Sommer in Schweden:Zur Belohnung ein Sprung in die kalte Ostsee

Wer mit dem Dampfschiff auf die Schäreninseln fährt, kann gleichermaßen Badefreuden und einen Ausflug in die Geschichte genießen.

Bald ist wieder Sommer in Schweden. Sonntags kann man dann in Stockholm regelmäßig erleben, wie viele Menschen mit gepackten Badetaschen an der Anlegestelle am Strandvägen stehen und auf das Schiff in die Schären warten. Und endlich kommt es - die "Norrskär".

Sommer in Schweden: Baujahr 1910: die Norrskär. Heute erfreuen sich die einst vom Aussterben bedrohten Dampfschiffe wieder großer Beliebtheit.

Baujahr 1910: die Norrskär. Heute erfreuen sich die einst vom Aussterben bedrohten Dampfschiffe wieder großer Beliebtheit.

(Foto: Foto: dpa)

Weiß wie ein Schwan nähert sie sich auf dem Wasser der Ostsee. Dampf quillt aus dem schwarzgelb lackierten Schornstein. Außen an der Reling baumeln halbe Baumstämme, um den Aufprall am Steg zu mildern.

Wer hier mit an Bord geht, erlebt gleich zweierlei: erfrischende Badefreuden und einen Ausflug in die Geschichte.

Reger Pendelverkehr zu den Schären

Bereits 1816 brachte der britische Ingenieur Samuel Owen die ersten Dampfschiffe nach Schweden. Eine Hand voll "Oldtimer" fährt heute immer noch - im Sommer alle 30 Minuten - von Stockholm in den Schärengarten. So nennen die Schweden die etwa 24.000 Felseninseln vor den Toren ihrer Hauptstadt. Dorthin fliehen sie an sonnigen Wochenenden, und die schwedische Wertschätzung für Tradition lässt viele die altertümlichen Dampfschiffe als Transportmittel wählen.

Die "Norrskär" läuft mit einem Zwischenstopp in Vaxholm die Insel Grinda an, die bei den Stockholmern das beliebteste Badeziel ist. Entsprechend voll ist der Dampfer. Die "Norrskär" ist knapp 35 Meter lang und nicht einmal sieben Meter breit - und auf jedem Quadratmeter drängen sich die Passagiere. Sie sitzen im Salon, wo sie sich, umgeben von roten Plüschsamtsofas, in vergangene Zeiten zurückversetzt fühlen, sie stehen Ellbogen an Ellbogen an der Reling, sie kauern mit Kinderwagen und Katzenkörben auf den Decks des 1910 in Göteborg gebauten Schiffs.

"Locker angehen lassen"

Markus Olmann, groß und blond, ist mit Freunden auf dem Weg zum Strand. "Grinda ist eine gute Insel zum Baden. Man kann auch Rad fahren und Kajak paddeln - es gibt viel zu tun", sagt er. "Das alte Dampfschiff haben wir genommen, weil wir mit einem schönen Schiff auf die Insel fahren wollten, wir möchten es locker angehen lassen."

Auf Vaxholm steigt kaum jemand aus, dafür quetschen sich noch ein paar Menschen mehr aufs Schiff. Kinder stehen an der Reling und spähen in die weiße Gischt, die der Dampfer trotz seiner gemächlichen Fahrt aufwirbelt. Die "Norrskär" passiert Inseln mit bunten Holzhäusern darauf, Segelboote gleiten vorüber, die Ostsee glitzert in der Sonne.

Im Bauch der "Norrskär" ist keine Spur von der Sommeridylle draußen. Im Dämmerlicht stampft und stöhnt die alte Dampfmaschine. Sie ist genauso alt wie das Schiff, fast 100 Jahre. Im Maschinenraum sollen ein abgewetzter alter Ledersessel und eine rote Schirmlampe Gemütlichkeit verbreiten - bei weit mehr als 40 Grad Hitze, ohrenbetäubendem Krach und Ölgestank.

Der Spezialist

Maschinist Weko Wirula hat einen dicken Bauch und viele Tätowierungen. Er ist schon auf allen Weltmeeren gefahren, auch auf Frachtschiffen nach Afrika, erzählt er. Er ist hart im Nehmen, aber die Wartung der Dampfmaschine von 1910 schafft ihn manchmal sehr: Es gebe immer weniger Ingenieure und Maschinenbauer, die das noch können, "aber es gibt ja auch nur noch wenige Dampfmaschinen in Skandinavien und überhaupt auf der Welt."

Kapitän Jone Wiklund sitzt derweil in kurzen Hosen auf der Brücke. "Diese alten Schiffe, die haben eine Seele. Allein schon diese Holzeinrichtung", sagt er, und seine Augen funkeln vor Begeisterung.

Wiklund fährt seit 14 Jahren zur See, er war auf Container- und Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Dass er jetzt zwischen Stockholm und Grinda mit einem Dampfer voller Badegäste pendelt, sei keineswegs langweilig, sagt er. Im Schärengarten müsse man höllisch aufpassen - wegen der vielen Freizeitboote, die zwischen den Inseln schippern.

Die Rettung der schwimmenden Museen

In den sechziger und siebziger Jahren seien die alten Dampfschiffe nicht so populär gewesen, erzählt Wiklund. "Die Reedereien waren der Meinung, dass sich der Betrieb nicht mehr rechnet und wollten sie still legen. Aber es fanden sich viele Enthusiasten, die haben für die Dampfschiffe gekämpft und dafür gesorgt, dass sie erhalten blieben. Und heute sind sie schwimmende Museen."

Dann hat der Kapitän keine Zeit für Geschichten mehr, sondern greift zum Mikrofon: "In Kürze erreichen wir Grinda. Nächster und letzter Halt: Grinda." Grüne Bäume und elefantengraue Granitfelsen zeigen an: Das Ziel ist erreicht. Eilig strömen die Passagiere nach einer Stunde Überfahrt für umgerechnet 15 Euro von den Decks der "Norrskär" auf das Inselchen. Als Planke dient ein Brett, älteren Leuten und kleinen Kindern hilft die Mannschaft beim Aussteigen.

Während die "Norrskär" nach Stockholm zurückfährt, geht es eiligen Schrittes über Kieswege durch den Wald zu einem der vielen Strände von Grinda. Über der kleinen Bucht kreischen Möwen, Nadelbäume duften harzig. Auf den Felsen, die von den Winterstürmen der Ostsee seit Jahrhunderten glatt geschliffen worden sind, werden Handtücher ausgebreitet. Und dann, endlich, die Belohnung für Überfahrt und Waldspaziergang: der Sprung in die kalte Ostsee.

Informationen: Schweden - Werbung für Reisen und Touristik, Hamburg (kostenloses Info-Telefon: 00800 / 30 80 30 80, Internet: siehe Link unten)

(sueddeutsche.de / dpa/gms)

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