Sehenswert in Manhattan:Gondeln über New York

Ein ungewöhnlicher Anblick mitten in Manhattan: Zwischen den Wolkenkratzern der Upper East Side schweben kleine rote Gondeln, die man sonst auf ihrem Weg zu Berggipfeln und nicht über dem East River sieht.

Susanne Popp

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(Foto: Popp)

Ein ungewöhnlicher Anblick mitten in Manhattan: Zwischen den Wolkenkratzern der Upper East Side schweben kleine rote Gondeln, die man sonst auf ihrem Weg zu Berggipfeln und nicht über dem East River sieht. Eine Bilderreise von Susanne Popp 16.30 Uhr, New York City: Auf der 1st und 2nd Avenue steht die nachmittägliche Taxiparade still. Hektisch bahnen Anzugträger mit Handy am Ohr ihren Weg durch den Blechstau, ungeduldiges Hupen und die Sirenen mischen sich zum typischen Manhattan-Lärmpegel. Wie eine Fata Morgana schwebt plötzlich eine rote Gondel über die Straße Richtung East River - eine Seilbahn, die eigentlich Berggipfel mit dem Tal verbinden sollte. Doch dies ist keine Sinnestäuschung, sondern die vielleicht unbekannteste Attraktion der Ostküsten-Metropole: Mitten in New York City kann man mit einer Seilbahn zwischen den Wolkenkratzern dahingleiten. Ziel ist mangels Berg kein Gipfel, sondern Roosevelt Island im East River zwischen Manhattan und Queens.

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(Foto: Popp)

Die Fahrt beginnt am unauffälligen Terminal an der Kreuzung 59th Street und 2nd Avenue. Ungläubig steht man auf der erhöhten Plattform und sieht die roten Gondeln einschweben. Wie Spielzeug baumeln sie zwischen den Hochhäusern Manhattans. Statt über verschneite Gipfel schweift der Blick über die gläsernen Fassaden der Büros und Wohnungen an der Upper East Side.

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(Foto: Popp)

In den Gondeln bleibt das etwas surreale Gefühl: Der Lärm Manhattans verstummt, das einzige Geräusch in der Kabine ist das unaufhörliche Klicken der Kamera des japanischen Touristen im "I love New York"-T-Shirt. Jede Sekunde der Fahrt wird in Bildern festgehalten. Die Mehrzahl der Passagiere allerdings scheint der imposante Blick auf die sonnenbeschienene Skyline nicht zu beeindrucken. Es sind vor allem New Yorker selbst, die den nostalgischen Transportweg nutzen. So schweben bereits um sechs Uhr morgens die ersten Gondeln mit Berufstätigen über den Fluss. Zu Stoßzeiten pendelt die Bahn alle siebeneinhalb Minuten, richtig voll werden die immerhin 110 Personen fassenden Kabinen aber selten.

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(Foto: Popp)

Die Roosevelt Island Tramway ist eine der ältesten Seilbahnstrecken Nordamerikas - und überhaupt eine von nur zwei Luftseilbahnen, die in den USA für den öffentlichen Nahverkehr genutzt werden. Seit 1976 verbindet sie Manhattan mit Roosevelt Island im East River. Ursprünglich als provisorische Transportlösung gedacht, da sich in den 1970er Jahren der U-Bahn-Bau auf die Insel verzögerte, avancierte "The Tram" schnell zum Liebling der New Yorker. Fast parallel zur Queensboro Bridge schweben daher nach wie vor jeden Tag die Gondeln über den Fluss.

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(Foto: Popp)

Der Anblick der roten Kabinen vor dem riesigen beigen Stahlgerüst der Queensboro Bridge mag dabei dem ein oder anderen Kapitän auf dem Fluss wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film vorkommen. Auch Hollywood fand die Tram der New Yorker fotogen genug als Schauplatz in bekannten Blockbustern. So diente sie bereits 1981 als Kulisse für Nighthawks mit Sylvester Stallone. Natalie Portman schwebte in Leon - Der Profi (1994) über das Wasser. Besonders stolz sind die Tramschaffner allerdings auf die Szenen in Spider-Man (2002): Dieser bewahrt die rote Gondel und die mitfahrenden Kinder vor dem Absturz - dieser war natürlich nicht von Materialfehlern, sondern vom bösartigen Grünen Kobold verursacht worden.

