Souvenir:Vom Glück singen, ums Glück ringen

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Die Grille ist nicht unterzukriegen - in China. Dort werden die Tiere zum Kampf abgerichtet. Ihre Fressnäpfe, zu befüllen mit Maden, sind ein Verkaufsschlager. Behauptet zumindest der Verkäufer.

Von Julia Höftberger

Futternapf für Kampfgrillen

Die Grille ist nicht unterzukriegen. Zu Beginn des Campingurlaubs ist das Zirpen noch Musik in den Ohren, nach der dritten durchwachten Nacht will man nur noch eine Fliegenklatsche. In China braucht es das nicht, da gehen sich die Tiere gegenseitig an den Kragen, quasi berufsbedingt. Der Grillenkampf ist ein Volkssport, seit 1000 Jahren lässt man männliche Grillen gegeneinander kämpfen und wettet auf den Gewinner. Die Insekten samt Zubehör werden auf einem Markt in Wuhan verkauft, auch an Touristen. Aber eine gewaltbereite Grille als Mitbringsel? Und was sagt der Zoll? Wo es in China schon verboten ist, beim Grillenkampf um Geld zu wetten! Das stört niemanden weniger als die Grillentrainer, die mit ihrem vielbeinigen Trupp alljährlich zwischen August und Oktober dem gegnerischen Geziefer den Kampf ansagen. "Pokémon Go" in analog. Es erinnert an einen Ringkampf, wenn zwei gereizte Männchen sich mit ihren Mundwerkzeugen verhaken, zerren, stoßen, einander über die Schulter werfen, bis einer die Flucht ergreift. Dann verfällt das Gewinnertier in Triumphgezirpe, als wüsste es, dass es mit jedem Sieg seinen Marktwert erhöht.

Die Händler lenken unsere Aufmerksamkeit auf den Verkaufsschlager: blau-weiße Keramikfutternäpfchen, gerade groß genug für drei Reiskörner und selbstverständlich "handbemalt", wie man uns versichert. Darin kann man seinem chitingepanzerten Liebling mundgerechte Häppchen servieren, am besten "getrocknete Maden, Lotussamen und vorgekaute Kastanien". Diese Diät, so schwört der Händler, maximiere die Kraft der Grille. So, jetzt aber: "Buy it, okay?!" Das Tier und das Schälchen sollen noch dazu Glück bringen.

Man zögert. Der Händler gibt noch mehr: Auch den schönen Künsten sei das Vieh zugetan! Die Grillenmusik habe bereits seit der Tang-Dynastie Tradition! Der Kaiser hielt sich ganze Heerscharen sechsbeiniger "Opernstars". Jetzt aber: "Buy it now, okay?". Wir kaufen das Schälchen. Uns gefällt der Gedanke, damit unser Glück symbolisch zu nähren.

Nach dem Urlaub die Frage: Was damit anfangen? Verschenken! Auf einen Ring geklebt, taugt der Futternapf als exotisches Schmuckstück. Die Empfängerin freut sich eher verhalten. Um die Situation zu retten, bemüht man sich um Erklärungen. Und, ach ja, nachts empfiehlt es sich, den Ring abzulegen. Man will ja keine hungrigen Käfer anlocken - oder gar als ein solcher erwachen.

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