Reiserecht:Streit über verspäteten Urlaubsflieger muss der Europäische Gerichtshof entscheiden

Tui AG

Eine Boeing der Fluggesellschaft Tuifly am Flughafen Hannover: Eine Familie fordert Entschädigung von der Fluglinie nach einem verspäteten Flug.

(Foto: dpa)
  • Der Bundesgerichtshof hat einen Fall zum Thema Reiserecht an den Europäischen Gerichtshof übergeben.
  • Eine Familie hatte den Anschlussflug verpasst und war daher mit 14 Stunden Verspätung am Reiseziel angekommen.
  • Die Flüge waren von unterschiedlichen Airlines durchgeführt, aber über ein Reisebüro gebucht worden.
  • In einer EU-Verordnung wird geregelt, wann Reisende Anspruch auf eine Entschädigung haben.

Der Flug gestrichen, der Flieger überbucht, der Anschluss nicht mehr zu schaffen: Wer mit so viel Ärger in den Urlaub startet, kann zumindest auf eine finanzielle Entschädigung hoffen. Das ist für Passagiere in der EU seit 2005 in einer Verordnung geregelt.

Geld gibt es in aller Regel dann, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Je nach Flugstrecke bekommen die Passagiere 250, 400 oder 600 Euro - allerdings nicht automatisch.

Grundsätzlich kein Geld gibt es, wenn die Probleme auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgehen, die die Airline nicht beeinflussen kann. So sah der BGH etwa keinen Ausgleichsanspruch für Ausfälle oder Verspätungen, die von Pilotenstreiks, Schäden durch Vogelschlag oder eine verzögerte Landeerlaubnis verursacht waren.

Immer wieder kommt es jedoch auf die Feinheiten an, wie ein aktueller Fall zeigt, den der Bundesgerichtshof (BGH) nun an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) übergeben hat.

Worum es in dem aktuellen Fall geht

Ein Ehepaar mit seinen zwei Töchtern hatte über einen Reiseveranstalter einen Pauschalflug von Hamburg über Las Palmas nach Fuerteventura gebucht (Az. X ZR 138/15). Weil das Zeitfenster zwischen beiden Flügen nur eine Stunde betrug und der Flug mit Tuifly in Las Palmas mit einer etwa 20-minütigen Verspätung landete, erreichte die Familie den nächsten Flug mit der spanischen Gesellschaft Binter nicht mehr und kam letztlich mit 14 Stunden Verspätung auf Fuerteventura an.

Die Familie forderte daher Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 1600 Euro von Tuifly. Dagegen wehrt sich allerdings die Fluggesellschaft und macht geltend, das der Flug des Unternehmens nur 15 Minuten zu spät gekommen sei und nicht mehr drei Stunden. Für die knappe Flugplanung sei nicht Tuifly, sondern der Reiseveranstalter verantwortlich. So sahen das auch die Vorinstanzen.

Laut BGH soll der EuGH nun mit Blick auf den Begriff "Anschlussflug" klären, ob Reisende nur dann einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, wenn die Airline, die die Verspätung verursacht einen Flugschein oder eine Buchungsbestätigung für beide Flüge ausstellt, oder ob es ausreicht, wenn eine entsprechende Buchungsbestätigung durch einen Reiseveranstalter erteilt wird.

So können Passagiere zu ihrem Recht kommen

Im Fall einer Verspätung müssen die Reisenden das Geld zunächst von der Fluggesellschaft einfordern. "Wenn keine Antwort kommt, hat man weitere Möglichkeiten", erläutert Reise-Expertin Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Seit November 2013 können Reisende sich kostenlos an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden, wenn der Anbieter nicht zahlt. Beschwerden zu Flügen machen dort inzwischen etwa drei Viertel aller Fälle aus. Mit den 41 Fluggesellschaften, die sich derzeit an dem Verfahren beteiligen, bemüht sich die Schlichtungsstelle um eine außergerichtliche Einigung - in etwa neun von zehn Fällen mit Erfolg.

Eine Alternative sind Anbieter wie das Potsdamer Unternehmen Flightright, die darauf spezialisiert sind, Fluggast-Rechte für Kunden gegen Provision durchzusetzen.

"Wenn die Airline schreibt: 'Nein, Sie haben leider keinen Anspruch', kann der Fluggast alleine ja nicht nachprüfen, ob das nur eine strategische Ausrede ist", sagt Julia Roitsch von Flightright. Besonders oft klagt Flightright nach eigenen Angaben gegen Billigairlines wie Ryanair und Easyjet. Bei Erfolg erhält Flighright ein Viertel der Entschädigungssumme.

Warum es so oft Streit über die Entschädigung von Flugreisenden gibt

Für die Fluggesellschaften geht es um viel Geld. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft beziffert die jährlichen Ausgaben mit etwa 132 Millionen Euro. Auf EU-Ebene setzt er sich dafür ein, dass Passagiere erst ab fünf Stunden Verspätung einen Ausgleich bekommen - gegen den Widerstand von Verbraucherschützern: "Das würde bedeuten, dass weniger als ein Prozent der Verspätungen noch zu Ansprüchen führen", kritisiert Jungbluth. Eine Revision der Verordnung liegt aber ohnehin auf Eis. Sie ist derart umstritten, dass derzeit nicht einmal darüber verhandelt wird.

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