Reisen in Afrika: Senegal:Sklavenfort und Kolonialcharme

Lesezeit: 6 min

Lebendige Vergangenheit und farbenfrohe Gegenwart - auf den der Küste Senegals vorgelagerten Inseln können Urlauber beides erleben.

Es ist nur eine kurze Fahrt mit der Fähre, auf der sich Touristen und Schulkinder drängen. Doch je mehr der Hafen von Senegals Hauptstadt Dakar mit seinen Containerschiffen in die Ferne rückt und je größer vor dem Bug die Insel Goree wird, desto mehr ahnen die Besucher, dass sie eine Reise in die Vergangenheit vor sich haben.

Reisen in Afrika
:Fort Goree vor der Küste Senegals

Auf der kleinen Insel mit ihren engen Gassen, auf der nur 1300 Menschen leben und viele Künstler ihre Ateliers eingerichtet haben, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Es gibt keine Autos - wozu auch? Die Insel, die nur drei Kilometer von der Küste entfernt ist, lässt sich leicht in einem zweistündigen Spaziergang umrunden.

Das ohnehin gemächliche afrikanische Tempo ist auf Goree noch einmal ein wenig gedrosselt. Dabei soll niemand behaupten, dass sich die Insulaner dem 21. Jahrhundert verschließen: Die Funkantenne für das auch auf der Insel funktionierende Mobiltelefonnetz steht - als Palme getarnt - am Rande der trutzigen Festungsanlage, und es gibt sogar einen Internet-Hotspot unter einem Schatten spendenden Banyan-Baum auf dem staubigen Platz vor dem Rathaus.

Bei der Ankunft im Hafen warten die einzigen Menschen auf Goree, die etwas Hektik verbreiten, wenn sie sich als Fremdenführer oder Souvenirverkäufer auf die Besucher stürzen. Auf der Insel dürfte es aber unmöglich sein, sich zu verirren - und so lässt sich die zum Weltkulturerbe gehörende Altstadt auch auf eigene Faust erkunden.

In den Gassen herrscht zwischen den in Gelb-, Rot- und Ockertönen gestrichenen Häusern mit ihren grünen oder blauen Fensterläden eine mediterrane Atmosphäre. Nur der feine, helle Saharasand und die Menschen in ihrer bunt bedruckten Kleidung erinnern daran, dass die französische und portugiesische Vergangenheit der Insel schon lange vorbei ist.

Das erste Ziel ist ein ziegelrotes Gebäude mit großzügig geschwungener Freitreppe, die in einen hellen Innenhof führt. Der fast barock anmutende Bau steht für ein düsteres Kapitel der Inselgeschichte: Im "Maison des Esclaves" befindet sich ein Museum, das an den Sklavenhandel nach Europa und Nordamerika erinnert, der Jahrhunderte lang auch in Goree ein wichtiger Wirtschaftszweig war.

Vor allem afroamerikanische Besucher sehen den Besuch des Museums als Pilgerreise in die Heimat ihrer Vorfahren an. Hatten sie früher meist den Roman "Roots" im Reisegepäck, ragt nun häufig "Dreams of my Father" von US-Präsident Barack Obama aus der Tasche. Auch Papst Johannes Paul II., die südafrikanische Freiheitsikone Nelson Mandela und die US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush schritten schon durch die düsteren, engen Räume, in denen die versklaven Afrikaner eingesperrt waren. Auch sie blickten bereits durch die "Pforte ohne Wiederkehr", die auf den Atlantik hinausführt.

Millionen Afrikaner hätten das Sklavenfort von Goree passiert, heißt es auf einer der Plaketten, und auch Shawna Washington aus Detroit in den USA, die geradezu andächtig durch die Kerkerräume geht, spricht vom "Elend der Millionen unserer Brüder und Schwestern".

