Sicherheitskontrollen am Flughafen:"Die Leute werden gequält"

Angst vor Tennisschlägern und anderem: Sicherheitskontrollen am Flughafen sind unerbittlich - und nicht immer sinnvoll.

Dominik Hutter

Anekdoten gibt es inzwischen zuhauf aus der großen weiten Welt der Sicherheitskontrollen. Die vom russischen Flugpassagier etwa, der an der Sicherheitskontrolle des Münchner Flughafens mit einer Flasche Wodka aufgeflogen ist.

Sicherheitskontrollen am Flughafen, Heddergott
(Foto: Foto: Heddergott)

Flüssigkeit, ein ganzer Liter? Im Handgepäck verboten! Der erboste Mann entschied sich, die Pulle nicht einfach samt Inhalt abzugeben, sondern an Ort und Stelle auszutrinken. "Er kam noch 20 Schritte weit", berichtet Heinrich Schuster, Sprecher der Regierung von Oberbayern - dann waren die Reise und der ganze Tag gelaufen.

Kein Einzelfall übrigens, es gibt immer wieder Passagiere, die einen Blitzrausch als gerechte Strafe für das strenge Personal ansehen.

Peter Trautmann, der technische Geschäftsführer des Flughafen München, erzählt gerne die Geschichte von jenem Langstreckenpassagier, der im Duty-Free-Bereich des Bangkoker Flughafens noch schnell zwei Flaschen Whisky erworben hatte. Die mussten bei der Ankunft in München verzollt werden - und wurden kurz später bei einer Umsteiger-Sicherheitskontrolle aus dem Verkehr gezogen.

Einfach weil die Sicherheitsstandards in Thailand nicht den Gepflogenheiten der EU entsprechen. Wäre der Whisky im Duty-Free-Shop eines europäischen Flughafens gekauft worden, hätte er die Kontrolle unbeanstandet passieren dürfen. Oder wenn er aus Singapur stammte - die Sicherheitsvorkehrungen dieses südostasiatischen Flughafens werden in Europa ausnahmsweise anerkannt.

"Die Leute werden wirklich gequält", findet Thomas Ross, der Leiter des Konzernbereichs Recht und Sicherheit beim Flughafen München. Noch immer landet im Erdinger Moos täglich fast eine Tonne Flüssiges in den Müllcontainern - Colaflaschen, Zahnpastatuben, Hautcremedosen, Deodorants, Marmeladengläser und Parfumflakons, die den Passagieren an den Handgepäckkontrollen abgenommen wurden.

Wirklich Gefährliches wurde bislang nicht entdeckt, die Flüssigkeiten werden ungeprüft weggeworfen. "Wir gehen aber davon aus, dass schon die Existenz der Kontrollen Attentäter abschreckt", berichtet Schuster, zu dessen Behörde das für die Kontrollen zuständige Luftamt Südbayern gehört.

Auch Schuster räumt ein, dass rund um die Kontrollschalter häufig der "totale Ärger" herrscht. Charter- und Vielflieger haben sich zwar allmählich an die lästigen Plastiktütchen oder aber die absolute Trockenheit gewöhnt.

"Die Leute werden gequält"

Bei vielen Umsteigern aus Nicht-EU-Staaten, die in München vor dem Weiterflug erneut kontrolliert werden, stößt das Gezicke in "Old Europe" jedoch auf pure Ablehnung - vorausgesetzt, der Passagier hat überhaupt verstanden, was dieser deutsche Kontrolleur da gerade will. Denn auch die Sprachbarriere ist nicht zu unterschätzen.

Was die Fluggäste wohl auch in der aktuellen Reisezeit wieder auf die Palme bringen wird, ist freilich nicht als böse Schikane gedacht. Das Flüssigkeitsverbot, das im Herbst 2006 eingeführt wurde, ist eine Reaktion der Europäischen Kommission auf die - glücklicherweise vereitelten - Pläne von Terroristen, am Flughafen London-Heathrow startende Transatlantikjets mit Flüssigsprengstoff in die Luft zu jagen. Mit der Mengenbeschränkung im Plastikbeutel soll verhindert werden, dass die für eine Bombe kritische Masse erreicht werden kann.

Auch Flughafen-Mann Ross erinnert daran, dass "durchaus eine Gefahr da ist". Allerdings sei sie "sehr theoretisch". Ross ist daher der Auffassung, dass das Risiko, auf die Kontrollen zu verzichten, noch vertretbar wäre, Abwägungssache eben.

