. EU-Vertreter überprüfen laut Vertrag in regelmäßigen Abständen in den USA, was diese mit den Daten anfangen und ob sie das Abkommen einhalten. Da liegt ein wunder Punkt, sagt die federführende Abgeordnete im Europaparlament, Sophia in't Veld von den Liberalen: "Die USA haben eine andere Auffassung vom Datenschutz als wir Europäer". Niemand wisse, ob die USA sensible Daten nicht doch für andere Zwecke nutzen würden. Zudem dürfen die Amerikaner die Daten unter Auflagen an Drittstaaten weitergeben.

An der geplanten Datensammlung in Europa wird hingegen von deutschen Politikern vor allem die Speicherdauer von fünf Jahren als zu lang bewertet.

[] Welches Argument bringen die Befürworter?

Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die das Abkommen mit den USA ausgehandelt hat, sagt: "Es ist nicht ideal und nicht perfekt. Aber es hilft, grenzüberschreitende Verbrechen zu bekämpfen." Mit dem Vertrag seien wichtige Datenschutzregeln festgeschrieben. Eine Ablehnung des Abkommens hätte die Beziehungen zu den USA belastet - und die Passagiere aus Europa hätten eventuell wieder Visa beantragen müssen. Außerdem hatten die USA durchblicken lassen, dass sie bei einer Ablehnung des Abkommens den europäischen Airlines die Landerechte entzogen hätten.

Das Argument für die künftige Überwachung der Flugdaten in Europa ist, dass so Terroristen und Schwerverbrecher leichter verfolgt werden können.

[] Ab wann wird das Abkommen gelten?

Bei USA-Flügen geben die Passagiere schon seit Jahren ihre Daten preis. Dem neuen Abkommen "Passenger Name Record PNR" hat das EU-Parlament nach jahrelanger Diskussion erst in der vergangenen Woche zugestimmt. Die EU-Mitgliedsstaaten haben dem Vertrag bereits im Ministerrat - unter Enthaltung Deutschlands - zugestimmt. Das Abkommen wird laut Rat am 1. Juni in Kraft treten. Damit ersetzt es eine Vereinbarung zwischen den USA und der EU von 2007, die den Europäern in diversen Punkten noch weniger Datenschutz bot. Etwa sollen die USA künfig sensible Informationen über sexuelle Orientierung, Religion oder medizinische Daten nur noch in Sonderfällen auswerten und nach sechs Monaten anonymisieren.

Das geplante Datensammeln in Europa kann hingegen noch nicht beginnen: Erst muss das Europaparlament zustimmen. Doch voraussichtlich stehen die Abgeordneten der langen Speicherdauer von fünf Jahren kritisch gegenüber und werden wohl auch auf einen besseren Datenschutz drängen, als er etwa beim PNR-Abkommen mit den USA besteht. Diese Debatten können Monate dauern. So ist nicht damit zu rechnen, dass noch in diesem Jahr Daten von Passagieren erhoben werden, die in, nach und von Europa aus fliegen.

[] Wie geht es nun weiter?

Das Abkommen mit den USA ist ein Präzedenzfall. Weitere Staaten wollen ähnliche Verträge abschließen, dazu zählen nach Angaben des Europaparlaments Katar, aber auch China und Russland.

In Europa debattiert nun das Europaparlament über die Fluggastdaten. Und die Mitgliedsstaaten müssen überlegen, ob sie auch die Daten von allen Flügen innerhalb der EU erfassen wollen - das soll den einzelnen Ländern überlassen bleiben. Wenn die Regelung in Kraft tritt, soll zwei Jahre danach noch einmal geprüft werden, welche Flüge langfristig in die Datenerhebung einbezogen werden, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström.

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