Reisekrankheiten:Die Klebe-Impfung

Es scheint eine verlockende Option zu sein für Reisen nach Asien, Afrika und Lateinamerika: Ein neues Pflaster verspricht Schutz vor Reisedurchfall.

Felicitas Witte

Etwa jeder dritte Besucher aus dem Westen bekommt auf Reisen nach Afrika, Asien oder Lateinamerika Durchfall. Eine Studie im Fachmagazin Lancet weckt nun bei betroffenen und bedrohten Menschen Hoffnung. Mexikanische und amerikanische Wissenschaftler berichten von einem Pflaster mit einem Impfstoff, der vor Reisedurchfall schützen soll.

Etwa 15 bis 40 Prozent der Reisedurchfälle werden durch enterotoxinbildende Escherichia coli (ETEC) verursacht. Die Bakterien gelangen über verunreinigtes Trinkwasser oder Nahrungsmittel in den Körper. Dort produzieren sie verschiedene Giftstoffe, darunter hitzelabile und hitzestabile Toxine. Diese Toxine verursachen unangenehme Durchfälle.

Das neue Pflaster soll hitzelabile Toxine von ETEC in den Körper bringen, der dann - vor der Reise - Antikörper produziert, die eine Infektion mit ETEC vermeiden sollen. Verabreicht man den Impfstoff als Spritze oder Schluckimpfung, verursacht die Impfung zu viele Nebenwirkkungen.

An der Pflasterstudie nahmen 178 Erwachsene teil, die planten, nach Mexiko oder Guatemala zu reisen. Die Studienteilnehmer erhielten vor ihrer Reise zweimal im Abstand von wenigen Wochen entweder ein Pflaster mit dem Impfstoff oder ein Placebopflaster. Die Reisen dauerten durchschnittlich zwölf Tage.

Während der Reise bekamen 24 Reisende ohne Impfschutz und neun der Geimpften Durchfall. Bei drei der Geimpften und elf der nicht Geimpften ließen sich ETEC im Stuhl nachweisen. Die Impfung schützte vor allem vor mittelschweren und schweren Durchfällen. Wurde ein Geimpfter von Montezumas Rache heimgesucht, so verlief das Problem offenbar weniger heftig als bei einem nicht Geimpften und es hörte schneller auf.

Skepsis bei Experten

Genügt es also in Zukunft, zwei Pflaster aufzukleben, um Fernreisen durchfallfrei zu überstehen? Eine Vorstellung, die vielen Reisenden gefallen könnte. Doch Experten betrachten die neue Pflasterimpfung skeptisch. "Die Idee, Impfstoffe über die Haut einzubringen, ist grundsätzlich interessant", sagt Martin Zeitz, Gastroenterologe an der Charité in Berlin. Ob das Verfahren für eine Durchfallimpfung geeignet sei, ließe sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen. Zu gering ist die Anzahl der Studienteilnehmer in den einzelnen Gruppen, als dass man eine verlässliche Aussage treffen könnte.

Zudem richtet sich die Impfung nur gegen die ETEC, die längst nicht für alle Durchfälle verantwortlich sind. "Außerdem wissen wir noch nicht, wie lange die Impfung anhält und welche Nebenwirkungen sie kurz- oder langfristig verursacht", sagt Martin Zeitz.

In der Studie vertrugen die meisten Reisenden die Pflasterimpfung gut. Der Impfstoff verursachte jedoch bei zwei von drei Geimpften lokale Reaktionen auf der Haut wie Juckreiz, Hautausschläge oder Pigmentstörungen.

Ob der Impfstoff wirklich etwas nützt und ob das Pflaster irgendwann auf den Markt erhältlich sein wird, ist jedoch fraglich. "Die Pflasterimpfung könnte sich allenfalls für Leute eignen, die häufig beruflich ins Ausland reisen und fit sein müssen", sagt Martin Zeitz.

Bei häufigen Reisen Probiotika einnehmen

Beruflich Reisenden empfiehlt er zur Vorbeugung bislang Probiotika, zum Beispiel mit Laktobazillen. "Wir wissen aus Studien, dass Probiotika die Dauer eines Durchfalls verkürzen können." Freizeitreisende bräuchten Probiotika als Vorbeugung jedoch nicht.

Ob berufliche oder private Reise: Die bei einem Durchfall verlorene Flüssigkeit sollte umgehend ersetzt werden. "Die von der Weltgesundheitsorganisation vorgeschlagene Elektrolytlösung mit einem Esslöffel Zucker und einem Teelöffel Salz auf einem Liter Wasser hat schon vielen Menschen geholfen", sagt Zeitz.

Ähnlich gut helfen Cola und Salzstangen und schmecken zudem besser als die WHO-Lösung. Auch eine noch so gute Impfung wird vor Durchfall nicht schützen können. Viel besser als jede Impfung ist daher der altbewährte Rat: "Schäle es, koche es, oder vergiss es".

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