Reisebüros:Nur die Besten haben Zukunft

Reisebüros: Auch wenn die meisten Deutschen immer noch im Reisebüro buchen: Seit 1999 verschwinden pro Jahr 300 Läden vom Markt.

Auch wenn die meisten Deutschen immer noch im Reisebüro buchen: Seit 1999 verschwinden pro Jahr 300 Läden vom Markt.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Ist das Reisebüro ein Auslaufmodell? Internetportale und mächtige Konzerne setzen besonders die kleinen Anbieter vor Ort unter Druck. Und eine Strategie des Unternehmens Tui macht die Großen noch größer.

Von Michael Kuntz

Zu einer deutschen Fußgängerzone gehören der Lebensmittel-Discounter, die Drogerie, der Handy-Laden, die Apotheke und das kleine Reisebüro. Allerdings: Eines dieser kleinen Reisebüros wird es an etlichen Orten bald nicht mehr geben.

Die Gegenwart: Noch ist Deutschland ein paradiesisches Land für ganz viele Urlaubsverkäufer. Voriges Jahr gab es 9986 Reisebüros. Dazu kommen 1800 sogenannte sonstige touristische Buchungsstellen, wo Reisen nebenbei angeboten werden, etwa im Kaffeeladen oder dem Supermarkt. Plus die 207 Agenturen, die ihr Angebot ausschließlich im Internet oder per Callcenter vermarkten. In der Summe gehören zur Infrastruktur Deutschlands fast zehnmal so viele Reisebüros wie Schnellrestaurants von McDonald's. Derzeit gibt es mehr als elf Reisebüros pro 100.000 Einwohner, so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Das wird sich ändern und zwar in nächster Zukunft.

Sparen überall, nur nicht am Urlaub

Die Zukunft: Wenn die Deutschen sich weiter so verhalten wie in der Vergangenheit, werden sie auch künftig an allem Möglichen sparen, nicht aber an ihrem Urlaub. Etwa drei Viertel der Bevölkerung fährt in den Ferien von zu Hause weg und sorgt für ein kontinuierlich wachsendes Geschäft der Reisebüros. So war es wieder 2012. Da wuchs der Gesamtumsatz von 21,8 Milliarden auf 22,5 Milliarden Euro. Das lockt. Nicht zuletzt wegen jährlich 100 Neueinsteigern sinkt die Anzahl der Reisebüros nur leicht, trotz Internet und Konzentrationsprozess. Seit 1999 verschwinden dennoch unter dem Strich pro Jahr 300 Reisebüros vom Markt.

Der Trend: Die Großen werden größer, und die kleinen Büros mit nur anderthalb oder zwei Mitarbeitern kämpfen ums Überleben. Für sie werden die Zeiten noch härter. Denn der größte unter den Reiseveranstaltern, die Tui, wird mit einem neuartigen Provisionsmodell diesen Ausleseprozess beschleunigen. Fest steht: Die Tui wird nicht mehr mit fast allen Reisebüros zusammenarbeiten. Christian Clemens, der neue Deutschland-Chef, gibt die Richtung vor: "Tui soll nicht überall verkauft werden, Tui soll von den Besten verkauft werden." Die Besten im Sinne des schwedischen Managers - es könnten am Ende zwischen 5000 und 6000 Läden sein. Vielleicht auch 7000, das weiß keiner so genau.

Denn es wird Eigentümer von Reisebüros geben, die sich von der Tui verabschieden. Es wird aber auch kleinere Reisebüros geben, die nicht leisten können, was der Konzern künftig von ihnen verlangt.

Die Tui will unverwechselbarer werden: bei Hotels, den elektronischen Systemen und nun auch im Vertrieb. Sieben eigene Hotelmarken mit Versprechen für bestimmte Zielgruppen gibt es schon. Sie sollen 80 Prozent des Marktes abdecken. "Sensimar" etwa steht für ruhige Häuser am Meer mit edlem Essen und Wellness, in denen sich ältere Paare wohlfühlen sollen. Die Hotelmarken besitzen Vorteile für Veranstalter und Urlaubsgäste, findet Tui-Vertriebschef Ralf Horter: "Wir können unsere Qualitätssicherung auf weniger Häuser konzentrieren."

Reisebüros verkaufen mehr als 90 Prozent der Pauschalreisen

So machen es viele in der Reiseindustrie: Denn ein Hotel, das nur bei einem Veranstalter zu buchen ist, fällt aus der Vergleichbarkeit auf Preisportalen im Internet. Das ist zunächst ein Vorteil für den Reiseveranstalter. Vernachlässigt der allerdings die Qualität seines Hotels, enttäuscht er seine Gäste, dann wird der Markenname beschädigt.