Neuere historische Forschungen widersprechen allerdings diesen Zahlen, und auch mit Blick auf die beengten Verhältnisse im Fort erscheint es als unwahrscheinlich, dass ein großer Teil der 20 Millionen afrikanischen Sklaven ausgerechnet von Goree aus verschifft wurde. Hinzu kommen die knappen Trinkwasserressourcen auf der Insel, die die Versorgung von tausenden Sklaven unmöglich gemacht hätten.

"Inzwischen wird auch bezweifelt, dass die Sklaven tatsächlich durch die Pforte ohne Wiederkehr auf die Schiffe gebracht wurden", erzählt ein Museumsführer und zeigt auf die hohen Wellen jenseits des Forts: "Da draußen sind Felsriffe, und bis zur Anlegestelle ist es von hier aus nur ein kurzer Weg. Wahrscheinlich sind die Sklaven zum Hafen gebracht worden."

Dem eigenen afrikanischen Erbe nahekommen

Für Shawna, die an der zum Atlantik geöffneten Pforte Blumen niederlegt, machen die Forschungsergebnisse allerdings keinen Unterschied: "Für mich ist wichtig, dass ich an einem Ort wie diesem meinem afrikanischen Erbe nahe bin", sagt sie.

Der Musiker Fabrizzio Terenzo hat auf der Insel mit der düsteren Vergangenheit sein persönliches Paradies gefunden. Der Italiener und seine senegalesische Frau samt großer Familie haben ein Haus ganz in der Nähe des Hafens. "Ich bin hier zu Hause angekommen", sagt er. Als Sohn eines UNESCO-Diplomaten verbrachte er prägende Jahre seiner Kindheit in Zaire, der heutigen Demokratische Republik Kongo.

Rassismus habe er erst in Europa kennengelernt, erzählt Terenzo: "In Afrika wurde ich als weißer Junge vielleicht angestarrt und angestaunt, aber alle waren so herzlich zu mir. Dann habe ich in der Schule in Paris gehört, wie Afrikaner als Affen beschimpft wurden. Das war abstoßend." Es schien nur logisch, nach Afrika zurückzukehren, wo er lange für eine Kinderschutzorganisation arbeitete.

Die meisten Besucher auf Goree sind Tagestouristen, die nach dem Museumsbesuch durch die Straßen schlendern oder den Hügel zum Fort mit seinen dicken Mauern und Kanonen erklimmen. Inzwischen hat sich dort oben eine Künstlerkolonie angesiedelt. Auch Terenzo kommt täglich zum Plausch mit den Malern und Bildhauern, ehe er zwischen die Felsen des Kliffs klettert - dorthin, wo das Echo besonders gut ist. Dort greift er zu seiner Trompete und improvisiert. Die klaren Töne mischen sich mit dem Wind und den Schreien der Seevögel.

Eintauchen in die Musikszene von Dakar

Musik spielt auch in den Clubs von Dakar eine große Rolle. Schließlich gilt Senegal zusammen mit dem Nachbarland Mali als das Land mit der besten Musikszene Westafrikas. Künstler wie Youssou N'Dour, Baaba Maal und Orchestre Baobab sind nicht nur jenseits der Landesgrenzen, sondern auch über Afrika hinaus beliebt.

Dakar hat mit seiner Musikszene, seinen Märkten, der Mischung aus französischem und afrikanischem Erbe oder dem einstigen Fischerdorf Ngor mit dem vor allem bei Surfern beliebten Strand einiges zu bieten. Dennoch zieht es die meisten Touristen 260 Kilometer weiter nördlich nach St. Louis, in die alte französische Kolonialhauptstadt.

Beliebtes Touristenziel: St. Louis

Das auf einer Insel zwischen dem Atlantik und dem Senegal-Fluss gelegene St. Louis wurde 1659 als erste französische Siedlung in Afrika gegründet. Heute zieht nicht zuletzt das jährliche Jazzfestival im Frühsommer die Besuchermassen an, doch wirklich leer ist es nie in der von französischer Kolonialarchitektur geprägten Altstadt, die ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

An der mehr als 500 Meter langen Eisenbrücke, die die Insel mit dem Festland und dem Bahnhof verbindet, hat der Zahn der Zeit sichtbar genagt. Während Touristen, Markthändlerinnen mit schweren Bündeln auf dem Kopf und grellbunte Minibusse für ein - trotz allem geordnetes - Chaos auf der Brücke sorgen, bleibt gelegentlich mal ein Lastwagen in einem der tiefen Schlaglöcher hängen.

