Reisen in den Kaukasus:Gipfel der Gewalt

Schneesichere, lange Abfahrten, dazu ideale Bedingungen für Tourengeher, Freerider und Heli-Skiing: Der Kaukasus ist Moskaus ehrgeizigstes Projekt für Urlauber - und wird unter Touristen immer beliebter. Allerdings auch für Terroristen.

Frank Nienhuysen, Moskau

Da kann Moskau so viele Skipisten anlegen, wie es will, und mit künstlichem Alpenpanorama garnieren, es werden doch kleine Maulwurfshügel bleiben im Vergleich zum mächtigen Kaukasus. Berge sind nun einmal Berge, dachte sich auch Denis Belokon und reiste wie jedes Jahr an den Elbrus. Seine schwangere Frau ließ der Moskauer diesmal zu Hause, stattdessen überredete er seinen Vater zur Skitour in den Süden. Aber der ist nun geschockt. Vor seinen Augen wurde der Sohn erschossen, er selber wurde verletzt in ein Krankenhaus gebracht.

The damaged cabin of a cable car blown up by attackers, is seen near Mount Elbrus in Kabardino-Balkaria in Russia's North Caucasus region

Zerstörte Gondeln nach einem Anschlag in Kabardino-Balkarien am Berg Elbrus im Nordkaukasus.

(Foto: Reuters)

Die Belokons saßen in einem Minibus-Taxi, das sie vom Flughafen in ein Skiresort fahren wollte, als sie von einem Auto zum Anhalten gezwungen wurden. Bewaffnete Männer gaukelten eine Kontrolle vor, dann schossen sie auf die Moskauer Touristengruppe; drei von ihnen wurden getötet.

Zahl der russischen Österreich-Urlauber steigt an

Nur wenige Stunden später explodierte an einem anderen Skiort im Kaukasus ein Sprengsatz und zerriss eine Seilbahn. 30 Gondeln stürzten in den Schnee. Nur weil es bereits spät am Abend war, gab es keine Opfer. Das Kaukasus-Gebirge dürfte nun wohl noch mehr an Anziehungskraft verlieren.

Es gibt Bergsteiger, die auf dem Mount Everest waren und doch den Kaukasus hinreißender finden. Trotzdem steigt vor allem die Zahl der russischen Österreich-Urlauber steil an, zuletzt um mehr als 30 Prozent. Das kann an den Alpen liegen, aber auch am Kaukasus, an dessen Ausläufern Terrorgruppen immer wieder Anschläge ausbrüten.

Die russische Regierung hat deshalb kürzlich einen interessanten Plan vorgestellt: Für 15 Milliarden Dollar sollen im Kaukasus fünf Urlaubszentren entstehen, 104.500 Hotelbetten, 250 Kilometer Straßen. Moskau will mit "Touristen-Clustern" Jobs schaffen und so dem Terror den Nährboden entziehen.

Die Scheu der Investoren

Von einem kaukasischen Courchevel ist die Rede, aber dazu muss Russland erst einmal die Scheu der Investoren beseitigen. Der tödliche Angriff auf die Moskauer Touristen und der Anschlag auf die Gondeln wird die Überzeugungsarbeit nicht gerade erleichtern.

Noch haben sich keine Urheber zu den Taten bekannt. Aber ob dogmatische Islamisten dahinter stecken oder skrupellose Machtmenschen, die um ihren geschäftlichen Einfluss fürchten, falls die Skiprojekte Wirklichkeit werden: Der Verdacht liegt nahe, dass die Täter den Ruf des Nordkaukasus als instabile Region festigen wollen.

Die russische Regierung steht nun vor einem Dilemma. An den ehrgeizigen Tourismusplänen will man selbstredend festhalten; aber mehr Opfer darf es natürlich nicht geben. Und so griff der Sonderbeauftragte des Präsidenten für den Nordkaukasus am Montag zu einem Mittel, das schwer zu beschönigen ist. "Hören Sie zunächst damit auf, Touristen hierher zu bringen", sagte Alexander Chloponin den Vertretern der Elbrus-Region. "Machen Sie eine Pause."

"Anreise mit dem Schützenpanzer"

Das Skifahren ist zweifelsohne ein betrübter Genuss, wenn nebenan maskierte Sondereinsatzkräfte den Terror bekämpfen. Eine Sprecherin des Touristenverbandes erklärte, schon nach Beginn der Konflikte zwischen Russen und Kaukasiern im Dezember hätten die ersten Touristen ihre Fahrt zum Elbrus storniert. Und nun, zur besten Reisezeit, seien die Gebiete gerade einmal zur Hälfte ausgelastet.

Moskau wird also viel bieten müssen, wenn es eines Tages seine modernen Kaukasus-Resorts füllen will. Bis dahin empfiehlt ein sarkastischer Blogger einen Schützenpanzer zur Anreise. "Damit kommt man ohne Probleme hin - wenn nicht gerade ein Granatwerfer auf ihn schießt."

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