Serie: Deutsche Straßen:Einst schlief der Präsident hier, jetzt wird es wilder

Schlosshotel Bühlerhöhe

Heute sind sowohl Hotel Bühlerhöhe als auch die Straße in die Jahre gekommen; mit dem Unterschied, dass Letztere erneuert wird, während das Palasthotel seit Jahren geschlossen ist.

(Foto: Uli Deck/picture alliance/dpa)

Diese Route im Schwarzwald ist legendär: Früher trafen Reisende auf der Schwarzwaldhochstraße vor allem Kurgäste, nun röhren hier Hirsche und Motoren.

Von Hans Gasser

Ach, das waren Zeiten! Als man in der Ukraine nicht wusste, wo der Präsident steckte, Leonid Kutschma hieß der damals. "Alle Welt suchte ihn, und wo war er? Bei uns!" Bei uns, das war das Schlosshotel Bühlerhöhe, Schwarzwaldhochstraße 1. Wenn Reto Schumacher, langjähriger Hoteldirektor der Bühlerhöhe, über das Prachthotel mit Blick auf Rheinebene und Vogesen spricht, wird er etwas wehmütig. Es ist seit dem Jahr 2010 geschlossen, aus dem Tennisplatz sprießt der Sauerampfer; und wer sich in den Eingangsbereich des Hotels wagt, wird von einer litauischen Aufpasserin mit unsanften Gesten verscheucht: "Verboten! Nix Terrasse schauen!"

Das denkmalgeschützte Hotel mit seinen 90 Zimmern gehört einer Investorengruppe aus Kasachstan, und die hat offensichtlich kein Interesse am Hotelbetrieb. "Sehr schade, dass so ein Haus leer steht", sagt Schumacher, der bis vor Kurzem noch als Verwalter des Hauses fungierte. Er hofft, dass die Kasachen es bald wieder verkaufen, an einen Liebhaber, der erst einmal - vorsichtig geschätzt -, 30 Millionen Euro investieren müsste, um daraus wieder ein Fünf-Sterne-Haus nach heutigem Standard zu machen. Und selbst dann: "Big Money macht man damit nicht", sagt Schumacher. "Aber die Zeit der Schwarzwaldhochstraße wird wieder kommen, da bin ich überzeugt."

Das Hotel Bühlerhöhe steht stellvertretend für eine Epoche, in der im Nordschwarzwald eine Art erweiterter Kur- und Luxustourismus aus Baden-Baden und Baiersbronn heraus stattfand. 17 Hotels gab es einst entlang der Schwarzwaldhochstraße, die über 60 Kilometer von Baden-Baden nach Freudenstadt führt und offiziell den prosaischen Namen B 500 trägt.

Wer heute von der mondänen Kurstadt hinauffährt auf die zwischen den 1930er- und 1950er-Jahren gebaute Straße, dem bietet sich zunächst ein eher tristes Bild. Die alten Kurhäuser wie Sand, Hundseck oder Plättig sind entweder geschlossen oder verfallen. Zunächst windet sich die Straße durch den dunklen Wald, ohne viel Aussicht. Erst oben bei der Bühlerhöhe wird es offener. Die Max-Grundig-Privatklinik neben dem Hotel ist immerhin hervorragend in Schuss, der Parkplatz steht voll mit teuren Autos, und von der Terrasse bietet sich erstmals ein Blick durch ein Waldtal hinunter nach Bühl. Hübsch hier. Aber leider nur für Privatpatienten.

Wildnis statt Kultur, Sport statt Kur

Am Parkplatz nebenan beginnen zwei Themenwege: Der Luchs- und der Wildnispfad. Und das weist auch schon in die Richtung, die der Tourismus hier nimmt: Wildnis statt Kultur, Sport statt Kur. Sport, das bedeutet hier im Sommer vor allem Wandern. Der Westweg, schon 1900 als erster deutscher Fernwanderweg eröffnet, führt in einiger Entfernung parallel zur Hochstraße. Daneben gibt es eine Reihe von kurzen Themenwegen für Familien, am beliebtesten ist der Lotharpfad, auf dem man die Auswirkungen des Sturms von 1999 erleben kann und vor allem, wie der Wald ohne Eingriff des Menschen neu entsteht.

Wolfgang Schlund kann dazu eine Menge erzählen, er wird dafür bezahlt, den Wald Wald sein zu lassen und den Menschen zu erklären, warum das für sie besser ist, als Fichten zu pflanzen und zu fällen. Schlund, ein freundlicher Mann mit weißem Bart und hellblauen Augen, ist Direktor des Nationalparks Schwarzwald, des mit nicht einmal drei Jahren jüngsten Schutzgebietes dieser Art in Deutschland. Es erstreckt sich mit seinen 10 000 Hektar im Wesentlichen entlang der Schwarzwaldhochstraße.

Schlund sitzt unter einem ausgestopften Auerhahn in seinem Büro am Ruhestein. Er wirkt entspannt. Nach ziemlich anstrengenden Jahren mit heftigem Widerstand von Sägewerks- und Waldbesitzern, aber auch von Sportlern hätten sich die meisten mit dem Nationalpark abgefunden: "Die haben gesehen, dass wir sie nicht am Mountainbiken oder Langlaufen hindern, im Gegenteil machen unsere Waldarbeiter die Loipe heute besser als vorher, denn sie sind auch in den Sportvereinen und wissen, was die brauchen."