Kolonialatmosphäre lässt sich im "Hotel de la Poste" schnuppern. Das zur Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute älteste und auch teuerste Hotel der Stadt war einst ein Treffpunkt der Postflieger, die hier pausierten. Jean Mermoz, ein Freund von Antoine de Saint-Exupéry und angeblich die Inspiration für die Figur des Piloten im "Kleinen Prinzen", pflegte in Zimmer 219 zu übernachten, wo Bilder an den berühmten Flieger erinnern. Von St. Louis aus startete Mermoz, der seit einem Flug 1936 als verschollen gilt, im Jahr 1930 zum ersten Flug nach Südamerika. Kleine Flugzeuge schmücken alle Zimmertüren.

In der Altstadt drängen sich Andenkengeschäfte, in denen vor allem Holzschnitzereien und Silberschmuck aus Senegal und anderen Ländern Westafrikas angeboten werden. Es empfiehlt sich, um den Kaufpreis zu feilschen und den Beteuerungen der Verkäufer, hier gebe es echt antike Dogon-Türen aus dem Niger oder Ritualmasken aus Mali, nicht allzu viel Glauben zu schenken. Sperrig im Reisegepäck, aber typisch für Westafrika sind holzgeschnitzte niedrige Klappstühle.

In der Umgebung des "Hotel de la Poste" haben viele Häuser und die schmiedeeisernen Balkone einen neuen Anstrich erhalten, hier prunken Bougainvillea an den Mauern. In den etwas abseits gelegenen Gebieten der Altstadt dagegen schreiten die Restaurierungsarbeiten gemächlich voran. Doch der Charme verfallender Schönheit hat hier eher noch mehr Charakter als die für Besucher herausgeputzten Straßen.

Informationen:

Anreise und Formalitäten: Die Lufthansa fliegt in Zusammenarbeit mit TAP Air Portugal nach Dakar. Dabei wird in Lissabon in Maschinen der TAP umgestiegen. Die Air France bietet Flüge von Deutschland nach Dakar mit Umsteigen in Paris an. Deutsche, die maximal drei Monate im Senegal bleiben wollen, brauchen einen Reisepass, aber kein Visum. Der Pass muss aber noch mindestens sechs Monate lang gültig sein.

Klima und Reisezeit: Der Senegal liegt in der Übergangszone zwischen den trockenen Regionen Nordafrikas und den feucht-heißen Tropen. Die Regenzeit dauert in der Regel von Juni bis November.

Sicherheit: Das Auswärtige Amt rät dringend davon ab, Senegals Grenzgebiete zu Mauretanien und zu Mali zu besuchen. "Übernachtungen im Freien, Fahrten im Dunkeln oder Einzelreisen sollten vermieden werden", rät das Ministerium. Vor einer Reise in die Region Casamance im Süden sollten sich Touristen über die aktuelle Lage informieren. Dort gehe die Armee des Senegal weiterhin gegen Rebellengruppen vor.

Gesundheit: Das Centrum für Reisemedizin empfiehlt Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Hepatitis A und Gelbfieber. Das Malaria-Risiko ist ganzjährig groß. Wichtig ist ein konsequenter Mückenschutz.

Geld: Der Franc CFA steht in einem festen Wechselkursverhältnis zum Euro: Ein Euro sind 655,957 FCFA. Kreditkarten werden laut dem Auswärtigen Amt in gehobenen Hotels und Restaurants akzeptiert.

Weitere Informationen: www.botschaft-senegal.de, www.senegal-tourism.com, http://bit.ly/auswaertiges_amt

© Eva Krafczyk, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: