2010: Reiseland in der Krise:Griechenland soll billiger werden

Die Regierung will und muss mehr Touristen anlocken - doch damit ist sie ziemlich spät dran: Viele Urlauber fahren woanders hin.

Kai Strittmatter

Krise? Welche Krise? Ein Flecken Griechenlands wenigstens hat kaum Grund zur Klage: Santorini, die wohl berühmteste Insel des Landes. "Wir sind wieder fast ausgebucht für die nächsten Monate", sagt Triantaphillos Pitsikalis, Inhaber eines kleinen Hotels im Kraterdorf Oia. Gut, die Aschewolke aus Island hatte Stornierungen zur Folge. "Aber das sind höhere Mächte, gegen die können nicht einmal wir etwas ausrichten." Sonst ist er sicher: "Santorini wird der letzte Ort sein, den die Krise trifft." Eine Insel der halbwegs Zufriedenen also - und so derzeit recht einsam.

"Kalimera" heißt die neue Kampagne des Tourismusministeriums, die den Reiz Griechenlands dem Ausland neu vor Augen führen soll: "Guten Morgen". Das ist ein tapferer Spruch angesichts düsterer Aussichten. Experten prophezeien einen Einbruch bei den Einnahmen um bis zu acht Prozent für dieses Jahr, und selbst die Schätzung hält Giannis Retsos, Präsident der Hotelbesitzer von Athen und Attika, für "äußerst optimistisch".

An Ostern - traditionell die Reisezeit der Athener - verzeichneten die Inseln im Durchschnitt fast ein Drittel weniger Besucher. Das ist besonders schmerzhaft, weil schon 2009 ein Einbruch von acht Prozent zu verzeichnen war.

Es geht nun an die Substanz. Hunderte Hoteliers haben in den vergangenen Wochen aufgegeben. Die Regierung ist alarmiert - der Tourismus hat für die griechische Wirtschaft eine weit größere Bedeutung als für andere Länder. Weil in Griechenland kaum produziert wird und die einzig andere große Branche die Schifffahrt ist, bringt der Tourismus ein Fünftel der Staatseinnahmen ein, auf die Athen so dringend angewiesen ist. 850.000 Griechen arbeiten in dem Sektor.

"Griechenland wurde jahrelang von steigenden Touristenzahlen verwöhnt und hat sich nie richtig bemüht, die Reisenden anzulocken", sagte Tourismusministerin Angela Gerekou und versprach große Anstrengungen des Staates: "Der Tourismus ist für unsere Wirtschaft Sicherheitsnetz und Sprungbrett zugleich, außerdem schaffen wir damit ein Image unseres Landes im Ausland."

Premier Giorgos Papandreou selbst kündigte vergangene Woche ein Maßnahmenbündel an. So sollen im Sommer die Start- und Landegebühren auf griechischen Flughäfen mit Ausnahme Athens entfallen. Man erhofft sich mehr Charterflieger.

Griechenland müsse "billiger" werden für Reisende, sagte der Premier. Das ist sicher nicht falsch. Hotel- und Restaurantpreise haben sich vor allem seit Einführung des Euro 2001 stark erhöht. Ein Abendessen mit Fisch kann zwei Leute auch in einer bescheidenen Hafenkneipe abseits der Touristenströme 100 Euro kosten. Das ist für Griechenland deshalb ein Problem, weil die Touristen längst Alternativen haben.

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Streik gegen den Streik

Zwar reisten 2007 noch 2,3 Millionen Deutsche hierher, doch hat die Türkei mit ihren All-inclusive-Angeboten Griechenland längst den Rang abgelaufen. Das Athener Institut für Touristische Studien ITEP gab soeben bekannt, die Buchungen aus Deutschland seien für 2010 um zehn Prozent gesunken. Und es sind nicht nur die Preise. Der griechische Tourismus brauche mehr Qualität, forderte Ministerin Gerekou. Es gibt einiges aufzuholen.

Zwar wurden Hotels und Infrastruktur im Zuge der Olympischen Spiele 2004 aufwendig renoviert, doch klagen viele Besucher über den Service. Vielerorts in Griechenland wird man freundlich und enthusiastisch bedient, aber man trifft noch oft Agenten und Verkäufer, die einen geflissentlich ignorieren oder Kellnerinnen, die es an Missmut locker mit ihren Münchner Kolleginnen aufnehmen können.

Ganz ohne Hürden ist der Kampf nicht. Das bekommt die Regierung nun zu spüren, da sie die Kabotage-Regeln für Kreuzfahrtschiffe aufgehoben hat, jene Beschränkungen, die es ausländischen Schiffen und Crews bisher verboten, in griechischen Häfen anzulegen.

Die Ministerin versprach einen "großen Aufschwung" für den Tourismussektor. Die Kabotage-Beschränkungen existierten aber zum Schutz griechischer Reeder und Seeleute - und die ließen Regierung und Touristen nun ihren Zorn spüren: Am Montag verwehrte eine Gruppe streikender Seeleute fast 1000 Kreuzfahrt-Touristen die Einfahrt in den Hafen und damit die Rückkehr auf ihr Boot, das unter der Flagge Maltas fuhr.

Das originellste Detail der Geschichte: Einige der Touristen kletterten nach einigen Stunden frustriert aus dem Bus und blockierten gemeinsam die Straße vor der Hafeneinfahrt. Es war gewissermaßen ein Streik gegen den Streik.

Noch nicht die optimale Werbung für Griechenlandreisen.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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