Reisebuch "Off Season":Endlich Nachsaison

Erst wenn die Badegäste weg sind, ist der Blick frei auf die Seen im Alpenvorland.

Von Stefan Fischer

Er hat einen Hang zur Eigenbrötelei; schon Gruppen von vier oder fünf Menschen stressen ihn. Und doch, denn etwas anderes hat sich nicht ergeben, arbeitet er als Bademeister in einem überfüllten Strandbad. Er ist ein guter Schwimmer, denn schon als Kind war ihm das Schwimmen lieber als jeder Mannschaftssport. Irgendwann, nach Stunden auf dem Ausguck, hält er es endgültig nicht mehr aus, er muss hinausschwimmen auf den See, wo er seine Ruhe hat. Der Aufseher vom Minigolfplatz vertritt ihn so lange. Er schwimmt und schwimmt - und als er schließlich zurückkehrt ans Ufer, sind all die lärmenden Menschen verschwunden. Es ist Herbst geworden, Nach- beziehungsweise Nichtsaison. Das Strandbad ist verlassen. Nur hier und dort "liegen vergessene Dinge herum", schreibt Christoph Janacs, "ein blauer Sandkübel, eine rote Schaufel, eine zerschlissene Decke, ein einsamer Kinderschuh."

Immer wieder spielen Christoph Janacs' Geschichten ins Fantastische, so wie die Episode "Ende der Saison". Ein paar Hundert Schwimmzüge, und schon hat sich die Welt um einen herum verändert, wird aus dem Hochsommer der Spätherbst. Janacs' kleine, fiktionale Erzählungen korrespondieren mit den Fotografien von Peter Schlager in ihrem gemeinsamen Band "Off Season". Die Bilder zeigen Seen im Chiemgau und vor allem im Salzburger Land, immer aufgenommen im Herbst oder Winter. Bilder einer ungewohnten Ruhe sind das, von Orten, die man eigentlich nur aus dem Sommer kennt, wenn viel Rummel herrscht.

Manchmal ist diese Ruhe auf den Bildern wohlig, manchmal ist sie unbehaglich. Ab und zu hat sie auch eine komische Seite. Etwa im Strandbad am Mattsee, wo im Regal eines ansonsten leeren Kiosks zwei aufblasbare Figuren überwintern, ein Küken und eine Robbe. Auch das haifischbezahnte Boot, das kieloben nicht bedrohlich, sondern hilflos wirkt, oder der Picknick-Platz, dessen Bänke und Tische nurmehr Betonskelette sind ohne Sitzflächen und Tischplatten, wirken kurios.

Die Fotografien wie das Dutzend Texte durchweht eine Melancholie - der Einsamkeit, des Außenseitertums, manchmal des Sterbens. Dennoch ist "Off Season" kein tristes Buch. Allenfalls ein mitunter mürrisches, vor allem in den Geschichten. In "Eisberge" preist ein anorektischer Schwätzer seine Pläne für ein Wellness-Center an. Der grantige Bürgermeister lässt ihn ins Leere laufen - und ist, schlecht gelaunt, wie er ist, dennoch der sympathischere der beiden Männer. Weil er sich dem touristischen Halligalli verschließt, weil er geerdet und naturverbunden ist und den Wert dieser Seenlandschaften jenseits von Spaßbädern und Strandtrubel erkennt. Für Typen wie ihn beginnt die schönste Zeit, wenn die Saison vorbei ist.

Peter Schlager, Christoph Janacs: Off Season. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2015. 192 Seiten, 22 Euro.

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