"Sakrileg" als Reiseführer:Dem Gral auf den Fersen

Auf den Spuren eines Weltbestsellers: Was Touristen erleben, die sich in Paris auf die Suche nach den Originalschauplätzen machen.

Der Mona Lisa hat der US-Weltbestseller "The Da Vinci Code" (deutsch: "Sakrileg") wohl noch einige hunderttausend Betrachter mehr verschafft, und mit dem Gemälde im Pariser Louvre profitiert die ganze französische Hauptstadt von der Neugier, die Dan Browns umstrittener Thriller ausgelöst hat.

Noch bevor die aufwändige "Sakrileg"-Verfilmung ins Kino kommt, hat der Roman ziemlichen Rummel ausgelöst. Davon profitieren nicht nur Reiseunternehmen, sondern auch Religions- und Kunstexperten: Sie helfen Hobbydetektiven, Fehler und Ungereimtheiten aufzuspüren.

"Der Louvre ist noch schöner, als ich mir vorgestellt habe", schwärmt die 31-jährige Tara Watts aus den USA. Mit ihrem Freund Michael Pleasant wäre sie ohne den "Da Vinci Code" wohl nie von New York nach Europa gekommen.

Teure Originalschauplätze

Nun lassen sich beide durch die "Tatorte" des Krimis führen, der mit einem Mord in der Großen Galerie des Louvre beginnt. "Das ist ein faszinierendes Buch, ich habe viel über Religion, Geschichte und Kunst gelernt", sagt Tara. Ihr Freund gibt sich nüchterner: "Es ist ein Roman."

Satte 24.000 Euro pro Drehtag war der Produktionsfirma Columbia der "Original-Schauplatz" Louvre wert. Die Regierung in Paris hat gesehen, dass so ein Film sehr wirkungsvoll ist, um Touristen anzulocken - ähnlich wie der im Versailler Schloss gedrehte Streifen "Marie-Antoinette". Beide Filme werden beim Festival von Cannes gezeigt.

Dem Gral auf den Fersen

"Paris liebt die Symbole", schmunzelt die Reiseführerin Genie, die für 30 Euro mit Touristen vom Ritz-Hotel über den Concorde-Platz und den Louvre zur Kirche Saint-Sulpice stapft. Neugierige wollen wie im Thriller in einer Art Schnitzeljagd den wahren Kern aus Kunst- und Religionsgeschichte erfahren.

Dabei reicht Browns Werk nicht, wie Louvre-Führer und Kunsthistoriker Jacques Le Roux sagt: "Man ist völlig verloren, wenn man mit dem Buch in der Hand seinen Weg finden will."

"Manche Dinge sind falsch", stellt auch die Dänin Kirsten etwas enttäuscht fest. Sie ist mit einer Freundin in Paris, "um das im Buch Beschriebene in Natura zu erleben". Paul Roumanet kann nur bestätigen, dass Brown sich einiges an dichterischer Freiheit genommen hat.

Touristenattraktion wider Willen

Der Pfarrer von Saint-Sulpice weist Hobbydetektive seit Monaten darauf hin, dass die auf dem Boden seines Gotteshauses markierte Linie nichts mit einer geheimnisvollen "Rosenlinie" gemein hat: "Dies ist keine mystische Achse."

Der Kirche brachte das Buch nach Roumanets Schätzungen an die hunderttausend zusätzliche Besucher pro Jahr. Für die Dreharbeiten mit Tom Hanks und Audrey Tautou gab er sie aber nicht her: "Es ist nicht unsere Bestimmung, Filme zu machen", sagt der Pfarrer freundlich, aber entschlossen. "Wir sind eine Pfarrkirche mit vier Messen am Tag."

Gar nicht eingehen mag er auf den Streit um die Thesen des Buches: Da ist das konservative Opus Dei eine Organisation von Verschwörern, die auch vor Kapitalverbrechen nicht zurückschreckt, um einer geheim gehaltenen Nachkommenschaft von Jesus Christus nachzuspüren.

Zudem stellt Brown einen 1956 gegründeten esoterischen Club als jahrhundertealten Geheimbund dar. Die Journalistin Marie-France Etchegoin hat in einem Buch Fakten und Fehler zum "Da Vinci Code" zusammengetragen und ärgert sich, wenn der US-Autor beteuert, seine Beschreibungen seien akkurat. Bauwerke und Stadtgeografie werden falsch dargestellt, Irrtümer gibt es etwa auch bei den Angaben über die Evangelien.

4000 Euro für "Da Vinci Code"- Reisen

Die Veranstalter von "Da Vinci Code"-Reisen ficht dies nicht an. Ihre Lieblingszielgruppe kommt aus Übersee und ist bereit, etwa für ein paar Tage im "Sakrileg"-umwitterten Château de Villette mit Abstechern zu den Pariser Schauplätzen rund 4000 Euro hinzublättern.

Michael und Tara aus New York sind immerhin begeistert genug, um gleich von Paris aus zu "Tatorten" in Großbritannien weiterzueilen. Sie nehmen den Hochgeschwindigkeitszug Eurostar nach London. Passagiere mahnt Eurostar allerdings zur Vorsicht: Mehr als tausend Exemplare des Romans wurden bereits an Bord vergessen.

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