Tourismus Bundesrepublik Urlaub DDR

Urlaubsnostalgie, zu sehen im Dokumentationszentrum Alltagskultur (DOK) der DDR in Eisenhüttenstadt.

(Foto: Andrea Pattaro/afp, Patrick Pleul/dpa)

Es ist also eine ambitionierte Strategie, die erklärungsbedürftig ist. Darin liege die Chance für Reisebüros. "In denen muss die Beratung hochqualifiziert sein, denn es gilt, die richtige Reisewelt für die verschiedenen Kundengruppen und ihre Bedürfnisse zu finden", sagt Tui-Manager Michael Knapp. Eine solche Qualitätsberatung endet nach den Vorstellungen der Tui mit dem Verkauf von Produkten ihrer eigenen Marken. Dafür gibt es jedenfalls eine höhere Provision. Denn die bemisst sich nicht mehr allein am Umsatz. Wer für die Tui 300.000 Euro umsetzte, verdiente bisher rund zehn Prozent. Künftig kann er seine Vergütung steigern auf bis zu 14,85 Prozent, bei mehr als 1,5 Millionen Euro Umsatz. Aber nur, wenn er die richtigen Tui-Produkte an den Urlauber bringt, vor allem also deren eigene Hotelmarken.

Das Kalkül, über das man bei der Tui nicht so laut spricht: Durch die Extra-Provision wird sich der Konzern quasi von selbst jener Reisebüros entledigen, die sich zwar das Signet des Marktführers an die Fensterscheibe kleben, dann aber letztlich über den Preis verkaufen. Die Reise als Ramschware, damit will Tui-Chef Clemens Schluss machen. Seine Firma bringt zwar acht Millionen Deutsche in den Urlaub, schafft dabei aber nur 2,5 Prozent Rendite. Die will Clemens verdoppeln, durch einen Ausbau des Internetgeschäftes und die Konzentration auf leistungsstarke Reisebüros. Auf personalisierten Internetseiten bekommt der Tui-Kunde bereits Infos über seine Buchung und das Urlaubsziel. Noch gibt es zusätzlich das gedruckte Gutscheinheft mit den Vouchern.

Ähnlich ambivalent verhält sich die Tui im Internet. Hier macht sie erst acht Prozent des Umsatzes. Auch mit neuartigen Auftritten ("Was sind Sie für ein Urlaubstyp?") wird sich da so schnell nicht viel ändern lassen. Die Musik spielt vorerst weiter in den Reisebüros - wenn auch nicht mehr in allen.

Zwar informieren sich immer mehr Menschen im Internet, gehen dann aber doch in ein Reisebüro. Mehr als 90 Prozent der klassischen Flugpauschalreisen werden im Reisebüro verkauft. Nicht nur die Tui kann auf die vielen Läden nicht verzichten. Ihr Hauptkonkurrent Rewe hat gerade ein Reisebüro-Konzept vorgestellt, mit Bildschirmen statt Katalogwänden und Beratung an runden Tischen. Rewe will sein Logo DER Touristik als flächendeckend erlebbare Dachmarke etablieren, in zunächst 2100 Reisebüros, die mehr als bisher die eigenen Veranstalter Dertour, Meier's Weltreisen, ADAC Reisen, ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg anbieten sollen.

Damit fallen viele DER-Büros dann aus als Vertriebspartner, wie die Tui sie sich vorstellt. Das neue Provisionsmodell mit Anreizen für den Verkauf der eigenen Marken sei keine Antwort auf die Rewe, heißt es beim Marktführer kühl. Grundsätzlich sind in deutschen Reisebüros die Produkte der gesamten Branche erhältlich. Das macht mitunter Sinn: Die Tui verkauft Bahn- und Busreisen, veranstaltet sie aber nicht selbst.

Die Institution Reisebüro ist also kein Auslaufmodell, es hat Zukunft, jedenfalls wenn es nicht zu klein ist. Thomas Cook bekennt sich ausdrücklich zum "stationären Vertrieb" und kürzt sogar kleineren Online-Portalen die Provision, wenn sie nicht genug Geschäft bringen. Auch der Veranstalter FTI in München setzt nicht nur auf das Internet und seinen einzigartigen Fernseh-Verkaufskanal "Sonnenklar TV". Und bei FTI spielt das klassische Reisebüro künftig eine größere Rolle: Geschäftsführer Ralph Schiller plant eine "bundesweite Flächendeckung" innerhalb der kommenden fünf Jahre.

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