Schlafkabinen an Flughäfen:Ganz schön eng hier

"Napcab"-Schlafkabine am Münchner Flughafen

Eine "Napcab"-Kabine am Terminal 2 des Münchner Flughafens.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Was tun, wenn ein paar Stunden beim Zwischenstopp totzuschlagen sind? An immer mehr Flughäfen versprechen Kurzzeit-Hotels und Schlafkabinen Passagieren etwas Ruhe inmitten des Getümmels. Wenn es nur so einfach wäre.

Von Steve Przybilla

Grelles Licht, laute Durchsagen, wuselnde Menschenmassen: Wie soll man da Ruhe finden? Im Kinofilm "Terminal" steht der Osteuropäer Viktor (Tom Hanks) vor genau diesem Problem. Er darf den Transitbereich des Flughafens nicht verlassen, hält es vor Müdigkeit aber kaum aus. Notgedrungen verzieht er sich in einen Bereich, der gerade renoviert wird, reißt Sitzbänke auseinander und schiebt sie zum Schlafen neu zusammen. Nicht gerade das Hilton, aber besser als nichts.

Wäre der Film zehn Jahre später gekommen, hätte es Viktor leichter gehabt. Heute umwerben Kurzzeit-Hotels und Anbieter von Schlafkabinen jene Reisende, die mehrere Stunden im Terminal totschlagen müssen. Den Flughafen verlassen und in ein reguläres Hotel einchecken wollen schließlich die wenigsten. Die Lösung: "Minute Suites", wie es sie etwa am Flughafen Philadelphia gibt. Das Kurzzeit-Hotel befindet sich direkt im Sicherheitsbereich.

Nebenan spielt jemand Ballerspiele

"Wie lange soll's denn sein?", fragt Brittany May, eine Studentin, die halbtags in der Unterkunft arbeitet. Nach einem Mindestaufenthalt von einer Stunde kann man 15-Minuten-Intervalle hinzubuchen. Die Zimmer befinden sich direkt hinter der Rezeption, verborgen hinter einer dicken Schiebetür mit Sicherheitsschloss. "Ich bringe dann gleich noch die Bezüge", sagt Brittany May und verschwindet wieder.

Die erste Überraschung: Ganz schön eng hier. Die "Suite" ist nicht breiter als das Ausziehsofa, das zur Standard-Ausstattung gehört. Der 32-Zoll-Fernseher, mit dem man auch im Internet surfen und Flugzeiten nachschlagen kann, wirkt riesig. Außerdem vorhanden: ein kleiner Tisch, ein Drehstuhl, ein Spiegel, zwei Kleiderbügel und ein Radiowecker. Ein Waschbecken sucht man vergeblich. Und die Toilette? "Eine eigene haben wir leider nicht", sagt Brittany May, als sie mit dem Bettzeug zurückkommt. Die Waschräume des Flughafens befänden sich aber ganz in der Nähe.

Ruhe finden - das ist das Kernziel eines Kurzzeit-Hotels. Die "Minute Suites" werben mit einem "einzigartigen Lärmunterdrückungssystem", das Hintergrundgeräusche ausblendet - theoretisch jedenfalls. In der Realität versteht man jedes Wort, wenn Brittany May an der Rezeption telefoniert. Der Gast im Nebenzimmer spielt Ballerspiele. Außerdem rauscht die Lüftung. Immerhin ist das Sofa bequem, obwohl man auf nacktem Leder schlafen muss. Die Bettwäsche erschöpft sich in einer Wolldecke und in Papierüberzügen für die Kopfkissen - ein Gefühl wie beim Arzt.

Und trotzdem: Sobald man den kleinen Raum verlässt - zum Beispiel, um die Toilette aufzusuchen -, wird der Unterschied deutlich. Das Rattern der Rollkoffer, die lauten Durchsagen, die dudelnde Flughafenmusik: All das hört man in der "Minute Suite" tatsächlich nicht. Auch das vermeintliche Rauschen der Lüftung hat einen besonderen Zweck - die Lärmunterdrückung. Per Drehknopf kann der Gast wählen, wie laut es rauschen soll. Für die meisten Reisenden überwiegen offenbar die Vorteile. "Die Leute nehmen unser Angebot dankbar an", sagt Hotelleiterin Angie Alfonso. Bisher gibt es "Minute Suites" an drei amerikanischen Flughäfen, weitere sollen folgen. Auf Bewertungsportalen wie Yelp äußern sich die meisten Gäste dankbar über das zusätzliche Angebot. "Ich würde es noch einmal machen", schreibt ein "Minute Suite"-Kunde, "aber dann mit Ohrstöpseln und Schlafmaske."

Amsterdam und London, bald soll Frankfurt folgen

Auch in Europa gibt es Kurzzeit-Hotels, wenngleich nur wenige. In Amsterdam beispielsweise sowie an den Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick kann man in sogenannten Yotels einchecken. Die Zimmer sind, anders als bei der amerikanischen Konkurrenz, mit Dusche und WC ausgestattet. Am Münchner Flughafen ist das Angebot ein wenig spartanischer. Dort können sich Reisende in Schlafkapseln, genannt Napcabs, zurückziehen. Sie sind kleiner als eine "Minute Suite", enthalten aber ebenfalls ein Bett und ein Tischchen.

"Weil wir kein Hotel sind, benötigen wir weniger Platz", sagt Napcab-Marketingleiter Jörg Pohl. Durch die kompakten Maße der temporären Bleibe könne man flexibler reagieren und die 2,50 mal 1,65 Meter großen Kabinen je nach Bedarf an verschiedenen Orten aufstellen. Die Nachfrage sei groß. "Wir wollen unser Netz ausbauen und verhandeln zurzeit mit mehreren Flughäfen. Wenn alles klappt, kommt bis zum Ende des Jahres ein weiterer Standort hinzu", so Pohl.

In Frankfurt, Deutschlands größtem Flughafen, sucht man Kurzzeit-Hotels bisher noch vergeblich. Der Trend ist aber auch dort angekommen. "Aus unseren Passagierbefragungen wissen wir, dass sich die Leute ein solches Angebot wünschen", sagt Flughafensprecher Dieter Hulick. Mehr als die Hälfte der jährlich 58 Millionen Passagiere seien Umsteiger. "Natürlich haben nicht alle einen längeren Aufenthalt", sagt Hulick, "aber für viele dürfte das ein interessantes Angebot sein." Ab nächstem Jahr werde es daher auch in Frankfurt ein Kurzzeit-Hotel geben.

Informationen

Minute Suites: Flughäfen Atlanta, Philadelphia und Dallas-Fort Worth, Preis: 25 Euro/Std., jede weiteren 15 Minuten sechs Euro (nach zwei Stunden vier Euro), Übernachtungspauschale: 90 Euro, Bezahlung per Kreditkarte oder in bar, www.minutesuites.com.

Napcabs: Flughafen München, Terminal 2 (Ebene 4, Gate 06, und Ebene 5, Gate H32). Preis: 15 Euro/Std. (6 bis 22 Uhr) bzw. 10 Euro/Std. (22 bis 6 Uhr); Mindestbetrag: 30 Euro; Bezahlung per Kreditkarte, www.napcabs.net.

Yotel: Flughäfen London-Gatwick (Süd-Terminal), London-Heathrow (Terminal 4) und Amsterdam-Schiphol (Haupt-Terminal). Preis: 11,50 Euro/Std., die Mindestnutzdauer beträgt vier Stunden, www.yotel.com.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: