Reisefotografin Nicola Odemann:Wo Menschen nur Nebendarsteller sind

Nicola Odemann kennt das Island-Paradoxon: Wer die Insel bereist, bekommt noch mehr Sehnsucht nach ihr. Beweise? Diese Fotos.

Von Katja Schnitzler

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(Foto: Nicola Odemann)

"Ich will Gefühle einfangen", sagt die Reisefotografin Nicola Odemann. Während andere schon mit Motiven im Kopf ankommen, die sie in der Realität wiederzufinden hoffen, wartet Odemann ab, was die Landschaft in ihr auslöst. Und bringt so Bilder mit, die auch andere Betrachter anrühren. Auf vielen Fotos sind Menschen zu sehen, mal größer, mal kaum noch erkennbar, und dennoch spielt immer die Landschaft die Hauptrolle. Kein Wunder, Nicola Odemanns Tumblr heißt "I collect places". Besonders schöne Orte hat die Fotografin auf ihren Reisen nach Island gesammelt. Im Bild: Wandern im Kerlingarfjöll, einem vulkanischen Gebirgszug im isländischen Hochland

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(Foto: Nicola Odemann)

Berge und der weite Blick sind ein bestimmendes Thema in Odemanns Arbeit - und in ihrem Leben. Die 24-Jährige ist im Süden Deutschlands am Alpenrand aufgewachsen, wo Hobbys wie Wandern oder Skifahren alltäglich sind. Im Lauf der Zeit schätzte sie die Einfachheit des Wanderns und die Einsamkeit immer mehr, die sie dabei findet. Was manchem Städter vielleicht unheimlich wird, fühlt sich für sie genau richtig an: "Berge sind eben mein Zuhause." Die Suche nach Einsamkeit bedeutet aber nicht, dass Odemann allein unterwegs ist - im Gegenteil. Im Bild: Der beliebte Laugavegur-Wanderweg führt etwa 55 Kilometer durch das südliche Hochland.

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(Foto: Nicola Odemann)

Die Fotografin ist gerne mit Freunden oder Verwandten unterwegs, am liebsten mit ihren drei Schwestern - schließlich steht und fällt die Harmonie mit der Wahl des richtigen Reisepartners: "Mit meinen Schwestern zu verreisen ist so unkompliziert, weil wir alle sehr ähnliche Vorstellungen vom Reisen haben." Damit ist Nicola Odemann in guter Gesellschaft, die Einsamkeit und Weite der Natur so zu schätzen weiß wie sie. Im Bild: Gletscherhöhle auf dem Skaftafellsjökull, einer Gletscherzunge im Vatnajökull-Nationalpark

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(Foto: Nicola Odemann)

Mit ihren Begleitern kann Odemann ihre Landschaftsporträts außerdem vervollständigen: "Erst wenn ich an einem besonders schönen Ort eine Person zeige, gibt dieses Motiv der Sehnsucht, die der Anblick ausgelöst hat, einen Raum." Und der Betrachter stellt sich unbewusst sogleich die Frage: Wie würde es sich für mich anfühlen, auf diesem Grat entlangzulaufen? Im Bild: Wandern im Kerlingarfjöll, einem vulkanischen Gebirgszug im isländischen Hochland

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(Foto: Nicola Odemann)

Wer wie sie leidenschaftlich fotografiert und zu Fuß entdeckt, dem empfiehlt Nicola Odemann den Trekkingweg Laugavegur, der in vier Tagen von Landmannalaugar nach Þórsmörk führt. "Ich liebe das Hochland, die Natur dort ist einfach nicht zu überbieten", schwärmt sie. Andere Menschen traf sie dort kaum und "man entwickelt ein solches Gefühl für diese Weite, dass man gar nicht mehr darauf verzichten mag". Die Landschaft wirkt auf Nicola Odemanns Abbild wie ein Gemälde, das sich in immer neuen Licht vor den pausierenden Wanderern ausbreitet. Im Bild: der Laugavegur-Wanderweg

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(Foto: Nicola Odemann)

Doch selbst in Island entspricht nicht alles einer perfekten Traumlandschaft: "Als ich daheim Bilder der bekannten Wasserfälle Skógafoss und Seljalandsfoss gesehen hatte, dachte ich, sie seien irgendwo isoliert in der Wildnis." Tatsächlich sind sie direkt neben der Straße - einsam ist es dort nicht. Aber immer noch eindrucksvoll. Im Bild: Der Wasserfall Seljalandsfoss im Süden der Insel in der Gemeinde Rangárþing; entlang der Küste gibt es weitere sehenswerte und weniger bekannte Fälle.

