Reiseführer für Bagdad:Rechts ein Saddam ohne Gesicht

In der "Grünen Zone" können sich Ausländer gerne umsehen - allerdings in nur relativer Sicherheit.

Claudio Gutteck

Das Ganze erinnert an den Fall, den Karl Kraus 1921 in der Fackel fürs Weltgericht festgehalten hat. Die Basler Nachrichten hatten dazu eingeladen, das Gebiet um Verdun zu besichtigen: "600 km Bahnfahrt II. Klasse. Einen ganzen Tag im bequemen Personen-Auto über die Schlachtfelder, Übernachten, erstklassige Verpflegung, Wein, Kaffee alles inbegriffen im Preise von 117 Franken." "Unvergeßliche Eindrücke" seien zu erwarten, besonders im Herbst sei die Tour zu empfehlen. Der Krieg war damals natürlich schon aus.

Im Irak ist er zwar nicht beendet, doch in der "green zone" der Amerikaner in Bagdad wähnt man sich in relativer Sicherheit. Für diese neun Quadratkilometer große Fläche ist ein "Visitor's Guide" erschienen, in einer früheren Version noch mit dem Untertitel: "Von Touristen für Touristen." Verfasser des gut 40-seitigen Führers ist ein "Richard H. Houghton III", Direktor des konservativen International Republican Institute in Bagdad, der, wenn er nicht gerade die Welt für die Demokratie sicherer macht, Gewichtheben und Rodeoreiten mag.

Nach wie vor, so Houghton, sei die Sicherheitslage heikel. Während man sich durch die grüne Zone bewege, sei die Umgebung scharf im Auge zu behalten, denn "die größte Gefahr ist der indirekte Beschuss durch Raketen oder Mörser". Hatte die Rundfahrt der Basler Nachrichten einst damit geworben, dass man zerstörte Dörfer, Friedhöfe sehen und "nach dem Essen zur Besichtigung des zerschossenen Verdun" schreiten werde, wo "dem Besucher der Inbegriff der Grauenhaftigkeit moderner Kriegsführung" vermittelt werde, so ist der Radius der Green-Zone-Touristen deutlich kleiner.

Einige der von Houghton vorgestellten Bauwerke können gar nicht besucht werden, weil sie dem Militär dienen. Und von der Straße zum Flughafen, "der gefährlichsten Straße der Welt", rät er ab: Optisch gebe die Piste "nicht viel her".

Garniert mit Saddam-Anekdoten, präsentiert er vor allem Attraktionen aus der Zeit des Diktators, etwa das "Monument der gekreuzten Schwerter", bei dem zur Legierung der 24 Tonnen schweren Klingen die Waffen irakischer Märtyrer aus dem Krieg mit dem Iran verwendet wurden.

Empfehlenswert außerdem: das Hauptquartier der Baath-Partei: "Betreten Sie das Gebäude durch den Haupteingang und Sie können sehen, wo Artillerie die kunstvolle Decke zum Einsturz gebracht hat"; die große Konferenzhalle im Verteidigungsministerium: "Rechts vom Eingang in einem Nebenraum befindet sich ein Wandgemälde mit einem Saddam ohne Gesicht"; ein Camp des US-Militärs mit dem Namen "Freedom";

das Ibn Sina Krankenhaus, in das "monatlich 300 traumatisierte Militärs eingeliefert" werden; das wegen seiner Brücken und Springbrunnen sogenannte "Klein-Venedig", in dem sich früher der Liebespalast des Sohns von Hussein befand; der von Deutschen erbaute, 114 Millionen Dollar teure "Bunkerpalast", von dem nur noch der Bunker erhalten ist; oder die Brücke des 14. Juli, auf der man zwar völlig ungeschützt sei, von der aus man aber den besten Blick in die Rote Zone und über den Tigris habe.

Hinweise auf eine mesopotamische Geschichte vor Saddam, auf Babylonier oder Assyrer sucht man vergebens: Houghtons Bagdad beginnt und endet mit Saddam. Der Irak - das Gruselkabinett eines bizarren, aber dank des US-Einmarsches inzwischen unschädlichen Diktators.

Am Ende blickt Houghton auf die Skyline von Moscheen und Hotels und wird poetisch: "Eine Reihe von Gebäuden, Tupfer am Horizont . . . So verführerisch nah, und doch werden viele Bewohner der grünen Zone wegen der Sicherheitssituation niemals mehr als einen Blick aus der Ferne darauf werfen können."

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