Reisebuch:Bäume mit Charakter

Ein bemerkenswerter Bildband des Fotografen Kilian Schönberger zeigt die Schönheit deutscher Wälder. Er porträtiert dabei nicht einzelne Bäume, sondern begreift den Wald als vitalen, dynamischen Organismus.

Von Stefan Fischer

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen: Diese sprichwörtliche Gefahr, das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren, besteht gerade auch bei der Waldfotografie. Es ist viel einfacher, einzelne Bäume oder Kleingruppen zu porträtieren, als den Wald als Organismus, eben als Ganzes zu zeigen. Immer erscheinen einzelne Bäume zu dominant, passt das Licht nicht, lässt sich überhaupt in einem einzigen Bild nicht festhalten, was das Auge beim Umherschweifen als Gesamteindruck wahrnimmt.

Insofern ist Kilian Schönberger mit "Waldwelten" ein bemerkenswerter Band gelungen. Der Fotograf bringt die Geduld auf und die Erfahrung mit, an den richtigen Orten zu sein und auf den perfekten Moment zu warten. Oft sind das die Morgenstunden, wenn die Sonne den Wäldern unter den Saum schlüpft und die Feuchtigkeit in Nebel verwandelt. Auf diesen Bildern sieht man tatsächlich Wälder und nicht primär Bäume.

Der Band zeigt auch andere Szenerien, etwa Küstenwälder an der Ostsee. Doch gehören in Deutschland insbesondere der Wald und die Mittelgebirge untrennbar zusammen, was schon Namen wie Bayerischer Wald oder Schwarzwald nahelegen. Schönberger erforscht mit der Kamera die Strukturen all dieser Wälder, die nicht willkürlich sind, sondern durch menschliche Eingriffe und vor allem die klimatischen und geologischen Bedingungen geprägt werden. Mitunter entstehen beinahe grafische Muster. Schönberger abstrahiert die Wälder aber nie so weit in seinen Fotografien, dass man ihre Vitalität (oder auch Verletzlichkeit) aus den Augen verliert. Sondern schält aus der Dynamik des Wuchses den jeweiligen Charakter heraus.

Kilian Schönberger: Waldwelten. Verlag Frederking & Thaler, München 2017. 320 Seiten, 98 Euro.

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