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(Foto: Nicola Odemann)

Zu ernst nimmt die Deutsche ihre Leidenschaft Fotografie nicht: "Natur ist mein Spielplatz, also spiele ich", lautet ihr Motto. Manchmal findet sie dabei Spielgefährten. Im Bild: Wal bei Húsavík an der Nordküste

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(Foto: Nicola Odemann)

Angst, ein Reiseziel klischeehaft abzubilden, hat sie daher nicht: Sie will einen Ort nicht in Szene setzen, sondern Gefühle festhalten und mit den Bildern wieder auslösen. Im Bild: eine Herde Islandpferde

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(Foto: Nicola Odemann)

"Es ist wie eine Zeitmaschine", sagt sie. Beim Betrachten der Bilder könne sie die besten Momente auf der Reise jederzeit abrufen - und die Gefühle dazu wieder nachempfinden. Im Bild: auf dem Weg durchs Hochland

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(Foto: Nicola Odemann)

Es überrascht nicht, dass Reisende einen etwas weiteren Weg auf sich nehmen müssen, um zu Nicola Odemanns Lieblingsort in Island zu kommen: Kerlingarfjöll, einem vulkanischen Gebirgszug. Erst muss die Weite des monotonen Hochlands auf der Kjölur Piste durchquert werden, bevor das Bergmassiv auftaucht. Schon die Anfahrt sei eindrucksvoll gewesen, "aber Kerlingarfjöll erschien uns dagegen wie eine Oase". Sie seien zwischen Bergen, Schneefeldern, dampfenden Flüssen und Quellen gewandert. Diese Verschmelzung der Gegensätze machten den Reiz Islands aus. Im Bild: Wandern im Kerlingarfjöll

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(Foto: Nicola Odemann)

Die Schroffheit der Felskanten des Canyons Fjaðrárgljúfur im Südosten wird von einem Überzug aus Moosen abgemildert, der neblige Dunst liegt wie ein Weichzeichner über der Landschaft. Es gibt aber auch einen Ort auf Island, der Nicola Odemann bereits beim ersten Mal so wenig gefallen hat, dass sie ihn nicht noch einmal besuchen möchte - jedenfalls nicht zu einer halbwegs warmen Jahreszeit: Mývatn. "Obwohl ich wusste, dass dies 'Mückensee' heißt, war ich nicht auf das vorbereitet, was mich dort erwartete", sagt sie. Die schwarzen Wolken am Himmel bildeten Mücken, von denen die meisten zwar nicht stechen - doch wer herumlief, war bald selbst von so einer lästigen Wolke umhüllt. "Ich bin nur kurz aus dem Auto gestiegen, dennoch waren ich und das Auto danach voller Mücken. Entspannend ist das nicht."

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(Foto: Nicola Odemann)

Ihren schönsten Island-Moment erlebte Nicola Odemann in diesem Jahr im Kerlingarfjöll: An einem Abend saß sie in einer Berghütte, als plötzlich schwache Lichter am Himmel erschienen, die anfangs noch wie helle Wolken aussahen. Das Leuchten wurde immer stärker und als sie aufgeregt in die Nacht rannte, "explodierte der Himmel regelrecht über uns und wir waren umgeben von diesen magischen, tanzenden Lichtern". Obwohl das Foto der Nordlichter verschwommen ist, "zählt es trotzdem zu einem meiner wertvollsten und liebsten Bilder, weil es mit dieser Erinnerung verknüpft ist".

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(Foto: Nicola Odemann)

Für Nicola Odemann ist Fotografie auch eine Möglichkeit, die Zeit zwischen zwei Reisen auszuhalten. Nach Island sehne sie sich jedoch immer, denn das Fernweh ende nicht mit einem Besuch der nordischen Insel: "Das Verrückte ist, dass das Bereisen Islands die Sehnsucht danach nur noch vergrößert. Deshalb bekomme ich nie genug von diesem Land." Mehr Bilder von Nicola Odemann auf nicolaodemann.com Im Bild: Gletscheroberfläche des Skaftafellsjökull

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

In dieser Serie stellt SZ.de interessante Reisefotografen vor. Bislang ging es mit ihnen in die Metropolen der Welt, nach Vietnam, tief unter die Meeresoberfläche, zu indigenen Stämmen auf den Philippinen und mitten in die deutsche Städtelandschaft, an Vulkankrater sowie zur wahren Seele der Eisberge, nach Südamerika, Hongkong, nach Taiwan, Island, Bangladesch, in die US-Südstaaten, nach "Senegambia" und Rio de Janeiro sowie in den glühenden Sommer von Tadschikistan. Weitere Episoden zeigten bereits Reisen durch Schottland, Afrika, Armenien, Myanmar, Rumänien, Iran, Spitzbergen und Georgien sowie die Lieblingsorte eines Globetrotters, der alle Unesco-Welterbestätten abbilden will.

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