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(Foto: Popp)

Die ursprüngliche Pendelbahn aus den 1970er Jahren hatte aber auch ohne das Zutun von Leinwand-Bösewichten immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Stromausfälle und technische Defekte legten sie wiederholt lahm, so dass die Stadt New York im vergangenen Jahr den Bau einer neuen Breitspurbahn genehmigte. Am 30. November 2010 eröffnete die moderne Seilbahn und konnte bei stürmischem Herbstwind gleich in den ersten Tagen ihre Sicherheit unter Beweis stellen: Die nach Vorbild der weltweit größten Luftseilbahn - des Vanoise Express in Frankreich - konstruierten Gondeln schweben entlang zweier dicker Tragseile über den East River.

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(Foto: Popp)

Ist die Station auf der Hauptstraße der Insel nach 945 Metern und rund dreiminütiger Fahrt erreicht, erwartet Besucher vor allem eines: ungewohnte Stille. Nur gedämpft klingen die Sirenen, das Hupen und Brummen Manhattans über den Fluss. Bei einem Spaziergang entlang der Promenade hört man Möwen kreischen und Vögel zwitschern. Sehenswürdigkeiten und die in Manhattan an jeder Straßenecke wartenden Schnappschuss-Motive sucht man auf der gut drei Kilometer langen Roosevelt Island aber vergeblich.

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(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die größte Attraktion ist die Seilbahn selbst. So prägen in erster Linie Wohngebiete und Krankenhäuser das Erscheinungsbild der Insel und lassen die meisten Touristen eher den Blick zurück auf die Skyline Manhattans werfen. Oder in einem der kleinen Restaurants und Cafés einkehren, von denen rund eine Handvoll die übliche New Yorker Mischung aus Delis, Kaffeehausketten und asiatisch oder italienischer Küche präsentiert. An der Südspitze der Insel entsteht in Erinnerung an den Präsidenten Franklin D. Roosevelt der "Four Freedoms Park", der im Herbst 2012 fertiggestellt sein soll.

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(Foto: Popp)

Den Namen Roosevelt Island trägt die schmale Insel zwischen Manhattan und Queens erst seit 1973. Zuvor hatten Strafanstalten und Krankenhäuser "Welfare Island" zum für Touristen kaum attraktiven Ziel degradiert. An der Südspitze findet man beispielsweise ...

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(Foto: AP)

... die verfallende Ruine des Smallpox Hospital (im Bild), das zu Einwanderungszeiten als Quarantänestation für Pockeninfizierte genutzt wurde. Nach der Schließung verfiel das Gebäude, die Mauerreste sind bis heute die einzige denkmalgeschützte Ruine in New York City. An sie wird der neue "Four Freedoms Park" anschließen. Ansonsten besteht die Insel aus einem fast autofreien Wohngebiet und zwei großen, modernen Krankenhäusern.

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(Foto: Popp)

Die Bewohner von Roosevelt Island können seit Oktober 1989 auf typischem New Yorker Weg unter dem East River hindurch per Metro ihre Insel erreichen. Viele entschweben dennoch nach wie vor lieber mit "The Tram" entlang der Queensboro Bridge. Vielleicht aus Nostalgie. Oder um einfach für kurze Zeit dem hektischen New Yorker Alltag zu entfliehen - auch wenn es nur ein paar Minuten Stille sind, bevor die Fahrgäste am Terminal in der 59th Street wieder vom gewohnten Lärm der Stadt empfangen werden. Die Fahrt mit der Tram kann mit der normalen Metro Card bezahlt werden und kostet einfach 2,25 US-Dollar, genauso viel wie das U-Bahn-Ticket. Während der Stoßzeiten (Montag bis Freitag) von 7 bis 9:30 Uhr und von 15.30 bis 20 Uhr heben die Gondeln alle siebeneinhalb Minuten ab, sonst viertelstündlich.

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