Immerhin haben es die Münchner noch vergleichsweise komfortabel: Wer schon einmal die langen Schlangen vor den Kontrollschaltern anderer europäischer Flughäfen, in Brüssel beispielsweise, genossen hat, wird die Situation in "MUC" entspannter beurteilen.

Teststreifen im Haarshampoo

In Großbritannien, so berichtet Ross mit Schaudern, werden sogar noch die kleinen Plastikbeutel, in denen kleine Fläschchen mitgenommen werden dürfen, in Stichproben kontrolliert - da wandert dann schon einmal ein Teststreifen in die Tube Haarshampoo.

Vielleicht wird es irgendwann die Technik richten: Die Industrie entwickelt bereits Geräte, mit denen Flüssigkeiten auch in ungeöffneten Gepäckstücken aus der Ferne analysiert werden können. Wenn diese Technologie anwendungsreif ist, so Ross, könnten die Passagiere auch wieder ihre Zwei-Liter-Colaflaschen in die Flugzeugkabine mitnehmen. Denn eine Rücknahme des Flüssigkeitsverbots ist nach Angaben der EU-Kommission nicht geplant - auch wenn die Regelung "laufend überprüft" werde.

Ebensowenig, und das dürften wohl allenfalls Exhibitionisten bedauern, wird übrigens an die Einführung des Ganzkörper-Scans gedacht, der die manuellen Personenkontrollen (Ross nennt das "Begrabbeln") ersetzen könnte. Bei dieser Technologie, die in einigen Ländern bereits erprobt wird, sieht der Kontrolleur die Passagiere splitternackt über den Bildschirm laufen. Die EU-Kommission versichert aber, dass "Aspekte der Intimsphäre sehr genau bedacht werden müssen".

Verschiedene Anschlagsszenarios

Ross findet freilich, dass Brüssel sehr viele Aspekte der Flugsicherheit etwas genauer abwägen sollte - um einen Kontroll-"Overkill" zu vermeiden. Oft sei gar nicht klar, was die EU mit ihren immer neuen Richtlinien überhaupt erreichen will, also "welches Anschlagsszenario dahintersteht".

"Die Leute werden gequält"

Beispiel Handgepäckgröße: Vor einiger Zeit gab es einen Vorstoß der Kommission, aus Sicherheitgründen nur noch Handgepäck bis zur Maximalgröße von 56 mal 45 mal 25 Zentimeter zuzulassen. Welche Gefahr geht von Handgepäck aus, das ein paar Zentimeter größer ist?, fragte sich Ross immer wieder - ohne je eine Antwort darauf zu finden. Immerhin trat diese Regelung nie in Kraft.

Nach Einschätzung Ross' wimmelt es von losen Enden in der Sicherheitsphilosophie der EU: Warum müssen Piloten an der auch für Flughafen-Personal obligatorischen Sicherheitskontrolle ihre Taschenmesser und Nagelfeilen abgeben - wo doch in jedem Cockpit eine griffbereite Notfall-Axt montiert ist?

Und warum gilt ein Tennisschläger als gefährlicher und daher verbotener Gegenstand, der ebenfalls zum Zuschlagen geeignete Laptop aber nicht?

Geheime Gefahrenliste der EU

Apropos Tennisschläger: Derzeit wird vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg der Fall eines Österreichers verhandelt, dem in Wien-Schwechat der Zugang zum Flugzeug verwehrt wurde, weil er zwei Tennisschläger in die Kabine mitnehmen wollte. Der Mann reichte Klage ein.

Die zuständige Generalanwältin Eleanor Sharpston, deren Plädoyers der EuGH zumeist folgt, hat bereits die Auffassung bekundet, die Gepäckvorgaben der EU seien rechtlich unwirksam, weil sie nicht veröffentlicht wurden. Die Passagiere hätten somit keine Möglichkeit, ihr Verhalten den Vorgaben anzupassen.

Tatsächlich habe, wie der Jurist Ross berichtet, Brüssel eine Liste verbotener Gegenstände verfasst, die allerdings nur in einem ausdrücklich als geheim eingestuften Anhang einer ohnehin recht unübersichtlichen EU-Richtlinie auftauche.

Die Kommission selbst hält das Ganze für ein Missverständnis. Die wesentlichen Informationen über verbotene Gegenstände hingen schließlich an allen Flughäfen aus. Formal, also im Amtsblatt, sei die Liste verbotener Gegenstände nicht veröffentlicht worden, da sie "einige Teile enthielt, die für Terroristen nützlich sein könnten".

Trotzdem soll nun alles anders werden: Im April beschloss die Kommission, einen nunmehr öffentlichen Anhang zu erstellen - einschließlich der vollständigen Liste verbotener Gegenstände im Handgepäck.

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