Reisebildband: New York:Die maßlose Schönheit

Ein neuer Bildband verspricht größenwahnsinnig das "Porträt einer Stadt", die niemals schläft - und schafft das Unglaubliche.

Stefan Fischer

11 Bilder

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Quelle: Edward Kasper. Taschen Verlag

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Die Skyline von Midtown New York liegt im Dunst, das Empire State Building hebt sich dennoch klar und dunkel vom grauen Himmel ab. Der Wolkenkratzer kann sich sogar behaupten gegen den Vordergrund des teilcolorierten Bildes, gegen zwei schlanke Frauenbeine auf einem Balkon, die auf der einen Seite unter einem weder zu kurzen noch zu langen schwarzen Rock verschwinden und auf der anderen in schmale, aber nicht allzu zierliche Füße übergehen. Füße, die von Schuhen - man kann es kaum anders ausdrücken - gekrönt werden. Schuhe, hinten schwarz wie Ebenholz, vorne rot wie Blut, mit Absätzen, die die Nachbarschaft des Empire State Buildings nicht scheuen müssen.

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Quelle: Paul Himmel: Brooklyn Bridge View, 1950. Taschen Verlag

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Die Fotografie von Edward Kasper ist 1950 entstanden als Modeaufnahme für das Magazin Glamour. Und sie erzählt viel über New York. Über den Luxus in dieser Stadt, die Eleganz, den Hang zur Inszenierung, den Wechsel der Moden, die Feier des Augenblicks. Sie erzählt außerdem von der Anonymität der Massen, denn man erfährt nicht, wessen Beine hier zu sehen sind. Die Oberflächlichkeit New Yorks spiegelt sich in der Aufnahme, aber auch ihre Vielschichtigkeit. Die Stadt offenbart ihre Großartigkeit und zugleich ihre Abgründe. So wie die Schuhe pompös sind und auf eine spezielle Weise doch schlicht.

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Quelle: Samuel H. Gottscho: Eröffnung des Empire State Buildings, 1931. Taschen Verlag

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Edward Kaspers Foto ist das Titelbild des voluminösen Bandes "New York", der in einer dreisprachigen Ausgabe (englisch, deutsch, französisch) im Taschen Verlag erschienen ist, herausgegeben von Reuel Golden. "Porträt einer Stadt" ist der größenwahnsinnige Untertitel. Das Buch löst ihn jedoch tatsächlich ein.

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Quelle: Anonymous: Grand Central Terminal, 1929. Taschen Verlag

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1850 setzt diese Erzählung ein, das erste Kapitel schlägt den Bogen bis zum Ersten, das folgende bis zum Zweiten Weltkrieg. Dann geht es in Zwanzig-Jahres-Schritten bis in die Gegenwart in kurzen, prägnanten Aufsätzen und mit einer opulenten Fülle an fotografischen Dokumenten. Die Besten haben diese Stadt mit der Kamera porträtiert: Andreas Feininger, Ruth Orkin, Jacob Riis, Alfred Stieglitz, Weegee ... Und dennoch versammelt der Band auch eine Unmenge Fotografien, deren Herkunft nicht mehr rekonstruiert werden kann wie die Aufnahme der Haupthalle des Grand Central Terminal, die dessen ungeachtet eine der bekanntesten New-York-Fotografien ist.

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Quelle: Jack Delano: Lower Manhattan,gesehen von einem ablegenden Schiff, 1941. Taschen Verlag

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Derlei emblematische, ikonographische Bilder sind einige versammelt: jenes von dem Matrosen, der eine Krankenschwester küsst am Tag der Kapitulation Japans, ein Schnappschuss Alfred Eisenstaedts; James Dean am verregneten Times Square (Dennis Stock); Thomas Hoepkers Aufnahme einer Clique in Williamsburg, Brooklyn, die sich am East River scheinbar entspannt und sonnt vor der Kulisse der rauchenden Türme des World Trade Centers - den Eindruck der Gelassenheit und Fröhlichkeit haben die Fotografierten später dementiert.

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Quelle: Steve Schapiro: Foto von den Dreharbeiten des Films "Taxi Driver" mit Robert De Niro. Taschen Verlag

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Ein Widerspruch, wie so viele in New York, was die Stadt und dieses Buch so spannend machen. Auch Sehenswürdigkeiten spielen in dem Buch eine Rolle, denn sie prägen New York natürlich; ebenso wie wichtige gesellschaftliche und historische Ereignisse. Als Porträt würde das jedoch nicht genügen; und so ist die Auswahl der Fotografien danach getroffen, wie viel sie über die Stimmung und die Anmutung nicht der Stadt, aber eines einzelnen Aspekts von ihr ausdrücken.

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Quelle: Anonymous: Mulberry Street, 1900. Taschen Verlag

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Hinterhöfe haben ebenso ihren Platz wie Schauseiten. Vergangenes, Zerstörtes steht neben Neuem oder Bewahrtem. Und von den Künstlern, die zitiert werden, haben diejenigen Vorrang, die Widerworte geben. "New York ist mir zu anstrengend, es geht mir auf die Nerven", hat der Schriftsteller Ambrose Bierce wissen lassen. Ungleich hämischer ätzte sein Kollege O. Henry: "Was kann man von einer Stadt erwarten, die von einem Ozean auf der einen Seite und von New Jersey auf der anderen vom Rest der Welt abgeschnitten ist."

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Quelle: William Claxton: Jazz Musiker vor dem Metropole Café am Broadway, 1960. Taschen Verlag

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Sehr deutlich wird in diesem Porträt das Maßlose, das dieser Stadt eigen ist, die sich vor 150 Jahren gerade mal bis zur 42.Straße ausdehnte.

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Quelle: Evelyn Hofer: "Arterien". Highways führen durch Manhattan West. Taschen Verlag

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Erst Anfang des 20.Jahrhunderts war ganz Manhattan bebaut. Wahrscheinlich ist es kein Widerspruch, dass diesem üppig wuchernden Gemeinwesen sehr früh schon ein ordnender Plan zugrunde lag, der Gitterplan der Straßen von 1811, von dem kaum einmal abgewichen wurde.

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Quelle: Philip-Lorca diCorcia: 42nd Street, 1996. Taschen Verlag

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Struktur und Chaos haben New York im Zusammenspiel erst ermöglicht sowie der Mut, vor wenigen Verrücktheiten zurückzuschrecken. Viele Fotos dokumentieren die Vorreiterrolle, die New York bei wesentlichen technischen Entwicklungen innehatte. Und ein Imbissstand am Straßenrand, 1898 fotografiert, bietet nicht Sandwiches, sondern Austern an, für einen Cent das Stück. Drunter ist es noch nie gegangen in New York.

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Quelle: Esther Bubley: Manhattan, 1951. Taschen Verlag

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Reuel Golden: New York. Porträt einer Stadt. Taschen Verlag, Köln 2010. 560 Seiten, 49,99 Euro.

© SZ vom 4.11.2010/kaeb
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