Vom neuen Nationalparkzentrum soll die ganze Region profitieren

Schlund zeigt stolz auf ein großes Foto mit der Animation des neuen Nationalparkzentrums, das aus mehreren langen, mit Holzschindeln quer durcheinander liegenden Prismen besteht. Es soll das Wurfholz eines Sturms symbolisieren und mit großer Dauerausstellung und kleinem Kino spätestens Anfang 2019 eröffnet werden. 20 Millionen Euro kostet es, die Pläne sind genehmigt. Von diesem Zentrum werde die Straße und die ganze Region profitieren, ist Schlund überzeugt. Allerdings müsse man auch ein neues Verkehrskonzept erstellen mit besserer Bustaktung, digitalem Parkraumkonzept und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Seine Mitarbeiter seien schon dabei, das auszuarbeiten.

Serie: Deutsche Straßen: Die Straße gab es noch gar nicht, als das Hotel Bühlerhöhe gebaut wurde.

Die Straße gab es noch gar nicht, als das Hotel Bühlerhöhe gebaut wurde.

(Foto: Hans Gasser)

Wer an einem schönen Sommerwochenende hier ist, der weiß, wovon Schlund spricht. Nicht nur schön anzuschauende Cabrio-Oldtimer und Tausende anderer Autos, sondern vor allem auch viele Motorradfahrer gehen auf der kurvigen Straße hochfrequent ihrem Hobby nach. "Wir haben nichts gegen Motorradfahrer, ein Großteil verhält sich rücksichtsvoll", sagt Schlund. Aber ein kleiner Prozentsatz von schwarzen Schafen müsse notfalls mit stärkeren Verkehrskontrollen zur Einsicht gebracht werden.

Ruhe von der viel befahrenen Straße bietet eine kurze Wanderung, etwa zum Wildsee. Vom Ruhestein kann man mit einem herrlich nostalgischen Einsersessellift für 2,50 Euro den ersten Hang hinaufschaukeln. Oben geht es dann fast eben mit toller Aussicht durch das Kerngebiet des Nationalparks, der vor allem für seinen Tannenbestand bekannt ist.

Vom Ruhestein zum Wildsee

Über Wurzeln und Buntsandstein unter Hunderte Jahre alten Tannen wandert man steil zum Wildsee hinunter, einem von mehreren eiszeitlichen Karseen im Park. Es ist sicher der naturbelassenste. Denn an dieser Stelle hat man schon vor mehr als 100 Jahren einen Bannwald zugelassen, also auf Eingriffe verzichtet. Umgestürzte Bäume, Moos und Farne, dazu der verwunschene, teils rötlich und dunkelgrün schimmernde Waldsee. Hier versteht man gut, warum der Schwarzwald eine so große Faszination auf Touristen aus aller Welt ausübt.

Deutschlandbild wie aus dem Katalog

Der Wildsee ist gut besucht, aber nichts im Vergleich zum Mummelsee, der direkt oben an der Straße liegt. Von bösen Zungen auch Rummelsee genannt, ballen sich hier die Tagestouristen. Man macht eine Tretbootfahrt auf dem See, spaziert um ihn herum, liest gebannt die Sage von den Mummelsee-Nixen, kehrt dann in dem großen Wirtshaus auf eine Schwarzwälderkirschtorte oder ein Rothaus-Pils ein, kauft zum Abschluss im Souvenirladen Schwarzwaldpüppchen, Schinken, oder, warum nicht, eine kleine Kuckucksuhr.

Ja, warum nicht? Die indische Familie am Nebentisch wirkt sehr glücklich, gebeugt über ihre großen Biere; später wird man sie oben auf der Hornisgrinde, dem höchsten Punkt des Nordschwarzwalds wiedertreffen, versonnen über die dunklen Waldberge ins Rheintal blickend. Sie holen sich hier ihr Deutschlandbild aus dem Katalog ab - so wie wir uns das Indienbild am Taj Mahal.

Sturm Lothar: touristisch ein "Sechser im Lotto"

Das Berghotel Mummelsee ist eines von zwei noch verbliebenen Hotels an der Schwarzwaldhochstraße. Das zweite ist das Hotel Schliffkopf, etwas weiter südlich mit schöner Aussicht gelegen. Heiko Fahrner, Wirt in dritter Generation, hat zusammen mit seinem Bruder und der Schwägerin aus der ehemaligen Hütte des "Schwäbischen Schneelaufbundes" ein zeitgemäßes und ziemlich großes Wellnesshotel gemacht. "Was sollen die Leute bei schlechtem Wetter sonst hier oben tun?"

Die Fahrners haben die Zeichen der Zeit erkannt und nennen sich Nationalparkhotel. In den Park setzt Fahrner große Hoffnung. "Wenn das Nationalparkzentrum endlich öffnet, wird uns das hier oben noch mal einen Schub geben", ist er überzeugt. Der zunächst verheerende Sturm Lothar sei touristisch ein "Sechser im Lotto" gewesen. Wo man früher von der Straße aus nur auf dunkle Fichten schaute, habe man jetzt manchmal einen Blick bis zu den Vogesen. Er hoffe nur, dass die Parkverwaltung nicht wieder alles zuwachsen lasse.

Um jedes Hotel, das es an der Straße nicht mehr gebe, sei es schade, sagt Fahrner. Manche hätten die Investitionen verschlafen, andere seien an der Nachfolge gescheitert. "Aber das Bühlerhöhe könnte man selbst dann nicht wirtschaftlich betreiben, wenn man nichts investieren müsste." Wie es an der Schwarzwaldhochstraße in zehn Jahren aussehen wird? Er wünsche sich, sagt Fahrner, es werde einen besseren öffentlichen Nahverkehr geben, weniger Lastwagen und Motorradrowdys und zwei, drei zusätzliche Hotels. "Letzteres geht wohl eher nicht in Erfüllung."

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